Die Liebeslieder von W. E. B. du Bois von Honoreé Fanonne Jeffers, ins Deutsche übersetzt von Maria Hummitzsch und Gesine Schröder, ist Generationen- und Bildungsroman und dazu noch einer der umfassendsten, den ich je in den Händen halten durfte. Es geht hier um weit mehr als die Verzweigungen einer Familiengeschichte oder die Entwicklung einer Figur - dieses Debüt erzählt die Geschichte der Kolonisation Nordamerikas, erzählt von den Grauen von Vertreibung, Versklavung und Mord, von Fremdzuschreibungen und Segregation, die sich bis ins Gegenwärtige zieht, erzählt von Selbstbemächtigung, Aufstand und Wut.
Ailey Pearl Garfield, geboren in den 1970ern, steht hierbei im Zentrum. Sie ist Nachfahrin der Creek, der Coromantee, Igbo, Wolof sowie Fula, aber auch der Sklavenhalter:innen. Wir lesen abwechselnd Episoden ihrer Vorfahr:innen (die Lieder) und vonAileys eigenem Aufwachsen. Wir lernen die Ursprünge von transgenerationalem Trauma kennen und seine Auswirkungen. Wir lernen aber vor allem mit Ailey und ziehen ihren Bildungsweg nach, der sie zu W.E.B. du Bois und damit zu den Ursprüngen des Civil Rights Movements, zu Schwarzem Feminismus und der Auseinandersetzung mit Schwarzer Identität führt. Dieser Roman ist keiner, der einfach wegzulesen ist. Ich habe mir unendlich viele Notizen gemacht, Begegnungen, Beziehungen, aber auch Jahreszahlen markiert. Und es lohnt sich! So einen Roman wird selten geschrieben und wenn, darf man ihn nicht vorbeiziehen lassen.