WestEnd 2/2018: Sozialisation und familiale Triade

Neue Zeitschrift für Sozialforschung, WestEnd 28

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593509310
Sprache: Deutsch
Umfang: 196 S.
Format (T/L/B): 1.2 x 24 x 17 cm
Auflage: 1. Auflage 2018
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

In Anlehnung an die berühmte 'Zeitschrift für Sozialforschung' (1932 - 1941) verfolgt auch ihre seit 2004 halbjährlich erscheinende Nachfolgerin 'WestEnd' den Anspruch einer kritischen Gesellschaftsanalyse. Zur Veröffentlichung kommen Aufsätze und Essays aus Soziologie, Philosophie, politischer Theorie, Ästhetik, Geschichte, Entwicklungspsychologie, Rechtswissenschaft und politischer Ökonomie. Neben den Rubriken 'Studien' und 'Eingriffe' behandelt jedes Heft ein Schwerpunktthema. In der Psychoanalyse, Entwicklungspsychologie und Familiensoziologie sind die grundlegenden sozialisationstheoretischen Konzepte bis heute am Modell der familialen Triade orientiert. Dieser Konstellation - bestehend aus Mutter, Vater und Kind - sowie den mit ihr verbundenen ödipalen Konflikten werden von Freud bis Parsons und Oevermann fundamentale sozialisatorische Bedeutungen zugewiesen. Die Beiträge von Vera King, Kai-Olaf Maiwald, Sarah Speck, Ferdinand Sutterlüty und Sarah Mühlbacher diskutieren kontrovers, ob die triadisch denkende Sozialisationstheorie immer noch adäquat ist. Ist es möglich, die Struktureigenschaften der familialen Triade so allgemein zu konzipieren, dass sie sich auf die pluralen Beziehungskonstellationen der Gegenwart anwenden lassen? Oder hängen dem Konzept gleichsam als Erblast überkommene Normalitätsvorstellungen an, für deren Effekte man nur noch eine sozialisatorische Schadensbilanz aufstellen kann? Inhalt: Studien Axel Honneth: Wirtschaft oder Gesellschaft? Größe und Grenzen der Marxschen Theorie des Kapitalismus Juliane Rebentisch: Erscheinen. Politische Öffentlichkeit nach Hannah Arendt Andreas Folkers: Machttechnologie oder Kritik? Zur Genealogie und Gegenwart der Resilienz Stichwort: Sozialisation und familiale Triade, hg. von Kai-Olaf Maiwald, Sarah Mühlbacher, Sarah Speck und Ferdinand Sutterlüty KaiOlaf Maiwald: Familiale Interaktion, Objektbesetzung und Sozialstruktur. Zur Bedeutung der ödipalen Triade in der strukturalen Familiensoziologie Vera King: Die äußere und innere Bedeutung der Triade. Eine Rekonzeptualisierung angesichts pluralisierter Lebensformen Sarah Speck: Zweifelhafte Selbstverständlichkeiten. Zur Kritik normativer Vorannahmen triadischer Modelle Ferdinand Sutterlüty und Sarah Mühlbacher: Wider den Triadismus Eingriffe Ulrich Bröckling: Gewaltdrohung und Schutzversprechen. Zur Theorie des Rackets Colm Tóibín: Das Herz des Joseph Conrad Yasemin Niephaus: Eine Feldtheorie sozialer Ungleichheiten und die Ungleichheitsforschung als Mittel der Gesellschaftsanalyse Archiv Dirk Braunstein: Anmerkungen zu Theodor W. Adornos Ansprache vor dem Vorstand der Stiftung "Institut für Sozialforschung", 18. Juli 1958 Theodor W. Adorno: Ansprache vor dem Vorstand der Stiftung "Institut für Sozialforschung", 18. Juli 1958 Mitteilungen aus dem IfS Bericht: Interdisziplinärer Workshop 'Machtverhältnisse in der Forschungspraxis als ethische Herausforderung und Gegenstand der Reflexion' am 28./29. Mai 2018 Rolf Tiedemann zum Abschied

Autorenportrait

Herausgegeben vom Institut für Sozialforschung, Frankfurt am Main.

Leseprobe

Axel Honneth Wirtschaft oder Gesellschaft? Größe und Grenzen der Marxschen Theorie des Kapitalismus Über die Größe und Grenzen der Marxschen Gesellschaftstheorie im Rahmen eines Aufsatzes richten zu wollen, wie es der Untertitel meines Beitrags in Aussicht stellt, ist gewiss ein Ding der Unmöglichkeit. Zu vielgestaltig sind die theoretischen Wirkungen, die Marx hinterlassen, zu umfangreich die philosophischen Quellen, die er in seinem Werk verarbeitet, zu verschiedenartig schließlich die Absichten, die er mit seiner Kapitalismusanalyse verbunden hat, als dass sich all dies in einer relativ kurzen Studie behandeln ließe. Ich will mich daher im Folgenden auf einen einzigen Strang seiner Schriften konzentrieren, um daran exemplarisch zu prüfen, wie seine Theorie im Lichte unseres gegenwärtigen Wissens zu beurteilen ist. Was im Zentrum meiner Auseinandersetzung stehen soll, ist allein sein Beitrag zum Verständnis der modernen, kapitalistisch verfassten Gesellschaften; unberücksichtigt wird mithin bleiben, zumindest so gut es eben geht, was Marx über den Verlauf der Geschichte im Ganzen, über die Rolle des Menschen im historischen Prozess und über die Bedeutung vergangener Denker ausgesagt hat; nach Möglichkeit sollen hier also nur die Analysen behandelt werden, die sich in seinem Werk zur Grundstruktur und zur Dynamik der kapitalistischen Welt finden. Das allerdings ist bereits keine leichte Aufgabe, weil dabei vieles von der Beantwortung der Frage abhängt, ob Marx die Prämissen seines philosophischen Frühwerks preisgegeben hat, als er sich an den Entwurf seiner reifen Kapitalismusanalyse machte, oder ob er sich darin von seinen anfänglichen Grundannahmen weiterhin hat leiten lassen. Ich werde meine Überlegungen mit einer Behandlung dieser Frage beginnen, die seit der in den 1960er Jahren vorgelegten Marx-Interpretation von Louis Althusser (2011) virulent ist; erst nachdem ich geklärt habe, ob Marx' Kapitalismusanalyse von den anthropologischen Intuitionen seiner frühen Jahre noch zehrt oder nicht, werde ich mich dann in weiteren Schritten der Frage nach der Größe und den Grenzen seiner entwickelten Gesellschaftstheorie zuwenden. I. Es wäre sicherlich falsch, behaupten zu wollen, schon der junge, politisch hochengagierte, philosophisch aber noch sehr unsichere Marx verfüge über so etwas wie eine systematische Gesellschaftstheorie. Er lässt sich von verschiedensten Denkern seiner Zeit anregen, um dem eigenen Gefühl auf den Grund zu gehen, dass etwas an den sich allmählich herausbildenden Verhältnissen der bürgerlich-kapitalistischen Welt nicht stimmt; es sind nicht nur einzelne politische, soziale oder wirtschaftliche Gegebenheiten, die Marx an dieser Sozialordnung irritieren, sondern es ist, wie sich vielleicht sagen ließe, die ganze Art des menschlichen Zusammenlebens in der bürgerlichen Gesellschaft, die seinen kritischen Argwohn hervorruft. Bei dem Versuch, die Ursachen für diese "elenden" Gesellschaftszustände zu erkunden, ist der junge Marx bis zu seinem Brüsseler Exil (1845) beständig auf der Suche nach überzeugenden Lösungen. In Berlin, wo er sich unglücklich mit dem Studium der Rechtswissenschaft abmühte, war er in die Einflusssphäre der Junghegelianer geraten, die sich ihrerseits an der kritischen Philosophie von Ludwig Feuerbach orientierten; mit diesem Kreis teilt Marx eine Zeit lang die Vorstellung, die Wurzel jedweden gesellschaftlichen Übels der Gegenwart stelle die Religion dar, weil sich durch sie der Mensch von sich selbst entfremdet habe: Alles, was ihn aufgrund seiner natürlichen Vermögen und Fähigkeiten besonders auszeichne, so lautet die Argumentation, habe der Mensch in den religiösen Weltbildern auf ein allmächtiges, transzendentes Wesen projiziert, so dass er sich dieser positiven Eigenschaften in seinem irdischen Leben selbst nicht mehr erfreuen könne und stattdessen ein ärmliches Dasein friste (vgl. Feuerbach 1971). Lange hält diese Phase einer selbständigen Religionskritik bei Marx aber nicht an,