Das Haus ist ein riesiges Labyrinth aus endlos aneinandergereihten Hallen. Einige stehen komplett unter Wasser, über andere brechen zuweilen gewaltige Gezeitenwellen herein und wieder andere liegen so hoch, dass Wolken, vom kalten Wind getragen, durch sie ziehen. Alle Hallen sind mit tausenden Marmorstatuen gefüllt, von denen keine der anderen gleicht. Es gibt keinen Ein- oder Ausgang. Die Welt ist das Haus.
Neben den Fischen, Muscheln und Algen, die im Meereswasser der überfluteten Hallen zu finden sind, und den Küstenvögeln jeglicher Art, die auf den verschiedensten Statuen nisten, lebt unser Erzähler in dem Haus. Er nennt sich ,,das geliebte Kind des Hauses”, dessen unermessliche Güte und Schönheit er jeden Tag aufs Neue zu schätzen lernt – wenn er Algen als Brennmaterial und Muscheln als Nahrung sammelt, wenn er nach Fischen angelt oder trinkbares Regenwasser in kleinen Schüsseln auffängt. Sein Leben hat er ganz und gar der Erforschung und Katalogisierung der Hallen des Hauses gewidmet.
Die einzig weitere Person, mit der er sich unterhalten kann, ist der Andere, von dem er Piranesi genannt wird. Die beiden treffen sich zweimal in der Woche für genau eine Stunde. Dabei versucht Piranesi dem Anderen zu helfen das ,,große und geheime Wissen” zu finden. Im Verlauf der Geschichte findet sich Piranesi jedoch in einem komplexen Netz von Fragen wieder. Was ist seine Beziehung zum Haus, was sind die Absichten des Anderen und wo liegen die Ursprünge seiner Welt?
Nach ihrem Debütroman ,,Jonathan Strange und Mr. Norrell” hätte ich keine höheren Erwartungen an Susanna Clarkes ,,Piranesi” stellen können und doch hat sie sie alle übertroffen. Ihre Charaktere und deren Dialoge fühlen sich so real und natürlich an, dass man sie vielmehr sieht und hört, als nur von ihnen liest. Mit ihrer meisterhaften Prosa erschafft sie eine so intensiv außerweltliche und fesselnde Atmosphäre, dass man sich zuweilen wie in einem Fiebertraum vorkommt. Nicht selten bildet man sich beim Lesen ein, das Rauschen von Wellen in endlosen Hallen hören und das Salz in der Luft riechen zu können.
Eine Besprechung von Jesper aus der LoveStory of Berlin.