Beschreibung
Aus dem Exil in den USA nach Europa zurückgekehrt, lebte Ré Soupault von 1948 bis 1958 in Basel, begann dort als Übersetzerin und Radio-Essayistin zu arbeiten und studierte vier Jahre lang bei Karl Jaspers. Am 30. April 1951 reiste sie mit der Bahn von Basel nach Avignon. Am 2. Mai bestellte sie in einer Bäckerei Kaffee und Croissant und notierte: 'Ich liess es mir gut schmecken, während ich bemerkte, dass Kaffee mit Croissant mir am meisten gefehlt hatte während all der Hungerjahre.' Am 6. Mai kaufte sie sich in Avignon ein Vélosolex. Es hatte keinen Tacho, keinen Rückspiegel, keine Federung, keine Satteltaschen. Die Reisegeschwindigkeit lag bei nur 15 bis 20 Stundenkilometern, doch dafür war es preiswert: für eine Strecke von 300 km war eine Zwei-Liter-Mischung aus Öl und Benzin ausreichend. Ihre mit diesem Gefährt unternommene Reise führte sie von Avignon über Orange, Nîmes, Nizza, Cagnes-sur-Mer, Menton, Saumane, St André-les-Alpes, Sisteron, Entreveaux und Grenoble bis nach Basel. Dort traf sie Mitte Juni nach sechs Wochen auf dem Fahrrad ein. Während der gesamten Zeit führte sie ihr Reisetagebuch - handschriftlich auf losen Blättern, von denen oft Vorder- und Rückseite beschrieben sind. Sie berichtet von ihren Gesprächen mit Menschen, denen sie auf ihrer Reise begegnet ist, von ihren Kino-Besuchen, beschreibt die Städte und Landschaften. Sie war Regen und Nebel schutzlos ausgeliefert, fühlte sich heimatlos und war immer auf der Suche nach einem Ort, an dem sie bleiben könnte. So entstand ein außerordentliches Menschen-, Städte- und Zeitportrait Südfrankreichs nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Herbst 1951 sollte sie eine weitere Reise mit dem Vélosolex durch das zerstörte Süddeutschland unternehmen. In der Zwischenzeit hatte sie eine Reiseschreibmaschine erworben, die sie auf dem Vélosolex mit sich führte. Das so entstandene Tagebuch ist unter dem Titel 'Überall Verwüstung. Abends Kino' 2022 ebenfalls bei Wunderhorn erschienen.
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