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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446205581
Sprache: Deutsch
Umfang: 248 S.
Format (T/L/B): 2.3 x 19 x 12.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Grombrowiczs raffiniertester und provozierendster Roman: Zwei ältere Herren meinen zwischen der junge Henia und dem Burschen Karol erotische Spannungen wahrzunehmen und inszenieren einen frivolen Schwank. Henia soll ihren Verlobten Wacl/ aw, einen langweilen Advokaten, verlassen und dem unschuldigen Karol in die Arme fallen. Das vermeintlich harmlose Spiel endet mit einem raffiniert eingefädelten politischen Mord. Der moderne Klassiker jetzt mit einem Essay zu Leben und Werk Gombrowiczs von Paul Vad.

Autorenportrait

Witold Gombrowicz wurde 1904 in Polen geboren. 1915 übersiedelte die Familie nach Warschau, wo Gombrowicz nach Abschluss der Schule Jura studierte. Von 1928 bis 1934 arbeitete er an einem Warschauer Gericht, widmete sich jedoch bald ausschließlich der Literatur. 1939 wurde er auf einer Schiffsreise nach Buenos Aires vom Ausbruch des Krieges überrascht. Er blieb 24 Jahre in Argentinien, in dieser Zeit entstanden fast alle seine Werke. 1963 kehrte er nach Europa zurück und ließ sich in Vence nieder, wo er 1969 starb. Im Anschluss an das Werk erscheint bei Hanser "Kronos. Intimes Tagebuch" (2015).  

Leseprobe

Der Dritte Über Gombrowiczs Ferdydurke und andere Großtaten Von allen emigrierten Dichtern des 20. Jahrhunderts war Witold Gombrowicz vielleicht der unverschämteste. Kaum hatte er 1953 von Argentinien aus damit begonnen, sein Tagebuch in einer Pariser Exilzeitschrift zu veröffentlichen, benutzte er schon die Gelegenheit, zum Angriff auf das Polentum vorzugehen, und insbesondere das Polentum, wie es in der Optik der Emigranten aussah. Es war ungefähr so, wie wenn ein vorher schon umstrittener dänischer Schriftsteller unter der deutschen Besatzung zum Angriff auf die dänische Pflege des Dänentums vorgegangen wäre. Diese Angriffe waren für Gombrowicz nicht bloß polemische Markierungen in einer aktuellen Situation, sondern trugen bei zur Schaffung des literarischen Ichs, die er sich zur Lebensaufgabe gemacht hatte. Man kann Gombrowiczs Romane als eine Art Experimente mit stilisierten Figuren sehen, durch die er die Wirklichkeit erforschte - in Form der Groteske, des Dramas oder des Albtraums und mit der immanenten Magie der Sprache als Leitfaden. Und man kann Gombrowiczs Leben als ein entsprechendes Experiment sehen, wie er es im Tagebuch inszenierte, womit er eine 'nichtliterarische' literarische Form zur Kunst machte - um so mehr, als er selber schrieb: 'Ich möchte in diesem Tagebuch offen darangehen, mir Talent zu konstruieren (...). Indem ich euch hinter die Kulissen meines Wesens führe, zwinge ich mich zum Rückzug in eine tiefere Tiefe.' Gombrowicz war durchaus bewußt, daß das Ich des Tagebuchs eine literarische Konstruktion war, die genauso leicht mißlingen konnte wie die Schaffung einer fiktiven Person und eines fiktiven Universums. Seine Einführung dieses Ichs war nicht von Eitelkeit bestimmt, sondern muß als der freche und herausfordernde Ausdruck einer Überzeugung gesehen werden, in der sein großes bewundertes Vorbild Montaigne ihn bestärkt hatte: für andere Bedeutung erlangen, für andere von Wert sein kannst du nur, wenn du schamlos du selber bist. Zuerst und zuvörderst bekämpfte er jedwede Bereitschaft, sich die trivialsten Prämissen der aktuellen Geschichte ('große' Ereignisse) aufzwingen zu lassen, statt sich selbst, sein eigenes Ich zur entscheidenden Prämisse zu machen. Ich denke, daß das kampfbereite, kühle und distanzierte Ich des Tagebuchs die Verwirklichung einer persona war, die ihm als eine Hoffnung, ein Traum in Ferdydurke vorgeschwebt hatte, dem Roman, welcher der schiefe und widerspenstige Eckstein seines Lebenswerks ist und bleibt. Es ist eine gute Idee, Gombrowiczs Romane jetzt zu lesen, jetzt, da der Roman in einer Krise ist. Ist denn der Roman gerade jetzt in einer Krise? Es erscheinen doch so viele gute Romane, ja es erscheinen gute Romane, die wirklich gut sind, wie also kann der Roman in einer Krise sein? Vielleicht, weil er allzu selbstverständlich ist. Gombrowiczs Romane sind keine guten Romane. Gombrowiczs Romane sind gegen den Roman geschrieben, sie sind unmögliche Romane, künstliche Romane, verkehrte Romane. Fast kann man sagen: sie sind gestelzte Romane, aber der Autor macht ganz bewußt aus dieser Gestelztheit eine Tugend, was ich, der Leser, als eine Beleidigung empfinde. Ferdydurke ist in besonderem Sinne ein ureuropäisches Produkt; in ihm ist nämlich der eigentliche literarische und geistige Ursprung des modernen Europa durch die beiden Riesen Rabelais und Montaigne wiedergeboren, mit der respektlosen Selbstverständlicheit, die ihrem Geist eigen ist. Bei der Wiedergeburt sind die beiden Schriftsteller natürlich zur Unkenntlichkeit verwandelt, als ein Ergebnis dessen, daß Gombrowicz in das schmerzvolle Drama des 20. Jahrhunderttums eingetaucht war, das entscheidend zur Entwicklung seines eigenen Bewußtseins von Form und Stil beigetragen hat. Form und Stil - darum geht es. Von hier geht die Beleidigung aus. Die Romane, an die wir uns erinnern - vielleicht erinnern wir uns nicht zuletzt auf Grund ihrer Form an sie, da wir ihre Bedeutung in und durch ... Leseprobe