WestEnd 2016/2: Die Gegenwart der Homophobie

Neue Zeitschrift für Sozialforschung, WestEnd 25

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593506555
Sprache: Deutsch
Umfang: 164 S., 5 Fotos
Format (T/L/B): 1.2 x 24.1 x 17.2 cm
Auflage: 1. Auflage 2016
Einband: Paperback

Beschreibung

In Anlehnung an die berühmte 'Zeitschrift für Sozialforschung' (1932 - 1941) verfolgt auch ihre seit 2004 halbjährlich erscheinende Nachfolgerin 'WestEnd' den Anspruch einer kritischen Gesellschaftsanalyse. Zur Veröffentlichung kommen Aufsätze und Essays aus Soziologie, Philosophie, politischer Theorie, Ästhetik, Geschichte, Entwicklungspsychologie, Rechtswissenschaft und politischer Ökonomie. Neben den Rubriken 'Studien' und 'Eingriffe' behandelt jedes Heft ein Schwerpunktthema. Der alltägliche und rechtliche Umgang mit Lebensformen, Beziehungsmustern und Sexualitäten, die von der heterosexuellen Norm abweichen, ist zum Gegenstand vielfältiger Mobilisierungen und Kulturkämpfe wie auch von internationalen statistischen Erhebungen zur menschenrechtlichen Situation von Minderheiten geworden. Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung werden zu Ankern von kollektiven Identitätsprojekten und neuen Artikulationen des Freiheitsbegriffs. Inhalt: Studien Christoph Menke: Breaking Bad: Versuch über die Befreiung Thomas Khurana: Breaking Bad: Versuch über die Veränderung Axel Honneth: Hegel und Marx. Eine Neubewertung nach 100 Jahren Stichwort: Die Gegenwart der Homophobie, hg. von Volker M. Heins Klaus Theweleit: 'Homophobie' - keine Ahnung, was das ist Bernd Simon: Ablehnung von Homosexualität: Vorurteil, Respekt, Politisierung Nina Dethloff: Diskriminierung Homosexueller im Familienrecht - Entwicklung und Perspektiven Peter Rehberg: 'God hates Fa(n)gs!' Homophobie, religiöse Rechte und die Zukunft der Sexualität Eingriffe Michael Walzer: Staaten und Gemeinschaften Daniel Loick: Zur Politik von Lebensformen

Leseprobe

Christoph Menke Breaking Bad: Versuch über die Befreiung Die Befreiung ist der Ausgang aus der Knechtschaft. Daher trifft die Befreiung auf Widerstand. Jede Befreiung ist erkämpft, jeder Akt der Befreiung ist schwer zu vollziehen. Der befreiende Bruch mit der Knechtschaft ist aber dann leicht zu verstehen, wenn die Macht, gegen die er sich richtet, eine äußere Macht ist, die Macht eines anderen, die einen beherrscht und knechtet.1 Denn Befreiung heißt hier: der Tatsache der Freiheit Anerkennung zu verschaffen. Wenn die Geknechteten sich von ihrem Herrn befreien, sind sie in Wahrheit schon frei. Der Prozess der Befreiung von äußerer Beherrschung geht von der Existenz der Freiheit der Beherrschten aus; in dieser Gegebenheit der Freiheit hat die Befreiung ihren sicheren Grund. Was aber, wenn sich nach der Befreiung vom Herrn erweist, dass die Knechtschaft kein nur äußerlich auferlegter Zustand war? Dass Knechtschaft nicht bloß heißt, einem Herrn durch Zwang unterworfen zu sein, sondern ein Knecht zu sein? Wenn sich zeigt, dass, entgegen dem Anschein, die Knechtschaft nicht bloß ein (äußeres) Verhältnis, sondern ein Zustand ist, der für sich besteht: dass es Knechte auch ohne Herren gibt? Dass also die Unmündigkeit des Knechts selbstverschuldet ist; dass sie durch den Knecht selbst hergestellt und aufrechterhalten wird? Dann kann die Befreiung nicht darin bestehen, die schon existierende Freiheit nur noch zur Geltung zu bringen. Die Befreiung muss die Freiheit vielmehr hervorbringen. Und zwar muss sie dies im Kampf gegen eine Knechtschaft, die, als selbstverschuldete und daher selbstgemachte, ja, als selbst aufrechterhaltene, die freiwillige Knechtschaft ist: eine Knechtschaft also aus Freiheit. Die Befreiung soll aus der Knechtschaft herausführen, aber es zeigt sich: Die Knechtschaft gründet selbst schon in der Freiheit. Befreiung aus einer Knechtschaft, die eine Knechtschaft durch Befreiung ist: Das ist das Paradox der Befreiung. Dieses Paradox ist zweifach lesbar. In der ersten Lesart besagt es, dass die Befreiung die Wiederkehr der Knechtschaft ist: Die Befreiung bringt die Knechtschaft, die sie bekämpft, selbst wieder hervor. Die Knechtschaft ist nicht das äußere Andere der Befreiung, sondern das Scheitern der Befreiung (oder die Befreiung im Modus des Scheiterns): ihr Scheitern, das die Befreiung selbst verschuldet hat. In der zweiten Lesart besagt das Paradox der Befreiung, dass ihr Gelingen eben deshalb nur die Wiederkehr der Befreiung sein kann. Die Befreiung setzt nach ihrem Scheitern ein und ist eben damit eine Rückkehr - eine Wiederholung der Befreiung vor ihrem Scheitern. Wenn die Knechtschaft nicht durch äußere Herrschaft hervorgebracht und aufrechterhalten wird, wenn die Knechtschaft also selbstverschuldet ist, dann richtet sich auch die Befreiung gegen sich selbst. Nach der ersten Lesart heißt dies: Sie richtet sich gegen sich selbst, weil die Befreiung eine neue, nunmehr freiwillige Knechtschaft hervorbringt. Nach der zweiten Lesart heißt es: Sie richtet sich gegen sich selbst, weil die Befreiung sich gegen ihr Scheitern neu hervorbringt, sich von sich selbst befreit. Noch einmal Knechtschaft und die Befreiung noch einmal: Diese doppelte Wiederkehr, der Knechtschaft (aus der Befreiung) und der Befreiung (aus der Knechtschaft), bestimmt unsere gegenwärtige Lage. Es ist die Lage einer Zeit zwischen Befreiung und Knechtschaft, zwischen Knechtschaft und Befreiung. Genau von dieser Zeit handelt die Fernsehserie Breaking Bad.2 Breaking Bad erzählt von den zwei letzten Lebensjahren von Walter White: von den Tagen unmittelbar vor seiner terminalen Krebsdiagnose bis zu seinem Tod, der daher von Anfang an gewiss ist und doch auf ganz andere Weise eintreten wird. Dazwischen aber kämpft Walter nicht gegen den Krebs, um sein Leben, sondern er unternimmt den Versuch, ein Leben zu führen, das allein seiner eigenen, freien Entscheidung entspringt. Darin ist Breaking Bad die Geschichte eines Befreiungsversuchs.

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