Beschreibung
Durch kaum merkliche Verrückungen erhalten scheinbar alltägliche Situationen plötzlich eine überraschende Deutung. Texte zum Kopfaufräumen sind so entstanden, zum Träumen, zum Weitertreiben, weg aus festgefügten Denk und Wahrnehmungsmustern, hinein in ein geöffnetes Imaginationsfeld. Ein altes Paar auf einer Bank: "Haben wir an den Blumenkohl gedacht?" Oder im Vorbeigehen: "Hat der Mann `Tag` oder `Quak` gesagt?" Und eines Tages hockt ein Engel nachts vor einem Kühlschrank und isst eine Wurst. Haben wir uns verhört? Verschaut? Oder ist es nicht einfach so, dass alles leichter wäre, "wenn jeder am linken Arm ein prächtiges Federbüschel trüge"? Mit den Texten von Signe Ibbeken können wir uns ab-, auf- und davonheben - sicherlich aber verändert zurückkehren ins notwendig Reale.
Autorenportrait
Signe Ibbeken, geb. 1966 in Berlin, arbeitete als Schauspielerin an verschiedenen Stadttheatern, machte sich dann als Schauspiellehrerin selbstständig und begann zu schreiben. Sie veröffentlicht Lyrik und Kurzprosa in Literaturzeitschriften und Anthologien und erhielt mehrere Auszeichnungen. "auf einer lichtung steht ein tiefgefrorenes reh" ist Signe Ibbekens Prosadebut.
Leseprobe
wofür ist diese stunde gemacht? ein caféhaustisch unter einem blühenden hortensienbusch. hummeln fliegen ein und aus, sogar ein pianist spielt. durch die geöffnete verandatür kann ich ihn hören. doch was ist mit dieser stunde gemeint? dass ich den mann am nebentisch betrachte, der schon seit einer ewigkeit in sein handy spricht, während seine mutter, eine wunderschöne greisin, mit verlegenem lächeln neben ihm sitzt? wie unhöflich, sage ich zu dir, wie kann ich dem mann das klarmachen? geh hin und verpasse ihm eine SCHALLENDE ohrfeige, sagst du und schaust wieder in deine zeitung. erst als wind aufkommt und hoch oben die äste der kiefern schüttelt und einzelne kienäpfel wie geschosse auf unseren tisch fallen und der pianist jetzt tatsächlich les feuilles mortes spielt und ein neuer wind aufkommt und sich schwarze wolken vor die sonne schieben und endlich endlich die zeit anhält, denke ich: - dafür.