Jhumpa Lahiris kürzlich auf Deutsch erschienener Roman "Wo ich mich finde" ist ein Buch über die kleinen Entdeckungen des Alltags, die Unaufgeregtheit eines Daseins und die Suche nach Orientierung. Die Unterscheidung zwischen aufgeweckter Beobachtungsgabe und der Oberflächlichkeit nur kurzer, flüchtiger Begegnungen ist dem Text immanent. Sie durchzieht die Handlung ebenso wie die Erzählstrategie, in der die eher leise Prosa fast mit Reizlosigkeit verwechselt werden könnte, würde man es wagen, sich dem Text nur oberflächlich zu nähern.
Die Protagonistin, über dir wir nicht viel erfahren, scheint eine um die vierzigjährige Literatur-Dozentin in einer nicht näher bestimmten Kleinstadt in Italien zu sein. Sie lebt allein, aber nicht einsam, im Konjunktiv all dessen, was sie anders hätte machen können, an all den Orten, die sie schon immer ihren Lebensmittelpunkt nennt (auch dann, wenn sich im Hochsommer alle anderen verabschieden und nur wenige zurückbleiben), auf der Suche nach sich selbst, orientierungslos, beobachtend, im Grunde glücklich. Im Wechsel der Jahreszeiten stehen ihr Alltag, ihre Betrachtungen und ihre Begegnungen im Mittelpunkt. Die Kapitel sind nur kurz, kaum zusammenhängend, überschrieben mit den Orten, an denen wir uns befinden: "In der Buchhandlung" oder "In der Nähe".
"Dove mi trovo", der doppeldeutige Titel im Original, “wo ich mich (be)finde”, erfasst den Inhalt im Gesamten: die Suche nach sich selbst und die Orte, an denen gesucht wird. Dort streifen wir ein Leben, dessen Besitzerin uns einlädt, Kleinigkeiten zu bemerken, Freude im Alltäglichen zu finden, flüchtigen Begegnungen mehr abzuverlangen als das bloße Hintersichlassen.
Am Ende zieht die Protagonistin weiter, trifft eine überraschende Entscheidung, über die wir ebenfalls nicht viel erfahren – denn dafür begegnen wir ihr nur zu flüchtig.
Eine Besprechung von Laura