Unter dem Blognamen Identitti schreibt Nivedita über ihre indische Herkunft, über Feminismus, Antirassismus, Hautfarbe und vor allem den groß unterstrichenen Themen: Identitätspolitik und Selbstermächtigung. Ihr absolutes Idol: die Professorin für Postcolonial Studies, namens Saraswati. Wie Beyoncé hat diese zwar bestimmt auch einen Nachnamen, aber brauchen tut sie ihn nicht. Sie ist auch so das Vorbild all jener, die von der Gesellschaft ausgestoßen werden und die sich selbst nicht mehr dazugehörig fühlen.
Saraswatis Nachname zeigt jedoch eine ganz andere Herkunft an, als erwartet. Thielmann. Saraswati, oder vielmehr Sarah, hatte sich in den 90ern nach einem langen Aufenthalt in Indien für eine Therapie entschieden, welche durch Hormonbehandlungen und Operationen ihr Aussehen so verändert hatte, dass sie nicht länger als weiß erkannt werden konnte und als Inderin durchging. Auf diesen Annahmen beruhend führte sie Seminare, Vorlesungen, schrieb Bücher und verbündete sich mit all jenen, deren Leid sie zu verstehen schien.
Ein großer Shitstorm bricht los, als Sarawatis Geheimnis schließlich offenbart wird, und das interessante hieran ist, dass die Autorin bekannte Personen des öffentlichen Lebens in ihrem Buch auftauchen lässt. So nehmen Hengameh Yaghoobifarah und Fatma Aydemir im Diskurs von Identitätspolitik anhand von Twitternachrichten teil. Die eigentliche Diskussion zwischen Studentin und Lehrerin wird jedoch im Stillen, abgeschottet von draußen, geführt und will nicht nur kritisieren, sonder vor allem verstehen.
"Identitti" verlangt den Leser*innen auf jeden Fall vieles ab. Die angesprochenen Themen sind unglaublich komplex, wodurch das Textverständnis an vielen Stellen mehr Mitdenken und Verständnis erwartet, als ich gedacht hätte. Damit hat es oft auch den Charakter eines Sachbuches. Aber ob nun Sachbuch oder Roman, revolutionär ist dieser Text in jedem Genre.
Eine Besprechung von Katha.