Ich muss sagen, zu Beginn war ich von diesem Roman sehr verwirrt und zugleich auch begeistert. Zum einen konnte ich überhaupt nicht verstehen, wie mir diese unglaubliche Fähigkeit des bildlichen Erzählens in der Kopenhagen-Trilogie entgangen war, zum anderen schienen mir in der Trilogie die Figureneinführungen und der Handlungsrahmen so verständlich nachvollziehbar, dass ich in "Gesichter" an vielen Stellen stutzig war und meinen Moment brauchte, um mich in diesem anderen Geschehen zwischen Wahn und Realität zurechtzufinden. Nichtsdestotrotz hat gerade dieser permanente Zustand des Nichtwissens den Reiz ausgemacht. Die Protagonistin Lise Mundus, Schriftstellerin, Mutter und Ehefrau entgleitet die Realität als sie beginnt, Stimmen zu hören und Gesichter zu sehen, welche laut äußerer Beurteilung nur Teil ihrer Einbildung sind. In der Klinik verhandeln ihre Gedanken zwischen vielen Ängsten. Zum einen ist es die Angst, als Hochstaplerin enttarnt zu werden, die Angst, von ihrem Ehemann durch die Haushälterin ersetzt zu werden, deren Stimmen sie in der Klinik verfolgen und sie mit ihrem diabolischen Plan quälen. Es herrscht eine unglaubliche Unruhe in dieser Stimmung, doch Ditlevsen präsentiert hier eine vielschichtige und wandelbare Figur, deren Entwicklung mit Spannung und ganz viel Emotionen bezeugt werden kann.