Beschreibung
Der Begriff Ikigai setzt sich aus zwei japanischen Wörtern zusammen. Iki bedeutet Geburt, Leben und Alltag. Die Essenz des Lebens mit seinen Höhen und Tiefen, Freuden und Sorgen. Die Silbe gai hingegen leitet sich von dem Wort kai ab, das übersetzt Muschel bedeutet. Sie wurden zur Zeit der ersten Erwähnung von Ikigai im Japan des 15. Jahrhunderts als Zahlungsmittel verwendet wurden. In diesem Zusammenhang steht gai für Wert oder Wertigkeit. Diese Silbe wird im Japanischen an andere Wörter angehängt und bedeutet stets gut. Der japanische Begriff Ikigai wird im Westen häufig missbräuchlich verwendet und vor allem als Anleitung zur beruflichen Selbstverwirklichung dargestellt. Gleichzeitig wird begriffen, dass die Erforschung der psychischen Gesundheit und des psychischen Wohlbefindens unerlässlich ist. Depressionen sind weltweit die häufigste Ursache psychischer Erkrankungen. Interessant ist, dass schwere Depressionen und Angstzustände im Westen zehnmal häufiger und länger in Krankenhäusern behandelt werden als in Asien. Vermutlich ist hier ein kultureller Unterschied wirksam. Menschen in westlichen Ländern neigen dazu, psychische Probleme zu verschweigen und keine ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen - bis es nicht mehr geht. Da aber auch andere Ursachen vermutet werden, wächst das Interesse am Ikigai. Untersuchungen aus Japan zeigen, dass das Vorhandensein von Ikigai mit einer besseren körperlichen Gesundheit in Verbindung steht, mit einer geringeren Sterblichkeitsrate, einer geringeren funktionellen Beeinträchtigung im Alter und konkret mit einer geringeren psychischen Belastung der Pflegenden. Das Wissenschaftsteam der amerikanischen Fachpublikation "Practical Psychology" hilft vielleicht mit diesem Zitat: "Stellen Sie sich Ikigai wie einen Kompass im weiten Meer des Lebens vor. Der Kompass sagt Ihnen nicht unbedingt, wo der Schatz liegt, aber er leitet Sie und stellt sicher, dass Sie in Gewässern segeln, die mit Ihrem Herzen übereinstimmen."
Autorenportrait
Dr. med. Jan-Dirk Fauteck, Präventivmediziner und Chronobiologe, promovierte an der Universität Mailand zum Doktor der Medizin und erforscht seit zwei Jahrzehnten die Rolle der inneren Uhren im menschlichen Organismus. Imre Kusztrich, Journalist, Buchautor
Leseprobe
Die erfreulich hohe Zahl deutschsprachiger Bücher mit dem Wort Ikigai im Titel lässt vieles erwarten, nicht aber diese alarmierende Nachricht: Die Befindlichkeit der Generation Z ist besorgniserregend. Laut einer AOK-Studie sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter 30 Jahren so häufig krankgeschrieben wie nie zuvor. Dabei sind es nicht, wie in allen Altersgruppen üblich, vor allem Erkrankungen der Atemwege und des Muskel-Skelett-Systems. Was alarmierend ist, sind auf höchstem Niveau psychische Ursachen. Ich schließe daraus, dass in diesen Kreisen Ratgeberbücher über Ikigai nicht hoch im Kurs stehen. Oder der Funke der japanischen Lebenshilfe ist bei der Generation Z nicht übergesprungen. Ikigai ist eine japanische Philosophie der Sinnfindung und soll das Krankwerden überflüssig machen. Vor zwei Jahrzehnten fehlten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland wegen psychischer Probleme nur 61 Millionen Tage im Jahr. Inzwischen sind es bereits mehr als doppelt so viele und werden von Jahr zu Jahr mehr. Allein in 2023 stiegen die Fehlzeiten aufgrund von Depressionen, Angststörungen und anderen psychischen Erkrankungen um weitere 7,4 Prozent. Das bedeutet 323 Fehltage aus diesen Gründen pro hundert Beschäftigte. Vor allem Frauen sind von psychischen Belastungen betroffen. Obwohl sie auf dem Arbeitsmarkt in der Unterzahl sind, führen sie mit 77 Millionen Fehltagen die Kategorie der psychischen Überlastung an. Doch die psychisch kranken Männer holen auf: Ihre Zahl steigt schneller auf bereits 55 Millionen Fehltage, ein Plus von 7,8 Prozent bis 2022. Stress, Angst und Depressionen werden zunehmend zum Kostenproblem für die Krankenkassen, die 2022 bereits 432 Milliarden für chronische, nicht übertragbare Krankheiten und andere Leiden ausgeben müssen. 1.183 Millionen Euro pro Tag. Für das vergangene Jahr erwarten die mitgliederstärksten Krankenkassen laut Prognose vom Januar 2024 einen weiteren Anstieg der Krankschreibungen aus allen Gründen. Als erste Krankenkasse nannte die DAK-Gesundheit konkrete Zahlen für 2023. Jeden Tag waren 55 von 1.000 Versicherten krankgeschrieben. Umgerechnet auf die 2,4 Millionen DAK-Mitglieder bedeutete das: Tag für Tag Lohnersatz für 132.000 krankgeschriebene Versicherte. Und im Jahr 2024 könnten es erstmals seit langer Zeit wieder mehr als 20 Fehltage pro Arbeitnehmer im Durchschnitt sein. 64,5 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren mindestens einmal krankgeschrieben. Davon entfielen statistisch gesehen 4,15 Fehltage auf Erkältungskrankheiten, 3,73 Fehltage auf Muskel-Skelett-Erkrankungen und 3,23 Fehltage auf psychische Erkrankungen wie Depressionen und andere. Nur gut ein Drittel, 35,5 Prozent, arbeitete 2023 durch. Für Ältere ist eine Krankschreibung möglicherweise mit Scham besetzt. Dass schon junge Menschen in Deutschland im Durchschnitt 19 Fehltage in einem Jahr ohne Gewissensbisse in Kauf nehmen und knapp drei Krankschreibungen einreichen, kommt im Rest der Gesellschaft nicht gut an. Es passt aber zu den Ergebnissen der DIHK-Ausbildungsumfrage 2023: 63 Prozent aller Jugendlichen mangelt es an Leistungsbereitschaft, Belastbarkeit und Motivation. Gleichzeitig hat die Wissenschaft keine Mühe, uns die Befindlichkeit der überwiegend zwischen 1997 und 2012 Geborenen schönzureden. So sieht das Institut für Generationenforschung im bayerischen Augsburg Belege dafür, dass die GenZ es als positiv empfindet, sich um ihre Gesundheit zu kümmern. Dieser wohlwollenden Einschätzung widersprechen Nachrichtenmagazine wie Fortune. Ein Unternehmer hatte die Erfahrung gemacht, dass ein Bewerber mehrere Runden von Vorstellungsgesprächen, Eignungstests und Präsentationen ablehnte. Der Kandidat wurde auf der Social Media Plattform X mit den Worten zitiert: Ich bin nicht bereit, 90 Minuten in Excel zu investieren, ohne zu wissen, wie meine Chancen stehen. Auf FOCUS Online bestätigt der Wirtschaftspsychologe und Photovoltaik-Unternehmer Floyd Janning das Klischee von der leistungsschwachen Generation Z teilweise. Mit seinen 29 Jahren ist er näher dran als andere Firmenchefs. Seine Analyse: Die Generation Z hat nie gelernt, Arbeit richtig zu interpretieren. Aber letztlich geht das Ganze tiefer, schon Wohlstand wird völlig falsch interpretiert. Der Lebensstandard wird nicht hinterfragt, er ist einfach da, wird als selbstverständlich hingenommen. Das betrifft auch die mangelnde Wertschätzung von Benefits zur Motivation der Mitarbeiter: Es macht jedenfalls keinen Sinn, von Unternehmensseite immer mehr zu geben. Das fängt morgens in der Kaffeeküche an. Schon wieder Bananen? Warum gibt es eigentlich nie Kiwis? so in der Art. Ehrlich gesagt, das Gejammer war teilweise auf einem unglaublich hohen Niveau, mit dieser Anspruchshaltung, alles bis zur Schmerzgrenze ausreizen zu wollen. Beispiel Arbeitskleidung: Je mehr wir rausgegeben haben, desto schlechter sind die Leute damit umgegangen. Jetzt schauen wir zweimal hin. Brauche ich neue Schuhe, eine neue Jacke? Nur weil die alte Jacke irgendwo im Auto rumhängt, brauche ich nicht gleich eine neue. Das Unternehmen übernimmt die Kosten für die Mitgliedschaft im Fitnessstudio, ermöglicht den Mitarbeitenden die günstige Nutzung von Elektroautos und E-Fahrrädern. Und ändert bei manchen trotz Solartechnik und Nachhaltigkeit nicht die laxe Einstellung zur Arbeit. Die zugrundeliegende Haltung lasse bei einigen Angehörigen der Generation Z sogar die bedenkliche Vorstellung zu, es gebe ein Recht auf Krankheitstage, so der auf Generationenforschung spezialisierte Psychologe Rüdiger Maas: Wenn junge Leute im Schnitt dreißig Tage krank sind, jemand aber nur zehn Tage krank war, dann denkt er manchmal, er habe noch zwanzig Tage Anspruch. So ein Negativdenken macht nicht glücklicher, weil man die Arbeit insgesamt negativer sieht. Die Generation Z ist die Nachfolgegeneration der Millennials, beziehungsweise der Generation X aus den Jahren 1980 bis 2000, die ebenfalls mit oft unrealistischen Erwartungen ins Berufsleben gestartet ist und oft in Frustration endete. Doch es gibt Hoffnung. Angehörige der GenZ machten im Frühjahr 2024 rund 40 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer der Plattform Pinterest aus, die den Austausch über verschiedene Interessen, Hobbys und Einkaufstipps fördert und dabei weitgehend frei von der Giftigkeit ist, mit der andere soziale Medien ihre Nutzerinnen und Nutzer abschrecken können.