Ich finde es so faszinierend, dass Beloved von Toni Morrison jenseits des großen Teichs dieses Doppelleben als gefürchtete Schullektüre zu führen scheint. Also, klar: Auf der einen Seite macht es Sinn. Toni Morrison, legendäre schwarze Autorin, schreibt ein Buch, das sehr plastisch zeigt, wie unglaublich furchtbar, traumatisch und menschenverachtend die amerikanische Sklaverei war. Klingt wie etwas, mit dem sich Schülerinnen und Schüler beschäftigen sollten.
Aber, dabei unterschlägt man: Literarisch ist dieses Buch so verrückt und experimentell, dass es mich gar nicht überrascht, dass es vielleicht für Oberstufe ein bisschen zu heftig ist. Das große Ding, das Morrison hier macht, ist ihr virtuoses, spacy Spiel mit den Zeitebenen und Perspektiven. Es schmelzen die ganze Zeit diese magisch-realistischen Figuren durch zwei Erzählstränge, auf dass das alles Kontinuierliche und Lineare in ihrem Erzählen systematisch zermürbt wird. Mutmaßlich macht sie das, um ein Gefühl von PTSD und Trauma durch die Form auszudrücken - und es stimmt; man kommt wirklich grauenhaft nah an die Intensität und Zäsur dieser einen furchtbaren Szene heran, die das ganze Buch definiert.
Beloved ist ein ikonischer Horror-Roman, wobei Horror dem ganzen auch nicht so ganz gerecht wird. Es ist ein komplettes Unikum, keine Gruselgeschichte, sondern etwas, das mit nicht weniger als literarischem Genie dem unnahbaren Horror dieser Realität näher kommt als quasi jedes andere Buch. Fette Triggerwarnung, aber doch dringende Empfehlung. Dem sollte man sich mal ausgesetzt haben.
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