Beschreibung
Berlin in den Zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Die junge Elsa wird von ihrem Vater, dem Zauber- und Varieté-Künstler Jossi Albrecht, zu seiner Assistentin ausgebildet. Schnell stellt sich heraus, dass sie ihrem Vater an Bühnenpräsenz, Menschenkenntnis und Hellsichtigkeit weit überlegen ist. Jossi muss seine eigene Mittelmäßigkeit erkennen. Schon bald entbrennt ein unterschwelliger Konkurrenzkampf zwischen Vater und Tochter, dem Jossi eine manipulative Mischung aus Strenge und Zuneigung entgegensetzt. Elsa darf nicht mehr in die Schule gehen und sieht sich gezwungen, jeden Tag mit ihrem Vater an verschiedenen Zaubertricks zu arbeiten. Ein geheimnisvoller Teich im Garten und ein verschlossenes Zimmer im großen Elternhaus werden zu Zufluchtsorten, an denen sich Elsa sicher fühlt. In dieser Zeit stirbt der weltberühmte Entfesselungskünstler Harry Houdini, was Jossi schwer trifft. Er hat Houdini stets für seine Waghalsigkeit verehrt. Dessen Tod inspiriert ihn nun zu einer völlig neuen Nummer: Elsa soll, an Händen und Füßen gefesselt, in einem Wasserbehälter versenkt werden und sich allein befreien. Wie besessen steigert sich Jossi in das neue Programm hinein, das ihn endlich erfolgreich machen soll, und setzt hierfür sogar das Leben seiner Tochter aufs Spiel.
Autorenportrait
Tanja Wekwerth wurde in Berlin geboren, hat nach dem Abitur in Paris gelebt und als Model und Übersetzerin gearbeitet. Mit der Rückkehr nach Berlin begann das Schreiben: sie hat bisher 8 Romane verfasst (u.a. "Das Leben ist ein Seidenkleid" 2018 Harper Collins; "Madame Cléo und das große kleine Glück" 2017 Harper Collins; "Ein Hummer macht noch keinen Sommer" Goldmann, Random Haus 2012). Neben dem Schreiben befasst sie sich auch professionell mit der Fotografie.
Leseprobe
Grün war der Teich, und niemand wusste, wie tief. Am äußersten Ende des großen Gartens gelegen, wirkte er auf Kinder unheimlich, Erwachsene scheuten ihn wegen der Mücken. Geschichten kursierten um ihn. Ein Vorbesitzer des Hauses sollte ihn einst angelegt haben, um seine untreuen Ehefrauen darin zu versenken. In Vollmondnächten käme manchmal eine von ihnen an die Oberfläche zurück. Ihr schönes, bleiches Gesicht rage kaum aus dem silbrigen Wasser, und während sie ihr Klagelied sänge, strömten Kaulquappen aus ihrem Mund. Es war Elsa, die diese Geschichte erzählte, nicht nur, um den hinteren Teil des Gartens für sich allein zu beanspruchen, sondern auch, weil sie eine leidenschaftliche Geschichtenerzählerin war. "Gib mir das erste Wort", forderte sie ihren kleinen Bruder häufig auf und entspann dann eine Geschichte, die eine Stunde oder länger dauern konnte und meist ein dramatisches Ende fand. Doch am liebsten erzählte Elsa die Geschichte von den versenkten Frauen im Teich. Wenn sie sich weit über das Wasser beugte, sah sie die Silhouette ihres eigenen Kopfes und verschiedene Schichten von sonnenbeschienenem, transparentem Grün. Elsa hätte schwören können, dass sie manchmal einen lilienweißen dünnen Arm in der Tiefe des Teichs erspähte und eine ringgeschmückte Hand, die sie näher heranwinkte.
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