Beschreibung
Einmal im Jahr, am Todestag seiner Mutter, trifft ein junger Student seine Tante zu einem Spaziergang in den Tuilerien. Unter Platanen, die ihre ersten Blätter verlieren, eröffnet sie ihm nach Jahren plötzlich die genauen Umstände dieses Todes: Es war Selbstmord. Eines Nachts im Oktober schluckte die Mutter Medikamente, bevor sie sich auf die Gleise der Gare de Lyon legte. Ihr Sohn war sechs Jahre alt. Was tun mit einer solchen Wahrheit? Der junge Mann versucht, sie zu verstehen. Über ein zufällig entdecktes Foto trifft er alte Freundinnen seiner Mutter und findet so Zugang zu einem Teil ihrer Geschichte, der ihm bisher verborgen geblieben ist. Er wird keine abschließende Antwort finden, aber eine Vielzahl von lebendigen Fiktionen. Seine Mutter hatte sich in der Nacht das Leben genommen. Daher beschließt er, wachzubleiben, seine nächtlichen Streifzüge durch Paris auszudehnen, als könnte er das tragische Ereignis so überdecken und sich ihm zugleich auf neue Weise annähern. Und er versucht, sich abzulenken, der Wahrheit zu entkommen, indem er eine Grenze überschreitet: die Schwelle zum Schwulenclub 'Le Hangar'. Die Nacht wird zu einem Ausnahmezustand, zu einem neu zu erforschenden Terrain. Sie ist auch ein letzter Moment des Durchatmens vor der Rückkehr in ein strukturiertes Erwachsenenleben. 'Die imaginäre Nacht' ist ein schwindelerregender Entwicklungsroman, düster, explizit und fieberhaft: Eine Geschichte über die Wiedergeburt eines jungen Mannes, der seit dem Tod seiner Mutter gewissermaßen das Atmen eingestellt hat und nun endlich wieder auftaucht.
Autorenportrait
Hugo Lindenberg, geboren 1978, ist Journalist und Autor. Sein Debütroman 'Eines Tages wird es leer sein' (Edition Nautilus 2023) wurde mit dem Prix Livre Inter, dem Prix Françoise Sagan, dem Prix Le Temps retrouvé und dem Prix littéraire de la ville de Caen ausgezeichnet und stand auf der Shortlist des Prix Premiere für die beste deutsche Erstübersetzung 2023-2024. Hugo Lindenberg lebt in Paris.
Leseprobe
Die Zeit war vor fünfzehn Jahren in Aufruhr geraten, als der Sieben-Uhr-Zug über den Körper meiner Mutter fuhr. Um nichts von ihrem Tod zu wissen, führte ich mein Leben in der Vergangenheit. Das Geräusch meiner Schritte auf dem Kies der Erinnerungen überdeckte die Möglichkeit der Gegenwart. Manchmal blieb ich vor einer Statue stehen und fragte sie, ob sie einen kleinen, unbekümmerten Jungen gesehen hatte - das stimmt nicht, dieser Junge war ich nie -, und diese Statue war oft die Büste Stefan Zweigs. Er erinnerte sich nicht an dieses Kind und hatte selbst, dafür beneidete ich ihn, das Exil und den Tod dem Lärm der Welt vorgezogen. In diesem Herbst hat sich die Mechanik der Zeit wieder in Gang gesetzt.
Schlagzeile
Ein junger Mann zeichnet die Spuren des Lebens seiner Mutter vor ihrem Selbstmord nach, die ganze imaginäre Nacht hindurch bis zur Morgendämmerung>
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Hersteller:
Edition Nautilus GmbH
Katharina Picandet
info@edition-nautilus.de
Schützenstraße 49a
DE 22761 Hamburg