Was ihr nicht seht oder Die absolute Nutzlosigkeit des Mondes

Roman

Auch erhältlich als:

In 1-2 Werktagen im Laden

Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783960543091
Sprache: Deutsch
Umfang: 168 S.
Format (T/L/B): 1.8 x 21.3 x 13 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

'Diesen Text wird nie jemand lesen.' Ein namenloser Erzähler, der seinem Erfolg im Kunstbetrieb und der Zivilisation den Rücken kehrt und ins Offene aufbricht. Ein Kunstwerk, das bei seiner Vollendung schon wieder zerstört werden soll. Und ein Dorf, das nur noch in den Erzählungen eines Einzelnen existiert. Zwei Männer begegnen sich dort, wo auf Google Maps die Umrisse unscharf werden, im Hinterland bei der Autobahn, wo schon lange niemand mehr absichtsvoll hingelangte. Der eine will in einer verlassenen Lagerhalle ein gigantisches Labyrinth aus Papier erschaffen, das nie jemand zu Gesicht bekommen soll. Sein Vorhaben entwickelt er, grimmig und entschlossen, im Zwiegespräch mit einem Publikum, dem er sich zugleich vehement verweigert. Der andere, der von ihm Giacometti genannt wird und dessen Anwesenheit ihm zunächst gar nicht gelegen kommt, widersetzt sich dem Lauf der Dinge, indem er Nacht für Nacht von seinem Dorf erzählt, das hier einst gestanden hat, bevor es einer Kohlegrube weichen musste. Einander beäugend, suchend und doch auf Abstand haltend bewegen sich die beiden Gestalten am Rand der Grube, ungewollt Verbündete in der Verteidigung des Ortes gegen Anfechtungen von außen. Magdalena Saigers Debüt ist ein poetischer, kunstvoll konstruierter Roman über die Suche nach Wahrhaftigkeit in einer entfremdeten Welt.

Autorenportrait

Magdalena Saiger, geboren 1985, lebt in Hamburg. Sie studierte Germanistik und Geschichte in Berlin und Madrid und promovierte an der Universität Hamburg in Geschichte. 'Was ihr nicht seht oder Die absolute Nutzlosigkeit des Mondes' ist ihr Debütroman. Mit dem Manuskript war sie Preisträgerin des Hamburger Literaturpreises 2020. Der Roman war nominiert für den Franz-Tumler-Literaturpreis 2023.

Leseprobe

Am sechsten Tag traf ich auf Giacometti. Ich kam mit der Materialfrage nicht recht voran und hatte mir vorgenommen, die Morgenstunden in der Halle zu verbringen, die Wanderung des Lichts zu verfolgen und in Skizzen zu vermessen: die Kegel der sonnigen Tage und wann sie mit ihren Suchbewegungen die untere, wann die obere Kante der Wände erreichten, die wolkigen Schatten des diffusen Regenlichts, und zu errechnen, wie es stehen wurde im April, im Juni, im September und zur Sonnwende im Winter. Ich hockte also am Boden, die Turflugel zum Vorraum und nach draußen standen weit offen, und der Bleistift hielt das Licht fest, das immer schon weiter war, uberholte es dann leichthin auf Rechenwegen, wusste im Vorhinein uber seinen Weg Bescheid, ein Göttergefuhl - da wurde die helle Fläche vor mir durchkreuzt von einem Schatten. Ich erstarrte, und auch der Schatten, der von hinter mir auf die Wand vor mir fiel, stand so starr, dass ich einen Moment glaubte, er sei mein eigener, der sich losgemacht hatte und mir jetzt entgegentrat.