Beschreibung
Ziel dieser Arbeit ist die Ergründung der Frage, was neu an der "neuen" Eugenik ist. Im Mittelpunkt stehen zwei Verfahren der neuen Reproduktionstechnologien: die Pränataldiagnostik (PND) und die Präimplantationsdiagnostik (PID). Untersucht wird dabei, ob die angewandten Methoden der Medizin als eugenisch bestimmbar sind. Freiwilligkeit und Selbstbestimmung im Kontext der Möglichkeiten der PND und PID sind kritisch zu bewerten. Deutlich wird, dass den Methoden der PND und der PID eine innere eugenische Logik unterliegt, auf deren Gefahren stets verwiesen und über deren sich ständig erweiternden Aussichten immer wieder neu verhandelt werden sollte. Die Vermutung einer Doppelmoral, da Leben im Mutterleib vernichtet werden kann, die Auswahl in der Petrischale in Deutschland jedoch im Grunde verboten und nur dann zulässig ist, wenn eine schwerwiegende Erbkrankheit beim Kind oder eine Tot- oder Fehlgeburt wahrscheinlich ist, müssen geltend gemacht werden. Argumentationsführend wird eine Einschätzung zum Konformitätsdruck zu einer Inanspruchnahme vorgeburtlicher Untersuchungen absolviert. Daraus wird ein Bogen gespannt, der kennzeichnet, dass zwar die Zugangsvoraussetzungen im Gegensatz zur "alten" Eugenik verändert sind (Freiwilligkeit/Selbstbestimmung im Gegensatz zu Zwang), deren Wahrheitswert durch die erbrachten Ausführungen jedoch fraglich wird. Anhand der Erläuterungen wird ersichtlich, dass die "neue" Eugenik im Vergleich zur "alten" andere, verlagerte Gefahren birgt, die stets der Diskussion bedürfen.
Autorenportrait
Katrin Lange, geboren 1979 in Rudolstadt, hat an der Universität Erfurt Erziehungswissenschaften studiert und sich im Rahmen ihres Studiums mit der Geschichte der Eugenik beschäftigt. Nach dem Studium vertiefte sie ihre Wissbegierde während eines Praktikums im Gen-ethischen Netzwerk Berlin e.V.. Seit acht Jahren arbeitet sie im Plattenbaugebiet im Erfurter Norden als Streetworkerin mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Ehrenamtlich engagiert sie sich als Radiomoderatorin im Erfurter Lokalradio Radio F.R.E.I. mit der Sendung LAMA - das Lateinamerikamagazin.
Leseprobe
Textprobe: Kapitel 2, Was ist Eugenik? Die Geschichte der Eugenik reicht bis in die Antike zurück und ergibt ein facettenreiches Bild. Allen Facetten gemeinsam ist die Vorstellung von der Verbesserung der Menschheit anhand ihres genetischen Erbes, wobei 'Die Kontrolle der menschlichen Sexualität und die Steuerung der Fortpflanzung. das durchgängige Thema.' (Weingart/Kroll/Bayertz, 1988, S. 27) ist. Diese Lenkung der menschlichen Fortpflanzung soll anhand bestimmter erwünschter Eigenschaften eine gezielte Auswahl unter den Menschen treffen, die sich fortpflanzen dürfen (vgl. Kevles, 1995, S. 20). Der Begriff Eugenik ist erst im Jahre 1883 von Francis Galton (1822-1911) geprägt worden, der diesen von dem griechischen Wort eugenes, was soviel wie edelgeboren oder von guten Stamm bedeutet, ableitete (vgl. Schmuhl, 2001, S. 7). Eine der ersten eugenischen Utopien lässt sich in Platons (427/428-347/348 v. Chr.) Staat entdecken. 'Schon bei Platon trifft man auf eine große Zahl der institutionellen Vorkehrungen zur Sicherung einer eugenischen Fortpflanzung, die fortan in allen Utopien zu finden sind und schließlich in die konkreten Vorschläge der Eugeniker eingehen.' (Weingart/Kroll/Bayertz, 1988, S. 28f.). 2.1, Einleitung: Jede Ära bringt ihre eigene Eugenik hervor mit verschiedenen Hintergründen, Motiven und Intentionen. Bei der 'alten' Eugenik liegt die Beschränkung auf der von Galton mit seinem Begriff geprägten Eugenik anfangend um 1900 und den Entwicklungen bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945. Die Geisteshaltungen und Vorstellungen, die um 1900 und davor existierten, werden aufgezeigt, um darstellen zu können, welche Motoren dieser Entwicklung immanent sind. In Punkt 2.2 wird der Naturforscher Francis Galton mit seinem eugenischen Konzept in Verknüpfung mit dem englischen Wissenschaftler Charles Darwin (1809-1882) (2.3) vorgestellt. Ohne die gleichzeitigen fortschreitenden naturwissenschaftlichen Erkenntnisse hätte die Eugenik nicht bzw. anders, zumindest jedoch erst später entstehen können. In Punkt 2.4 geht es um die Hervorhebung des Zeitgeistes am Anfang des 19. Jahrhunderts, in dessen Mittelpunkt die Degenerationsthese steht, anhand derer deutlich wird, wieso der Boden für die eugenischen Konzepte fruchtbar war. Die These beschreibt die Angst des körperlichen und geistigen Verfalls der Menschheit im Zuge der Zivilisation, bei dem die eugenischen Konzeptionen Abhilfe schaffen sollten. Im folgenden Abschnitt (2.5) wird die eugenische Bewegung um 1900 mit ihren wichtigsten Eckdaten skizziert. Das Hauptaugenmerk in Punkt 2.6 ist auf Deutschland gerichtet bis hin zu den Gräueltaten unter dem Namen der Rassenhygiene (die deutsche Bezeichnung für Eugenik) im Dritten Reich. Die Übersicht soll bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 Aufschluss über die eugenischen Gedankenstrukturen und deren Verbreitung geben. Dazu zählen die Sterilisationen sogenannter 'Minderwertiger' (2.6.1) und die Vernichtung 'lebensunwerten Lebens' im Namen der Euthanasie (2.6.2). Zuletzt wird eine Zusammenfassung (2.7) mit nochmalig eingebundener Begriffsbestimmung der Eugenik geleistet, die dann in der Analyse des III. Kapitels erneut Präsenz erhält. 2.2, Galtons eugenisches Konzept: Wie oben bereits erwähnt, wurde der Begriff Eugenik von dem englischen Naturforscher Francis Galton (1822-1911) eingeführt. Das ihm zugrunde liegende griechische Wort eugenes (von guten Stamm, edelgeboren) weist dabei die Richtung auf, um die es geht. Galton war der Ansicht, 'daß die natürlichen Fähigkeiten eines Menschen durch Vererbung erworben sind.' (Galton, 1910, S. 1) und wenn es möglich ist, Tiere nach ausgewählten Merkmalen zu züchten, wieso sollte dies dann nicht auch für die menschliche Rasse mittels gezielt erwünschenswerten Ehen möglich sein (vgl. ebd., 1910, S. 1)? Zu seinen genetischen Grundannahmen über die menschliche Vererbung gelangte er durch Studien über berühmte Männer, in denen er nachwies, dass in deren Verwandtschaft ein Gr