Eine Freundin sagte zu mir: „Endlich lese ich mal wieder ein Buch, wegen dem ich mich tagsüber darauf freue, früh ins Bett zu gehen, um noch möglichst lange lesen zu können.“
Sie hat Recht behalten: Auch ich wollte LIEBE IST GEWALTIG von Claudia Schumacher nicht weglegen, wollte wissen, wie es weitergeht, den Figuren weiter ergeht. 2007 in einem Vorort von Stuttgart: Juli ist 17, ihre Familie nach außen hin eine Vorzeigfamilie, jedes der drei Kinder ist das Beste, in allem. Doch im Privaten dominiert die enorme physische und psychische Gewalt des Vaters gegenüber seiner Frau und den drei gemeinsamen Kindern ihrer aller Alltag. Die Tyrannei wird geleugnet, der Schein bewahrt – von Vater und Mutter, die selbst Opfer und gleichzeitig Komplizin seiner Ausbrüche ist.
2014 wohnt Juli in Berlin: Sie studiert Mathe und ist Profigamerin. Ihrer Freundin Sanyu erzählt sie nicht von den Gründen für ihre regelmäßigen Zusammenbrüche. Auf diesen intuitiv schnell nachvollziehbaren Befreiungsschlag folgt ein unerwarteter Bruch. Zwei Jahre später heißt Juli Julia. Das passt besser in das designte Leben ihres erfolgreichen Freundes, dem alles daran liegt, sich immer weiter hochzuarbeiten. Ihre Vergangenheit hat in der cleanen, großen, hübschen, cleanen Wohnung mit Blick auf den Zürichsee keinen Platz. Anhand der drei Zeitebenen, einer modernen, aber nicht zu gewollt jugendlichen Sprache und vor allem an der Seite von grandios ambig gezeichneten Figuren wird diese Entwicklung Julis nachvollziehbar. Und, dass sie die Spuren der Gewalt für immer begleiten werden. Außerdem immer an Julis Seite: Ihr Bruder Bruno. Nicht immer einfach, aber sehr zart und sehr groß ist ihre Liebe füreinander. Und so ist Claudia Schumachers Debüt sowohl ein Roman über die Gewalt eines Vaters gegenüber seiner Familie, beschrieben aus der Sicht der Tochter, als auch ein Roman über Geschwisterliebe. Ich freue mich auf das nächste Buch von Claudia Schumacher – hoffentlich hat es wieder so ein schönes Cover.