Beschreibung
In this volume of the Erfurter Schriften zur jüdischen Geschichte, the ensemble of medieval material evidence in Erfurt, with its unique representation of Jewish culture in Central Europe, is placed in the local and contemporary historical context of ritual objects and ritual events for the first time accompanied by insights into the hitherto rather undiscovered Rudolstadt Judaica collection. This is an exciting and sensually fascinating process that opens up something new. It gains in multidimensionality through an explicitly interdisciplinary perspective. It is the attempt to see anew, beginning with the ritual object rather than the ritual itself. Taking up the concept of a 'new materialism' in the social and historical sciences, the particular ritual object is perceived, not beginning with the idea of it, but as reality. The ritual objects discussed here address the sensually concrete existence of things in the context of their pragmatic use: the Erfurt wedding ring, Hebrew gravestones, Torah scrolls, a tuning key, belts, candleholders, a prayer tablet, a mizrach. They all have a high symbolic value and at the same time a unique aesthetic appeal. Nevertheless, the coexistence of objects is linked to their embedding in writing, tradition, and contextualization. By emphasizing in particular the Jewish ritual object in its use, the present volume celebrates the cultural richness and identity of the Jewish communities past and present.
Leseprobe
Die internationale Konferenz 'Ritual Objects in Ritual Contexts', die eine Kooperation zwischen dem Research Centre 'Dynamik ritueller Praktiken im Judentum in pluralistischen Kontexten von der Antike bis zur Gegenwart ', der Beauftragten für die UNESCO-Welterbe- Bewerbung der Stadt Erfurt, der Heidecksburg Rudolstadt und den 27. Tagen jüdischer Kultur in Thüringen war, fand vom 6. bis zum 8. November 2019 in Erfurt und Rudolstadt statt. Thema waren rituelle Objekte aus beiden Städten, die in ihren historischen und rituellen Kontexten untersucht wurden. Wie geben rituelle Objekte Informationen über zeitgenössische Rituale, wo sind sie in die Entstehungsgeschichte eines Rituals einzuordnen, und inwiefern geben sie Auskunft über die Orts- und Zeitgeschichte? Die meisten Vorträge der Konferenz erscheinen nun in überarbeiteter Form in dieser Publikation, nachdem sie von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Konferenz, die aus verschiedenen akademischen und geografischen Kontexten kamen, eingehend erörtert, diskutiert und - aufgrund der Thematik der Konferenz auch am Objekt in Erfurt und in Rudolstadt überprüft wurden. Hinzu kommen einige Beiträge, die nicht auf der Konferenz Thema waren, aber schon vorher vorgestellt und diskutiert wurden. In Erfurt hat sich ein bedeutendes Ensemble mittelalterlicher Sachzeugnisse aus der ehemaligen jüdischen Gemeinde erhalten, das in seiner Aussagekraft über die jüdische Kultur in Mitteleuropa weltweit einmalig ist. Einige der Objekte, etwa der jüdische Hochzeitsring aus dem Erfurter Schatz oder hebräische Grabsteine vom ehemaligen jüdischen Friedhof, wurden erst in den vergangenen Jahrzehnten wieder entdeckt, andere wie der Erfurter Judeneid oder die Torarollen sind der Forschung seit langem bekannt. Alle sind außergewöhnliche Zeugnisse der mittelalterlichen jüdischen Geschichte und spielten gleichzeitig eine wichtige Rolle in Ritualen und Zeremonien der jüdischen Gemeinde. Die Rudolstädter Judaica-Sammlung gehört zu den kulturgeschichtlich wertvollsten Beständen im Thüringer Landesmuseum Heidecksburg. Über 35 Objekte aus dem 18. Jahrhundert zeugen vom religiösen Leben der kleinen jüdischen Gemeinde vor Ort. Rezipiert wurde diese Sammlung bisher jedoch kaum. Als Bestand im Magazin des Schlosses Heidecksburg war sie nach 1945 nicht mehr im öffentlichen Bewusstsein. Erst nach der friedlichen Revolution von 1989 war ein fachlicher Austausch über die Bedeutung der Judaica-Sammlung wieder möglich geworden. Anfang der 1990er Jahre erfolgte ein Anstoß für eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser wertvollen Sammlung durch eine erste Publikation. Die Diskussionen während der Konferenz zeigten, dass die Fragen der Terminologie und des Ritualverständnisses nicht vorschnell beantwortet werden können und weiter in der Forschung diskutiert werden müssen. Unterschiedliche Perspektivierungen und Kontextualisierungen tragen dazu bei, dass die Frage nach Ritualen auch in den Bereichen des Rechts, der Performanz, der Kunst, der Literatur usw. relevant bleibt und unbedingt eine interdisziplinäre Herangehensweise erfordert, wie sie bei der Konferenz 'Ritual Objects in Ritual Contexts' gegeben war. Hinzu kommen die unterschiedlichen Kommunikationsbedingungen, die sich in den verschiedenen Kontexten wie einer großstädtischen oder kleinstädtischen Gemeinde manifestieren. Auch die große Bandbreite an Materialität (Textilien, Stein, Holz, Metall usw.) und an Akteuren und Herstellern von rituellen Objekten zeigt, dass das Thema nicht ohne weiteres behandelt und abgeschlossen werden kann. Positiv hervorgehoben werden kann, dass die Vorträge dieser Konferenz von Objekten ausgingen und nicht von Ritualen und sich erst dann der Theoriebildung widmeten. Diese Herangehensweise erwies sich als fruchtbare Methode, obwohl die objektfokussierte Betrachtung von Ritualen innerhalb der Forschungslandschaft noch am Anfang steht. Die Herausgeberinnen danken an dieser Stelle dem BMBF, der das Research Centre in den Jahren 20152020 großzügig unterstützt hat, sowie der Thüringer Staatskanzlei und der Sparkassen-Kulturstiftung HessenThüringen für die finanzielle Unterstützung zur Erstellung dieses Bandes. Ein besonderer Dank geht auch an Thomas R. Blanton IV, der das muttersprachliche Lektorat übernommen hat.