Ipek ist Journalistin, sie lebt in Berlin und ihr Freund ist aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Als ihre Mutter mit Freundinnen eine Woche im Schwarzwald verbringt, beschließt Ipek, ihren Vater im schwäbischen Heimatort zu besuchen. Zum ersten Mal seit langem ist sie ein paar Tage mit ihm alleine und fühlt sich unsicher, denn das einst innige Verhältnis der beiden hat sich mit der Zeit verändert. Früher war ihre Beziehung unbeschwert, es wurde herumgealbert, gespielt, getobt. ">>Du hast heute Nacht ein Ei gelegt!<< Was haben wir gelacht und gekreischt und den Scherz jedes Wochenende wiederholt. Jedem Gast, der über Nacht blieb, schmuggelten wir in aller Früh ein Ei unter die Decke. Und fanden es beim Wecken." Doch inzwischen ist die Beziehung von Sprachlosigkeit geprägt . Ipek, deren Beruf es ist, Menschen Fragen zu stellen, schafft es nicht, mit ihrem Vater ins Gespräch zu kommen. "Wir schleppen uns von einem Satz zum nächsten, ziehen uns die Worte mühsam aus dem Mund, auf eine kurze Frage folgt eine noch kürzere Antwort. Dann eine quälende Weile nichts. Wir wechseln Worte, gerade so viele, dass der Schein gewahrt bleibt, die Peinlichkeit verdeckt wird, dass wir, Vater und Tochter, nicht wissen, wie miteinander sprechen." Und dennoch spürt man auf jeder Seite des Buchs die familiäre Verbundenheit, die Liebe zwischen Vater und Tochter, die gemeinsame Vergangenheit. Dilek Güngör gelingt es auf knappen 100 Seiten einen kurzen Ausschnitt, eine Momentaufnahme dieser Vater-Tochter-Beziehung mit einer ganzen Familiengeschichte zu verbinden: der schwierigen Kindheit des Vaters in einem türkischen Dorf, die Auswanderung nach Deutschland, die unterschiedlichen Erfahrungen, die beide Generationen dort machen. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und kann es Leser:innen, die eine klare, ruhige Sprache mögen und sich für schwierige Familiendynamiken interessieren wärmstens empfehlen!
Jetzt vorhanden in diesen Filialen: