Beschreibung
Texas, 1879: Nach einem Zugunglück sind drei Waisenkinder plötzlich auf sich allein gestellt: Evangeline, die mit zwei unterschiedlichen Augenfarben geboren wurde und durch das Unglück ihren leiblichen Bruder verliert; Seth, der unter Asthma leidet; und der Herumtreiber Zach, der im Waisenhaus als unvermittelbar gilt. Um zu überleben und einander zu unterstützen, schließen sich die Kinder zusammen und gründen eine neue kleine Familie. 15 Jahre später zieht Logan Fowler auf das Nachbargrundstück des außergewöhnlichen Trios. Er hat eine Mission: Rache an dem Mann, der seinem Vater einst beim Pokerspiel Haus und Grund abnahm. Doch dieser Mann ist niemand anderes als Zach Hamilton. Und dessen Ziehschwester Evangeline droht Logan mit ihrer fröhlichen Art einen gehörigen Strich durch die Rechnung zu machen
Autorenportrait
Karen Witemeyer liebt historische Romane mit Happy-End-Garantie und einer überzeugenden christlichen Botschaft. Nach dem Studium der Psychologie begann sie selbst mit dem Schreiben. Zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt sie in Texas.
Leseprobe
Kapitel 1 Juli 1894 Pecan Gap, Texas Logan Fowler stieg vor dem Lucky Lady Saloon von seinem Pferd und die gespannte Erwartung summte in seinen Adern. Sieben Jahre. So lange hatte er damit gewartet, sich Gerechtigkeit zu verschaffen. Sieben Jahre der Entbehrungen und Vorbereitungen. Und der heutige Tag läutete den Anfang des Endes ein - für Zach Hamilton. 'Ich mache es wieder gut, Ma', schwor Logan innerlich. Er klopfte seinem Pferd noch einmal auf den Hals, bevor er dessen Zügel um die Stange band. 'Für Pa.' Logan zog sich den Hut tiefer ins Gesicht. Die lange weiße Narbe, die sich quer über das linke Auge bis über die Stirn zum Haaransatz hinzog, erregte Aufmerksamkeit und er wollte so unauffällig wie möglich sein, wenn er Informationen einholte. Nicht dass die Narbe nicht auch ihre Vorteile gehabt hätte, vor allem in Saloons. Gefährlich auszusehen, brachte einem Mann Vorteile. Es verschaffte ihm Respekt. Mit gerade einmal dreiundzwanzig Jahren hatte Logan hart daran gearbeitet, ein gefühlloses Äußeres zu erschaffen, das zu dem kalten Herzen passte, welches er sich in den letzten sieben Jahren angeeignet hatte. Er trug einen Bart, um seine Jugend zu verstecken, und eine Waffe, um sich die Leute vom Hals zu halten. Logan blickte nach Westen, wo die Sonne noch hoch am Himmel stand. Zu früh, als dass sich schon das übliche Publikum im Saloon gesammelt hätte, doch er hatte seine Ankunft hier genau so geplant. Ein eingefleischter Spieler wie Hamilton würde sich nicht hier blicken lassen, bis der Whiskey schon eine Zeit lang geflossen war und das Geld der Zocker lockerer saß als zuvor. Weshalb jetzt genau die richtige Zeit war, um sich Informationen zu holen. Mit langsamen, großtuerischen Schritten ging Logan auf die Saloon-Tür zu und stieß sie auf. Er betrat das Etablissement und machte einen Schritt zur Seite; stand mit dem Rücken an der Wand, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Eine Frau mit knallrotem Haar und einem Korsett, das keinen Raum für Vorstellungskraft ließ, stand vorne auf der Bühne und diskutierte mit dem Pianisten über das Tempo eines Liedes. Eine Gruppe von vier Männern - Farmer, wenn man die Arbeitskleidung und die ernsten Mienen betrachtete - saß um einen Tisch und unterhielt sich darüber, wie wichtig es wäre, einen Populisten in den Kongress zu wählen. Doch Logan interessierte sich eigentlich nur für den Mann hinter der Theke. 'Durstig, Mister?', fragte der Barkeeper, als Logan sich näherte. Er trocknete gerade ein großes Glas ab, dann nutzte er das Geschirrtuch, um den Tresen vor Logan noch etwas glänzender zu polieren. 'Im Delta County ist der Alkoholverkauf eingeschränkt, aber ich habe eine Auswahl an Limonaden, Ingwerwasser, Kaffee oder Tee. Es gibt auch eine Speisekarte, falls Sie was essen wollen.' Der Mann mit der breiten Brust lächelte seinen Gast freundlich an, musterte seine Erscheinung jedoch auch mit einer gewissen Vorsicht. Als Logan jedoch seinen Hut zurückschob und den Blick auf seine Narbe freigab, erkannte er den Ekel, den der Mann erst nach einigen Sekunden verbergen konnte, sofort und Wut stieg in ihm auf. 'Kaffee ist in Ordnung.' Logan lehnte sich mit dem Ellbogen so an die Bar, dass er die Tür und den Raum im Blick behalten konnte. Die Lucky Lady war ein recht friedliches Plätzchen im Vergleich zu den Spelunken, die er in den letzten vier Jahren besucht hatte - ein nötiges Übel, wenn man Erfahrungen sammeln wollte, nicht nur Karten, sondern auch Gesichter zu lesen. Er hatte es gelernt, Bluffs zu erkennen und die Menschen einzuschätzen. Seine Zeit mit den übelsten Schurken zu verbringen, die die Menschheit hervorgebracht hatte, hatte ihn auch ein oder zwei Dinge über das Überleben gelehrt. Die Erinnerung an die zerbrochene Glasflasche, die sein Gesicht zierte, ermahnte Logan immer wieder, dass man niemanden unterschätzen durfte. Nicht einmal die rothaarige Sängerin, die sehr interessiert zu ihm herüberschaute, während sie ihre schwarzen Strümpfe hochzog. Frauen konnten ebenso heimtückisch sein wie Männer. Der Barkeeper stellte einen braunen Keramikbecher vor Logan ab, dann nahm er die Kanne. Als er das Gebräu einschüttete, beäugte er Logan mit fragendem Blick. 'Sind Sie auf der Durchreise?' 'Nein. Ich habe ein Stück Land oben am North Sulphur River gekauft. Will eine Weile hierbleiben.' Zumindest so lange, bis Zacharias Hamilton seine wohlverdiente Strafe bekommen hatte. Der breite Mann starrte ihn skeptisch an, während er eine Dose mit Zucker neben den Kaffee stellte. 'Sie sehen mir nicht gerade wie ein Farmer aus.' Sein Blick wanderte zu den vier Männern am Ecktisch und wieder zurück. Logan zuckte mit den Schultern und warf zwei Stückchen Zucker in seinen Kaffee. 'Haben Sie auch einen Löffel, Mr ?' Er zog die Pause in die Länge und wartete darauf, dass der Barkeeper ihm seinen Namen nannte. 'Dunn. Arnold Dunn.' Dieser wischte sich die Hand an der Hose ab und streckte sie dann über die Theke. Logan schüttelte sie. 'Logan Fowler.' Dunn schien der Name nichts zu sagen. Kein Wunder. Vor sieben Jahren war die Stadt kaum mehr als ein kleines Nest gewesen. Dunn hatte zu dieser Zeit wahrscheinlich noch nicht einmal hier gewohnt. Erst 1888, als die Eisenbahnlinie gebaut worden war, hatten sich hier mehr Menschen angesiedelt. Was Hamiltons Straftat noch viel schlimmer machte. Das Land von Logans Vater hätte sich in seinem Wert mindestens verdreifacht, wenn er es bei Ankunft der Eisenbahn noch besessen hätte. Doch Hamilton hatte es ihm gestohlen, bevor es so weit hätte kommen können. Damit hatte er auch das Leben seines Vaters gestohlen. Der Barkeeper ließ Logans Hand wieder los, dann nahm er einen Löffel und legte ihn neben Logans Tasse. Während Logan seinen Kaffee umrührte, blickte er sich schnell im Raum um, ob er auch wirklich keine Aufmerksamkeit erregt hatte. Dann brachte er wie nebenbei das Thema zur Sprache, das ihm am meisten unter den Nägeln brannte. 'Und haben Sie viele Spiele mit hohen Einsätzen hier?' Dunn gluckste. 'Ich hab den Laden nicht umsonst Lucky Lady genannt. Die höchsten Einsätze der Stadt. Spielen Sie?' Logan nippte an seinem Kaffee und musterte sein Gegenüber. 'Wenn es den richtigen Anreiz gibt.' 'Ah, Sie sind nur an den ganz großen Pötten interessiert, was?' Dunns Mund verzog sich zu einem Grinsen. Logan fuhr fort, schlückchenweise seinen Kaffee zu trinken, und ließ den Mann denken, was er wollte. In Wahrheit verachtete Logan die Spielerei. Hasste die Gier, die damit einherging, das unnötige Risiko, den absurden Glauben, man könne das Schicksal beeinflussen. Er hatte gelernt, Karten zu zählen, die verschiedenen Möglichkeiten im Kopf durchzurechnen, die Gesichter zu lesen, doch er verlor noch immer. Nicht so oft wie die meisten anderen Spieler, und nicht öfter, als er gewann, doch oft genug, um ihn daran zu erinnern, dass es alles nur eine Illusion war. Niemand konnte das Schicksal beeinflussen. Diese Ehre gehörte allein Gott. Er beäugte Dunn über den Rand seines Bechers hinweg. 'Haben Sie ein paar große Spieler hier?' Dunn zuckte mit den Schultern. 'Die meisten Leute hier in der Gegend haben nicht viel Cash. Die Jungs von der Mühle spielen manchmal um Geld, wenn sie ihren Lohn bekommen haben, aber die anderen Gäste machen meist nur Freundschaftsspiele, um sich die Zeit zu vertreiben. Andererseits setze ich aber auch kein Limit für die Spiele oder werfe Leute raus, wenn es ein bisschen rauer zugeht. Das machen sie drüben bei Campbells. Es sei denn, jemand fängt an, meine Einrichtung zu zertrümmern. Das ist schlecht fürs Geschäft.' 'Und spielt hier auch ein gewisser Hamilton?' Logans Magen zog sich zusammen, als er versuchte, möglichst ruhig zu klingen. Er wollte nicht, dass der Mann merkte, wie sehr er an dieser Antwort interessiert war. 'Zach Hamilton?' Dunns Augenbrauen hoben sich. Logan hob seinen Kaffee erneut an die Lippen und versuchte gelassen dreinzublicken. 'Der Mann hat einen ziemlichen Ruf als Spieler und ich habe gehört, dass e...