Beschreibung
Einladung zur Melange, einer sorglosen Stunde, Auszeit, die zum Lesen und Träumen verführt: Die elf teils prämierten Geschichten von Ulrike Kotzina handeln vom Suchen und Finden der Wahrheit, die sich gerne versteckt, vielleicht aber auch gar nicht entdeckt werden will - zumindest nicht immer und von allen Figuren. So sinkt sie als Perlen-Ohrring auf den Grund eines Sektglases und zeigt sich am Ufer der reißenden March, unter strahlendem Himmel im Sommerwind. Dann wieder muss man durch die Hintertür gehen, jenes gut getarnte Tor bei Hibiskus und Weide, oder an die Grenze zwischen Stadt und Land, zurück an den Anfang, ins Elternhaus, wo ein kleiner roter Kater für immer verschwindet. Sie ruht unter Spielzeug, in der Kiste am Dachboden, verborgen in einem Stapel jahrzehntealter Briefe, und steckt einen Apfelbaum im Garten in Brand, während bahnbrechende Techniken der modernen Kunst erst jenem gelingen, der sie ans Licht gebracht hat. Die richtige Mischung aus Bitterkeit, Süße, Temperament und Leichtigkeit machen die Melange an der Donau zum Hochgenuss.
Autorenportrait
Ulrike Kotzina 1970 in Wien geboren, Studium der Germanistik und Sportwissenschaften, Redakteurin und Lektorin, lebt als Antiquitätenhändlerin in Purkersdorf. Stipendium beim Klagenfurter Literaturkurs im Rahmen des Ingeborg-Bachmann-Preises 2000, Anerkennungspreis des Landes Niederösterreich 2009, Preis der Stadt Wien 2013.
Leseprobe
Durch Viktorias Haar fuhr der Sommerwind. Sie hob ihre Hand, um die Locken zu glätten, die wie Schmetterlinge aufflogen, sich nicht bändigen ließen, dann eilte sie weiter, seufzte verträumt: Warum nicht den Wind an ihrem Haar zausen lassen, wie einen Liebhaber, der darin wühlt, der zerstreut damit spielt? Mit einem einzigen Sprung überwand sie die Stufen, die zur Uferpromenade hinunterführten, und richtete ihr Kleid, das über die Knie gerutscht war. Sicher würde Juliane das Kleid gefallen, es kam schließlich ihren Empfehlungen nah. Es steht dir, würde Juliane sagen, du hast ein Gesicht, das Frische benötigt, verschwenderische, keinesfalls aufdringliche Frische. Und du brauchst die paar Abnäher in der Gegend der Hüften - Abnäher, die überflüssige Kilos verbergen. Viktoria hörte nicht auf zu lächeln. Die Uferpromenade wogte nur so, ein planloses, ausschweifendes, heiteres Schaukeln, ein breiter, bunter Fluss aus flanierenden Menschen. Rechts floss die Donau in ihrem steinernen Bett, zur Linken befanden sich kleine Cafés mit Korbstühlen und weißen und cremefarbenen Schirmen zwischen niedrigen Linden, die in Blüte standen.