Beschreibung
Im aktuellen Diskurs uber Klasse und Klassismus kommt das Milieu, aus dem D Hunter stammt, nicht vor. 1979 oder 1980 wird Hunter in eine Familie von Irish Travellers geboren. In seiner Jugend in Nottingham bringt er sich, seine nur 13 Jahre ältere Mutter und seine drei Schwestern als minderjähriger Sexarbeiter, Drogenkurier und Dieb durch. Er ist Opfer und Täter extremer Gewalt, landet in Gefängnis und Psychiatrie. Mit Mitte zwanzig beginnt er dort zu lesen und seine Lebensumstände als politisch bedingt zu reflektieren. 'Auf uns gestellt' ist ein Buch uber Traumata, Klasse und Identität, uber die Gewalt des weißen Kapitalismus, uber ökonomisch und sozial marginalisierte Menschen, die als uberflussig gelten. Schonungslos und weit entfernt von jeder Fetischisierung der Armut schreibt Hunter uber seinen Großvater, der ihn vergewaltigt, seine Freundin, mit der er ein Junkie-Leben teilt, uber seinen prugelnden rassistischen Vater, seine psychisch kranke Mutter, die ihn ausbeutet, und uber Freunde, deren Solidarität er erfahren hat. Es sind Menschen, die für ihre Armut individuell verantwortlich gemacht und abgestraft werden und denen ihre Menschlichkeit fortwährend abgesprochen wird. Denen durch staatliche 'Fürsorge' und durch das Gefängnis- und Psychiatriesystem einmal mehr Gewalt angetan wird. Mit beeindruckender Klarheit und Glaubwurdigkeit fuhrt D Hunter seine Erfahrungen mit einer radikalen Theorie und Praxis zusammen - fur eine solidarische Community-Arbeit und eine abolitionistische Praxis von unten, die sich gegen Staat und Gefängnissystem richtet.
Autorenportrait
D Hunter, 1979 oder 1980 geboren, reflektiert in seinen Buchern 'Chav Solidarity' (2018) und 'Auf uns gestellt' sein Leben als Gefangener, Obdachloser, Drogenabhängiger, politischer Agitator und Organisator. Aus der Perspektive dieser Erfahrungen betrachtet er Fragen von Klassenzusammensetzung, staatlicher Gewalt, communitybasiertem Widerstand der Arbeiterklasse, Patriarchat und weißer Vorherrschaft sowie die Entwicklung klassenbewusster sozialer Bewegungen. Derzeit begleitet er Personen, die schwere zwischenmenschliche Verletzungen und Gewalt begangen haben, bei Prozessen zur Rechenschaft und Wiedergutmachung innerhalb ihrer Community. Er lebt in Manchester und promoviert zu der Frage, wie Weißsein und Männlichkeit die Solidarität der Arbeiterklasse behindern. Isabelle Suremann, geboren 1990, hat Fachübersetzen an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften studiert. Als Studentin hat sie bisher vor allem ehrenamtlich kürzere Texte für verschiedene politische Gruppierungen, insbesondere für politischen Initiativen für Menschen auf der Flucht übersetzt.
Leseprobe
Zweiundzwanzig Monate lang hatte ich Wärme und ein Dach über dem Kopf, Ruhe und Frieden. Ich dachte nie daran, dass mich jemand im Schlaf verletzen könnte. Ich lernte, andere Menschen nicht im Schlaf zu verletzten. Ich lernte aufzuwachen und mich ausgeruht zu fühlen. Ich lernte die Vorteile von mindestens einer Mahlzeit am Tag kennen. Fast zwei Jahre lang gab mir Stephen den Raum, um über die Entscheidungen nachzudenken, die ich getroffen hatte. Er war ein Arschloch, ein Wichser und ein Idiot. Er hielt sich für etwas Besseres und in vielerlei Hinsicht nutzte er eine verletzbare Person aus, aber das tat ich auch. Ich empfand ihm gegenüber selten Fürsorge oder Mitgefühl. Als ich dieses erste Mal in der Klinik kapiert hatte, was er wollte, wusste ich, wo seine Schwächen waren, und ich wusste, wie ich von ihm bekommen konnte, was ich wollte. Ich wollte Essen und ein Dach über dem Kopf und ich bekam es, weil das, was er von mir wollte, mir nichts bedeutete, und ich gab es ihm gerne. Mir war viel klarer als ihm, dass unsere Beziehung eine Transaktion zwischen zwei Parteien war. Er dachte, er könnte die Situation kontrollieren. Ich hatte schon vor langer Zeit gelernt, nicht so dumm zu sein.