Beschreibung
Die Geschichte eines kleinen schwarzen Jungen, der Ende des 19. Jahrhunderts von wohlmeinenden Weißen nach Schweden gebracht wurde und sich dort nach seiner warmen Heimat zu Tode sehnt. Ein menschliches Drama, ein politisches Gleichnis und ein ebenso spannender wie poetischer Roman.
Autorenportrait
Facebookseite von Henning Mankell (englisch)
Leseprobe
Bengler schenkte sich ein Glas Portwein ein, um sich selber für die Zukunft Mut zu machen und um zu feiern, daß der Kohlenschlepper auf der Reise von Rouen nicht untergegangen war. Von draußen hörte man ein zischendes Geräusch und Kinder, die lachten. Er saß mit dem Glas in der Hand auf dem knarrenden Bett, als Daniel plötzlich aufstand und zum Fenster ging. Bengler war schon halb auf dem Sprung, weil er fürchtete, Daniel würde sich hinausstürzen. Aber der Junge ging ganz langsam, fast schleichend, als wäre er auf der Jagd und nähere sich vorsichtig einer Beute. Bengler sah, wie er am Fenster stehenblieb, halb hinter der Gardine versteckt, und beobachtete, was auf dem Hof geschah. Er stand da und rührte sich nicht. Behutsam erhob sich Bengler vom Bett und stellte sich neben ihn. Unten auf dem Hof hüpften zwei Mädchen seil. Sie waren ungefähr im gleichen Alter wie Daniel. Eins von den Mädchen war dick, das andere sehr schmal. Sie hatten ein Seil, vielleicht eine Schot von einem Segelboot, die sie in der passenden Länge abgeschnitten hatten. Sie wechselten sich beim Hüpfen ab, lachten, wenn sie stolperten, und fingen dann wieder von vorn an. Lange stand Daniel ganz still, wie erstarrt. Bengler beobachtete ihn und versuchte sein aufmerksames Betrachten des Spiels auf dem Hof zu deuten. Dann drehte sich Daniel zu ihm um, sah ihm direkt in die Augen, und in seinem Gesicht sprang ein Lächeln hervor.Es war das erste Mal, daß Bengler seinen Adoptivsohn lächeln sah. Ein Lächeln, das kein Grinsen war, keine aufgesetzte Maske, sondern ein Lächeln, das von innen kam. Für Bengler war es, als wäre ein lange erwartetes Wunder endlich geschehen. Jetzt hatte Daniel endlich die unsichtbaren Trosse gekappt, die ihn an den Verschlag in Anderssons Handelsstation banden. Trosse, die ihn an Erinnerungen fesselten, von denen Bengler nichts wußte, außer daß Blut und Grauen darin vorkamen, tote Menschen, zerhackte Gliedmaßen, verzweifelte Schreie und danach die Stille, in der nur der Sand zu hören war, der in der Wüste rieselte. Sie gingen hinunter auf den Hof. Die Mädchen hörten sofort mit dem Seilhüpfen auf, als sie Daniel erblickten. Bengler wurde klar, daß sie noch nie einen schwarzen Menschen gesehen hatten. Er wußte, daß es eine Schuhcreme gab, deren Deckel ein Mohr mit dicken Lippen und einem Grinsen im Gesicht schmückte. Aber jetzt entdeckten die kleinen Mädchen, daß es den schwarzen Menschen in Wirklichkeit gab. Auf diesem schmutzigen Hinterhof dämmerte es Bengler, daß er gerade Zeuge von etwas wurde, das vielleicht eine neue Aufgabe für ihn bereit hielt. Den unaufgeklärten Schweden zu zeigen, daß es tatsächlich Menschen gab, die schwarz waren. Lebende Menschen, keine Dosendeckel. Sogleich fing er ein Gespräch mit den Mädchen an. Sie waren ärmlich gekleidet, und vom emsigen Hüpfen rochen sie stark nach Schweiß. Er fragte, wie sie hießen, und verstand nur mit Mühe, was sie sagten. Die eine, die Magere, hieß Anna, und die Dicke hieß vielleicht Elin oder möglicherweise Elina. Bengler erklärte, der Junge neben ihm heiße Daniel, komme aus einer fernen Wüste in Afrika und sei gerade erst in Simrishamn eingetroffen. Was macht er hier? fragte das Mädchen, das Anna hieß. Bengler blieb ihr die Antwort schuldig. Auf diese simple Frage wußte er plötzlich nichts zu erwidern. Er ist vorübergehend in Schweden zu Besuch, sagte er schließlich. Er war sich unsicher, ob die Mädchen überhaupt verstanden, was er sagte. Er sprach einen ausgeprägten småländischen Dialekt. Wieso hat er so krau Leseprobe
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