Beschreibung
In 42 Episoden erzählt Wolfgang Hegewald das Leben Nathan Niedlichs, eines deutsch-deutschen Schriftstellers, dem der erfolgreiche Durchbruch nicht gelingen will. Sprühend vor vitaler Komik schafft er es, selbst deprimierenden Episoden eine triumphierende Pointe abzugewinnen. Zwischen liebevollen Beschreibungen absurder Alltäglichkeiten und ironischer Sicht auf die gegenwärtigen Verhältnisse erleben wir Szenen aus der Kindheit, erste literarische Versuche, literarische Freund- und Feindschaften bis hin zur Existenz Nathan Niedlichs als Religionswissenschaftler, der die Absagen der Verlage chronologisch durchnummeriert in einen Ordner abheftet. Doch N.N. lässt sich nicht unterkriegen: 'beleidigt, enttäuscht, gedemütigt, denunziert, geliebt, geschätzt oder auf andere Weise unvergesslich behandelt' berichtet er in demütig amüsiertem, manchmal erbost spitzzüngigem Ton von seinem alltäglichen, vor allem literarischen Umfeld. Mit herzlich skurrilem Humor und treffend gewitzten Sprachschöpfungen erzählt er oft scheinbar am Wesentlichen vorbei, fokussiert Beiläufiges und trifft jedoch genau dadurch umso präziser ins Schwarze. "Fegefeuernachmittag" ist nicht nur eine liebevoll-bissige Abrechnung, sondern auch ein vor Sprach- und Aberwitz sprühender, raffiniert konstruierter autofiktionaler Roman über deutsche Wirklichkeit in Ost und West.
Autorenportrait
Wolfgang Hegewald, geboren 1952 in Dresden, studierte Informatik und Theologie, bevor er 1983 nach Hamburg übersiedelte, da in der DDR seine schriftstellerischen Arbeiten nicht publiziert wurden. 1984 wurde er beim Ingeborg-Bachmann- Preis in Klagenfurt ausgezeichnet, 1987 erhielt er ein Stipendium der Villa Massimo in Rom. Er veröffentlichte u.a. die Romane Jakob Oberlin oder Die Kunst der Heimat, Die Zeit der Tagediebe, Ein obskures Nest. Von 1993 an leitete Hegewald das Studio für Literatur und Theater an der Universität Tübingen, seit 1996 ist er Professor für Rhetorik und Poetik an der HAW Hamburg. Hegewald lebt in Hamburg.
Leseprobe
'Nathan Niedlich, ein zur Rundlichkeit neigendes Kind, war fünf und schrieb an seinem ersten Roman. Der junge Verfasser richtete sich seinen Schreibplatz am Couchtisch ein, in der Veranda. Wehe, einer störte ihn bei der Arbeit. Nur für die Dauer der Mahlzeiten unterbrach N.N. seine Niederschrift. Wenn jemand während der Dienstzeit das Wohnzimmer betrat, so durfte er sich dem Autor höchstens flüsternd nähern. Etliche liniierte Schulhefte, Bleistifte mit Radiergummis am oberen Ende, ein Spitzer aus blauer Plaste, ein Holzlineal, dreieckig im Profil, beide Schenkel mit einer Skala versehen, über der jeweils eine Nut entlanglief, die den Fingern Halt bot. Während ihm eine Geschichte einfiel, die er aufschreiben wollte, weil sie ihn zu interessieren begann, erfand N.N. eine dem Kapitel angemessene Schrift. Manchmal füllten monotone Schlaufen Seite um Seite, linientreu. Plötzlich schossen eruptive Ausbrüche in den Text, verwegene Oberoder Unterschwünge und wilde Krakel. Dann wieder folgten akribisch verfertigte Arabesken und Passagen strikt privater Hieroglyphen, deren Rang sich in der Wahl eines Buntstiftes zeigte. Begeistert folgte N.N. den Zufällen der Schrift. '
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