Eine Rezension von Rieke
Manchmal wartet ein Buch darauf, von dir gelesen zu werden. So ging es mir jedenfalls mit „Die Hüterin der verlorenen Dinge“. Da ich mindestens genauso nostalgisch aber auch rational veranlagt bin wie die Hauptfigur Ivy, konnte ich mich sehr gut mit ihr identifizieren. Die dreiundzwanzig Jahre junge Frau hat es sich zum Lebensinhalt und Beruf gemacht, vergessene und verlorene Gegenstände zu finden. Dabei hat sie einen Faible für das Seltsame und Besondere. Liebevoll archiviert sie diese dann in ihrem Schuhkarton- großen Apartment und denkt sich für jedes Ding eine Geschichte aus. Als Leser begleitet man sie bei ihren einsamen Streifzügen kreuz und quer durch New York. Schnell wird bewusst, wie zerbrechlich die Seele der Protagonistin ist – obwohl sie sich alle Mühe gibt, jeden von sich fernzuhalten. Einzig Moe der Straßenkehrer, ist ein Freund für sie und kennt die große Tragödie ihres Lebens. Als Ivy zehn Jahre alt ist, verschwindet ihre Mutter Lila ohne jede Spur. Seitdem hat sich Ivy eine Schattenexistenz aufgebaut, voller Schuldgefühle und unter dem Ruhm ihrer Eltern leidend. Als ihr Vater, berühmter Schriftsteller, Lila nach dreizehn Jahren nun endlich für tot erklären will, gerät ihre so sorgsam gehegte Fassade ins Schwanken. Ivy kann und will das nicht akzeptieren und macht sich auf eine Reise in die Vergangenheit Lilas.
Leitfaden in diesem Roman bilden die einzigartigen Wörter aus anderen Sprachen, die sich nicht übersetzen lassen, aber bestimmte Gefühle oder Begebenheiten umschreiben – die ein oder andere Erkenntnis lässt sich daraus ziehen. Das Buch lädt dazu ein, in zwischenmenschlichen Beziehungen und dem Leben ein Risiko einzugehen. „Ja, die Welt ist zum Fürchten, mit ihren menschlichen Landschaften aus Wüsten und Dschungeln und Ozeanen, wild und unauslotbar. Zum Davonlaufen ist sie manchmal, in ihrer Zufälligkeit, die einen tieferen Sinn haben mag oder auch nicht. Doch der Frieden, mit dem das Nichts säuselnd lockt, ist eine Lüge, dahinter ist es leer und kalt.“