Eines Tages wird es leer sein, aber noch ist mein Herz voller Begeisterung für dieses besondere Buch. Ein zehnjähriger Junge macht mit seiner Großmutter, die den Holocaust überlebt hat und für deren Akzent er sich schämt, Sommerurlaub in deren Haus in der Normandie. Sowieso schämt sich der Protagonist viel, ist sehr unsicher, grüblerisch und nimmt sich als Außenseiter wahr. Normalerweise liegt er am Strand, liest oder beobachtet die "echten" Familien, aber eines Tages findet ihn ein Freund. Zu Baptiste fühlt er eine tiefe Verbundenheit und Liebe, trotzdem bleibt der Junge auf der Hut, zerdenkt alles, lässt sich von seinen Unsicherheiten quälen, wie die Quallen, die von den beiden Jungen am Ufer mit Störkern zerstochert werden.
Lindenberg beschreibt meisterhaft die komplexe Gefühlswelt eines Zehnjährigen in umwerfender Sprache und mit einer unglaublichen Empathie und Zärtlichkeit. Mit scharfem Blick für kleinste Details aller Art und einer bewundernswerten Gabe, die ungewöhnlichsten sprachlichen Bilder heraufzubeschwören, gelingt es dem Text eine ganz besondere Kraft zu entwickeln. Übersetzt wurde das ganze von Lena Müller, die ebenfalls bei Nautilus schon einen ganz fabelhaften Roman geschrieben hat, aber hier eben auch als Übersetzerin glänzt. Lest und seht selbst, wie der traurige Junge euch ins Herz kriecht und es ausfüllt, bis ihr eines Tages nicht mehr an ihn denkt und es wieder leer sein wird, wie das Haus am Strand, im Winter.