Das Lügenhaus

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442751938
Sprache: Deutsch
Umfang: 319 S.
Format (T/L/B): 3 x 22 x 14.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Band 1 des Nummer-1-Bestsellers aus Norwegen. Drei Generationen, drei Männer, ein dunkles Geheimnis. Trondheim in Norwegen: Als die Bäuerin Anna nach einem Schlaganfall im Sterben liegt, kommt die Familie nach Jahrzehnten erstmals wieder zusammen. Tor, der älteste Sohn, der den elterlichen Hof übernommen hat und mit Hingabe Schweinezucht betreibt, verständigt nicht nur seine beiden Brüder Margido und Erlend, sondern auch seine Tochter Torunn, die er nur ein einziges Mal gesehen und vor seiner Familie verheimlicht hat. Margido zeigt sich wenig erfreut über seinen Anruf. Er hat vor Jahren den Kontakt zur Familie abgebrochen und betreibt ein Bestattungsunternehmen unweit des Elternhauses. Auch Erlend tritt die Heimreise mit gemischten Gefühlen an. Er ist schwul und hat deshalb vor vielen Jahren den Hof nach einem heftigen Streit verlassen. Nun lebt er mit seinem Lebensgefährten in Kopenhagen, liebt seinen Job als Schaufensterdekorateur und genießt das Leben in vollen Zügen. Der Einzige, der unglücklich zu sein scheint, ist der Vater. Der hat Zeit seines Lebens ein Schattendasein geführt, wofür ihn besonders Tor verachtet hat. Doch als es gilt, das Erbe aufzuteilen, sieht er die Zeit gekommen, ein lange gehütetes Geheimnis zu lüften . Ausgezeichnet mit dem norwegischen Buchhandelspreis.

Leseprobe

Komm«, flüsterte sie. »Kannst du denn nicht bald kommen.« Sie stand vor der Tür des Bootshauses und rang die Hände, unten in der Schürzentasche, was, wenn er nicht allein wäre, es wäre nicht das erste Mal. Denn wer könnte ahnen, dass ein Ausflug hinunter zum Strand etwas anderes war als ein Ausflug an den Strand, sie könnten doch auf die Idee kommen, dass er Gesellschaft haben wollte. Aber wenn er nicht allein kam und sie sie hier fanden, würde sie das einfach damit erklären, dass sie kaltes Fjordwasser holen wollte, um die frisch gefangenen Heringe damit zu übergießen. Sie hatte einen Eimer mitgenommen, eben, um eine solche Entschuldigung zu haben. Im Bootsschuppen stand die Hitze, Sonnenstreifen sickerten durch die Wandbretter, und dort, wo die Sonnenstreifen auf den Boden trafen, wuchsen kurze grüne Grasbüschel zwischen den Steinen hervor. Am liebsten hätte sie sich jetzt ausgezogen, um in den noch winterkalten Fjord hinauszuwaten, den Muschelsand unter ihren Fußsohlen zu spüren, die Tanglappen an Waden und Schenkeln vorbeigleiten zu lassen, ihn für kurze Zeit zu vergessen, ihn zu vergessen und sich desto mehr zu freuen, wenn er ihr wieder einfiel. »Komm doch endlich, bitte.« Sie hatte die Tür angelehnt und konnte hinausschauen. Draußen lag das Boot an Land, leicht schräg auf der Seite. Der Bug bohrte sich ins Wasser, kleine Wellen leckten schmatzend an den geteerten Brettern. Austernfischer jagten einander über die Wasseroberfläche, schwarzweiße Wuschel mit knallroten Streifen, benommen und ausgelassen von der Sonne und der plötzlichen Hitze. Alle sprachen über die Hitze, darüber, dass die warmen Sommer mit dem Frieden gekommen seien. Zwei Jahre Frieden im Land, und plötzlich war es wieder warm. Die Felder strotzten vor Korn und Saatkartoffeln, Beerensträucher und Bäume waren übersät von neuen Knospen, sogar die deutschen Bäume wuchsen wie besessen. In dem Frühling, in dem die Deutschen gekommen waren und mit dem Land gemacht hatten, was sie wollten, war es so kalt gewesen, dass bis weit in den Mai hinein in den Fjordarmen Eis gelegen hatte. Noch immer freute sie sich über den Frieden und fragte sich, wie viel Zeit vergehen müsste, bis sie ihn so selbstverständlich nehmen würde, wie man das doch eigentlich sollte. Aber vielleicht kam die Freude auch noch von woandersher, von ihm. Sie hatte ihn im Friedenssommer kennengelernt. Wenngleich, kennengelernt. Sie hatte doch immer gewusst, wer er war, bei mehreren Gelegenheiten hatte sie sogar ganz normal mit ihm gesprochen, er kam ja auf alle Höfe, wie die meisten Menschen aus der Nachbarschaft. Aber plötzlich, an diesem Sommerabend auf Snarli, als sie draußen auf der Hofwiese saßen, nachdem sie den ganzen Tag mit Torfstechen beschäftigt gewesen waren, als sie schweißnass und benommen von Hitze und Anstrengung dasaßen, kam er von Neshov aus über die Felder geschlendert, und sie sah sofort, dass er zu ihr wollte. Ihr Körper verstand, jede Faser ihres Leibes wurde von ihm gesehen, ihr Hals, die schweißnassen Locken, die an ihrer Stirn klebten, die Hände, die sie hinter sich ins Gras stützte, die Waden, von denen sie wusste, dass sie braun und blank aus ihren Schuhen ragten, ihm entgegen. Irgendwer holte einen Becher Bier, das Bier brachte sie zum Lachen, auch er lachte, versuchte, vor allem die anderen anzulachen, aber sein Blick landete doch immer wieder bei ihr und machte sie schön, und als sie spürte, wie ihr Rocksaum ein wenig über ihre Knie glitt, dahin, wo die Oberschenkel sich nach innen wölbten, ließ sie ihn ein wenig weiter gleiten, und noch ein wenig weiter, und spreizte leicht die Knie, und sie lachte noch mehr und spürte den Schmerz, der ihr das Kreuz hochwanderte, so dass sie fast aufgejammert hätte. Sie ging heimwärts, und er stand im Laubwald und wartete, sie durfte ihre Handflächen auf seine Haut legen und seinem Blick begegnen, und sie wusste, dass von jetzt an alles neu sein würde. Nicht nur der Frieden und dass sie im Laufe der Kriegsjahre er Leseprobe