Beschreibung
"Eines Morgens Anfang Mai stand ein junger Mann in einer Adidas-Hose mit schwarz-rot-goldenen Seitenstreifen und Fitneß-Equipmenttasche vor mir und fragte, ob ich ein Auto zum Ausschlachten hätte. Wo sollte ich so schnell einen alten Wagen herbekommen?" Das fehlende Auto soll nicht die einzige Sorge des 42jährigen Icherzählers bleiben, eines frühpensionierten Geschichtslehrers und "promovierten Träumers". Er und seine Gattin Gabi, hanseatische Handchirurgin, haben sich auseinander gelebt, und irgendwie ist ihnen die Liebe abhanden gekommen. Zeit für ein wenig Abwechslung. Das erkennt auch der hausierende Schrotthändler Adrian, ergreift seine Chance und bringt das einstmals ruhige Leben der beiden Eheleute gehörig durcheinander - so durcheinander, daß der Icherzähler sich bald ohne Frau und Geld und in heilloser erotischer Verwirrung wiederfindet. Und sich wider Willen mit seinem Leben, seinen Erinnerungen an die erste Liebe und der Sehnsucht nach seiner Heimat auseinandersetzen muß. "Hinter dem souveränen Sprachwitz und den skurrilen Einfällen des Autors lauern Bitterkeit, Angst und Verzweiflung. Die Erzählung des Namenlosen, der Frau und Existenz verliert, kommt mit Frische, Leichtigkeit und Selbstironie daher - und ist dabei schrecklich und tieftraurig. Gerade dieser Kontrast macht die Faszination und die eigentümliche Spannung dieses Buches aus." Handelsblatt
Leseprobe
Eines Morgens Anfang Mai stand ein junger Mann in einer Adidas-Hose mit schwarz-rot-goldenen Seitenstreifen und Fitneß-Equipmenttasche vor mir und fragte, ob ich ein Auto zum Ausschlachten hätte. Wo sollte ich so schnell einen alten Wagen herbekommen? Ich hatte doch gerade meinen Mercedes gegen einen der neuesten Generation der E-Klasse in Zahlung gegeben. Ich sah, der junge Mann war unrasiert, bei einem kräftigen Haaransatz, einer, der sich zweimal am Tag rasieren muß. Bis auf einen fehlenden Frontzahn der oberen Reihe, der aber, wie er mir später sagte, bald durch ein Implantat bzw. einen Goldzahn ersetzt werden sollte, waren diese Zähne tadellos. Dann fragte er, ob er mal ins Bad dürfe, was ich ihm bei meiner christlichen Erziehung nicht verwehren konnte. Und an meiner Mutter geschult, die damals jedem Hausierer ein Vesper anbot, fragte ich ihn, ob er Hunger habe, bevor er verschwand. Und als er wieder herauskam, sah er aus, wie der Barberinische Faun ausgesehen hätte, wäre er aus seinem Schlaf erwacht und aufgestanden. Adrian hat von jenem Tag an bei uns gewohnt. Meine Frau, die mich noch von ihrer Praxis aus für verrückt erklärt hatte, als ich sie anrief, um ihr zu sagen, es sei ein fremder Mann da, der heute bei uns übernachte, griff meinen Gedanken dankbar auf und bestätigte, daß unser geräumiges Gästeappartement ohnehin nur leerstünde und leergestanden hätte. Es war unser Privileg, über soviel Platz zu verfügen und solche Einladungen auszusprechen, die nicht weh taten. Oder doch? Meine Frau arbeitet als Handchirurgin, während ich, eben 42 Jahre alt geworden, aufgrund einer nicht behebbaren und kaum zu erklärenden vegetativen Dystonie vorläufig krankgeschrieben bin. Ich werde aber nie mehr ans Agnes-Miegel-Gymnasium zurückkehren, wo ich das unerfreulichste aller Fächer - Geschichte - in der Oberstufe unterrichtet habe. Wahrscheinlich werde ich als einer der frühpensionierten Geschichtslehrer in die Annalen des Agnes-Miegel-Gymnasiums eingehen. Wieder einmal wurde mir meine von Geburt an vorhandene und durch die Erziehung gesteigerte Menschenfreundlichkeit zu einem innerehelichen Verhängnis. Bei aller Philanthropie und Hoffnung, was die Zukunft des Menschen angeht, wollte ich denn doch klären, woher Adrian kam, wer er war, und was ich sonst noch wissen wollte: ich habe es aber nie erfahren. Auf meine Frage, wann er weiterreisen wolle, blieb er eine Antwort schuldig. Beim Essen hatten wir eine Person mehr am Tisch. Das war zunächst alles. Es war August, mitten in der Wahlkampfzeit, im sechzehnten Jahr des Regiments von Helmut Kohl. Ich hatte bei meiner Frau, die grün wählte, seitdem es die Grünen gab, bemerkt, daß sie nun auffallend oft Komplimente verteilte, wenn Schröder auf dem Bildschirm erschien. Meine Frau, die eigentlich Gabi hieß, hat sich, seitdem der Name aus der Mode gekommen war, von mir und allen anderen Gabriele nennen lassen, so wie sich Joseph Fischer nun schon lange Joschka nennt, was ich verstehe, und ein ehemaliger Gesundheitsfunktionär namens Huber verschmähte das Hotzenwälderische Erich und nahm den Namen Ellis, der eindeutig nach mehr klang, an. Gut, nur ich laufe noch mit meinem richtigen Namen durch die Welt. Gabriele wählte nun, wie sie mir sagte, Schröder, der gerade seine vierte Ehe bekanntgegeben hatte. Sie sei für Schröder, sagte mir meine Frau. Ich war eingeschnappt, denn ich dachte, sie wäre für mich. Trotzdem habe ich sie weiter geliebt, trotz Schröder habe ich weiter mit ihr geschlafen. Vielleicht war es ein Fehler, daß wir uns schon mit 23 zusammentaten, viel zu früh; vielleicht war es nur wegen des Golf GTI, den Gabis Großmutter als Hochzeitsgeschenk in Aussicht stellte, gegen den Willen der Hamburger Seite meiner Frau; aber auch Kreenheinstetten war mit dieser Ehe nicht einverstanden, die zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich fast 20 Jahre >gehalten< hatte, wie man so sagt, eine Tatsächlichkeit, die schon an ein Wunder grenzt. Hamburg war für uns von der heimatlichen Donau, unwei
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