Beschreibung
Ein Sommer in der Normandie, in den 1980er Jahren. Der zehnjährige Erzähler verbringt die Ferien mit seiner Großmutter am Meer. Er ist noch in diesem Zustand der Kindheit, wo man alles intensiv erlebt, wo man noch nicht genau weiß, wer man ist oder wo der eigene Körper beginnt, wo eine Ameiseninvasion der Erklärung eines Kriegs gleichkommt, den man mit all seinen Kräften wird führen müssen. Eines Tages trifft er einen anderen Jungen am Strand, der ihm die Freundschaft anbietet, eine Freundschaft, die auf einem Ungleichgewicht beruht. Denn Baptiste ist ein 'richtiger Junge', hat eine 'richtige Familie' - für den Erzähler der Inbegriff eines Glücks, das er dort erstmals findet und das er in jedem Moment wieder zu verlieren fürchtet. Seine geliebte Großmutter, die den Holocaust überlebte und deren Schtetl-Akzent ihn vor den anderen Familien am Strand mit Scham erfüllt, und seine verhasste 'monströse' Tante bedeuten für ihn zugleich widerwillige Geborgenheit und die beständige Gegenwart einer Vergangenheit, deren Trauma auf seinen Schultern liegt. In so gefühlvoller wie genauer Sprache erzählt Hugo Lindenberg diesen Roman in einer Reihe von Szenen des Sommers, der Stille, des Lichts, der Begegnungen, in einer Stimmung sich dem Ende zuneigender Sommerferien und doch durchzogen von einer Unheimlichkeit und Bewegungslosigkeit, die unter die Haut gehen.
Autorenportrait
Hugo Lindenberg, geboren 1978, ist Journalist. 'Eines Tages wird es leer sein' ist sein erster Roman, er wurde mit dem Prix Livre Inter, dem Prix Françoise Sagan, dem Prix Le Temps retrouvé und dem Prix littéraire de la ville de Caen ausgezeichnet. Hugo Lindenberg lebt in Paris. Lena Müller, geboren 1982 in Berlin, studierte Literarisches Schreiben und Kulturjournalismus in Hildesheim und Erwachsenenbildung in Paris. Sie war Mitherausgeberin der französischsprachigen feministischen Zeitschrift timult und arbeitet als freie Übersetzerin und Autorin. Lena Müller wurde für ihre Übersetzungen von Shumona Sinha und Fiston Mwanza Mujila 2016 und 2017 mit dem Internationalen Literaturpreis ausgezeichnet. 2021 erschien ihr Debütroman 'Restlöcher'.
Leseprobe
Also tauchte ich ein letztes Mal in die smaragdgrünen Augen meines Freundes, bevor sie aufhören würden, bewundernd zu leuchten. Bereit, den Status des normalen kleinen Jungens aufzugeben, den ich mir so gut wie möglich angeeignet hatte. Wild rudernd, um sich an der Oberfläche zu halten, sagte er: 'Ich habe noch einen Freund, der ist Jüde.' Ein paar Wellen später fügte er hinzu: 'Ihr habts gut, ich bin gar nichts.' Zwei Schwimmzüge entfernt paddelte auf dem Wasser drei Meter über dem Meeresgrund ein Junge, für den ich Quallen getötet hatte und dem ich seit einer Woche alles nachmachte, sogar meine Stimme verstellte ich, um so glockenklar zu klingen wie er. Dass er denken konnte, nichts zu sein, war die tröstlichste und komischste Sache, die ich in meinem ganzen Leben gehört hatte. Also lachte ich, und Baptiste lachte mit. Zwei kleine kichernde Köpfe an der Wasseroberfläche. Das zahnlose Gesicht meines Freundes verschwand hinter einem Wellenberg, um einen Augenblick später genau so naiv und ehrlich und laut prustend wieder aufzutauchen. Und ich liebte ihn so sehr, dass ich ihn hätte ertränken wollen.
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