Kurz zum Plot: Die Erzählerin redet über sich als junge Frau in (vermutlich) Belfast, in Zeiten des Nordirland-Konflikts. Die Stadt ist gelähmt vom Terror. Die Erzählerin versucht so gut es geht ihr Leben zu leben, nicht aufzufallen. Doch eines Tages wird "Milchmann" auf sie aufmerksam, er stellt ihr nach. Milchmann ist ein älterer Mann und alle wissen: Er gehört zu denen, die Autobomben legen. Mit einem Mal schauen alle auf sie, die Erzählerin. Und alle scheinen genau zu wissen, was los ist. Nun muss sie sich behaupten: zum einen gegenüber einem älteren und mit Sicherheit gewalttätigen Mann und einer Umgebung, die sie verurteilt.
"Milchmann" ist vieles, mit Sicherheit auch ein Entwicklungsroman. Eine junge Frau lernt die Auswirkungen von Terror kennen: im Großen, aber auch im Kleinen, denn der Terror schränkt das Leben der Frau immer weiter ein, ihre Welt wird stetig kleiner. Wie kann sie sich dagegen behaupten? Sie kämpft in einer übermächtig erscheinenden Welt um Handlungsmöglichkeiten und somit letzten Endes auch um ihre Freiheit.
"Milchmann" ist auch ein feministisches Buch, in dem es viele positiv besetzte männliche Nebenfiguren gibt: komplexe Figuren, glaubhaft und integer. Gerade die Komplexität dieser (und auch der anderen) Figuren macht einen besonderen Reiz dieses Buches aus. Und dann gibt es noch die Sprache. Dieses Atemlose, diese Dialoge, bei denen so viel im Subtext passiert. Auch wenn die junge Frau in der Geschichte oft keine Worte findet, sprachlos ist; die ältere Erzählerin ist es nicht und sie formuliert scharf und präzise. Was für eine starke Hauptfigur, was für eine komplexe Geschichte, was für ein besonderer Erzählton! Ich bin großer Fan dieses Buchs. Die Geschichte hat mich sofort gepackt, ich las fast atemlos, Anna Burns hat mich tief in diese Geschichte reingezogen.
Eine Rezension von Sonja