Autorenportrait
Lyndal Roper lehrt Geschichte am Royal Holloway and Bedford New College der Universität London.
Leseprobe
Das Gemenge aus religiösen und weltlichen Anliegen, aus dem sich das positive Ideal des Haushalts speiste, kommt deutlich in den Armenordnungen zum Ausdruck, die den Umgang mit den Taugenichtsen, den arbeitsfähigen Bettlern regeln sollten. Die Armenordnung wurde 1522, zur Zeit der ersten Erfolge der Reformation in Augsburg, eingeführt und im Laufe des Jahrhunderts mehrfach geändert. Ursprünglich stand dahinter eher ein allgemein bürgerlich-städtischer als ein genuin evangelischer Impetus. Die Augsburger Armenordnung gehörte zu einer ganzen Reihe von Ordnungen, die in europäischen Städten in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts eingeführt wurden. Rasch wurde sie jedoch zum wirksamen Medium, die spezifischen Pflichten jedes männlichen und weiblichen Mitglieds des Haushalts, bei der Arbeit wie in den affektiven Beziehungen, deutlicher zu artikulieren. Zunehmend wurde die Armenordnung durch evangelische Auffassungen geprägt, bot aber ebenso wie die Zuchtordnung auch für den Rat der nachreformatorischen Zeit eine politische Handlungsgrundlage. Die erste Armenordnung machte klar, daß der Mann als Haushaltsvorstand für Frau und Kinder zu sorgen hatte. Kam er dieser Pflicht nicht nach und fiel er mit seiner Familie der Armenfürsorge zu Last, so mußte er den Stadtpir tragen, als sichtbares Zeichen seiner Schwäche und seines Unvermögens. Um diese Botschaft noch deutlicher zu machen, wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts festgelegt, daß auch ein Mann, der zwar nicht Frau und Kinder versorgen konnte, aber immerhin genug für seinen eigenen Lebensunterhalt verdiente, das entehrende Zeichen zu tragen hatte. Verantwortung und Pflichten im Haushalt wurden für den Rat zu einen wichtigen Gegenstand - insbesondere, wenn es um das Geldausgeben ging. So wurden im Jahre 1534 zwölf Weber, die einen Glücksspielring gebildet hatten, für das verantwortungslose Betragen gerügt, das ihre Frauen und Kinder in Geldnöte gebracht hatte. Die Entscheidung des Rats in diesen Fall war keineswegs außergewöhnlich: in den 1530er und 1540er Jahren war der Rat bereit, in Ehestreitigkeiten einzugreifen, wenn durch leichtsinniges Geldausgeben des Ehemannes das materielle Wohlergehen von Frau und Kinder gefährdet wurde. "Übertrinken" war in den Augen des Rats hauptsächlich ein Problem der Männer und führte dazu, daß der Mann nicht für seine Familie sorgen konnte. Geselliges Trinken galt als zügellose Geldverschwendung aus Genußsucht. Das starke Mißtrauen gegen männliche Geselligkeit in den unterbürgerlichen Schichten führte zu dem Vorschlag, die Almosen in Naturalien statt in klingender Münze zu verteilen. Die Frau hatte den Mann bei seiner Arbeit in der Werkstatt und im Laden zu unterstützen, die Kinder zu hüten und den Haushalt zu versorgen. Öffentlich wurde sie fast immer als Ehefrau angesprochen (gewöhnlich als Frau, gelegentlich als Weib), d.h. in Bezug auf ihre ökonomische und emotionale Beziehung zu einem Mann, nur selten dagegen als Mutter. Das Wort Mutter bezog sich gewöhnlich auf die Fortpflanzungsorgane der Frau, insbesondere auf die Gebärmutter. Obwohl eher in ihrer Rolle als Ehefrau denn als Mutter gesehen, wurde ihr pflichtgemäßer Beitrag zum Lebensunterhalt als gering eingeschätzt. Zwar nahm man an, daß die Ehefrau ein Zubrot verdienen und z.B. durch Spinnen ihr Haushaltsgeld aufbessern konnte, doch man war sich im klaren, daß diese schlechtbezahlte Arbeit kaum für den Lebensunterhalt einer Familie ausreichte. War ihr Mann abwesend oder verstorben, hatte die Frau Anspruch auf Almosen für die Versorgung ihrer Kinder. Die Frau hatte nicht die Pflicht, den Lebensunterhalt zu verdienen, und entging so leichter dem Vorwurf der Faulenzerei, mit dem ihr Mann belegt wurde. Der Rat rügte nicht die Frauen, sondern die Männer, sie würden übermäßig der Fürsorge zur Last fallen. Er stempelte sie zum Sündenbock und machte sie allein verantwortlich. Die unterschiedlichen Verdienstmöglichkeiten von Frauen und Männern blieben so der Kritik entzogen. aus dem 2. K
Schlagzeile
Statt früher 34,90 Euro jetzt nur noch 21,50.>