Beschreibung
Kriege und bewaffnete Auseinandersetzungen sind eine beständige Tradition der Menschheit und Katalysatoren weitreichender zivilisatorischer Entwicklungen. Unbestritten jedoch ist, dass der Preis, den Menschen dafür zu zahlen haben groß ist. Weder Freiheit noch Eroberungen gibt es zum Nulltarif. Mancher Zoll wird in Blut und Leben bezahlt, mancher jedoch mit Schäden an Geist und Seele. Ganz besonders betroffen sind naturgemäß Soldaten, die in ihren Einsätzen vielfältigen Stressoren ausgesetzt sind.Bedrohungen des eigenen Lebens, Getanes und Erlittenes zehren an der geistig-seelischen Substanz des Individuums. Wenn dann die Sollbruchstelle der Psyche erreicht ist, bleiben Schäden nicht aus. Die Post Traumatic Stress Disorder, PTSD oder Posttraumatische Belastungsstörung ist ein in Folge übermäßiger Belastung entstehender Stressreaktion der Psyche und des Körpers. Sie zeigt sich in vielfältigen Formen, von motorischen Störungen bis hin zu sozialer Dissfunktionalität.Vorliegende Studie beleuchtet das Phänomen PTSD und illustriert die Störung anhand von Forschungsergebnissen und literarischen Quellen.
Autorenportrait
Laszlo Böhm, M.A., Dipl.Sozialpäd.FH, Jahrgang 1965 arbeitete nach einer kaufmännischen Ausbildung mehrere Jahre als Dolmetscher und Übersetzer. Als ehemaliger Wehrdienstleistender und langjähriger Reservist der Bundeswehr blieb er stets am Schicksal der aktiven Kameraden interessiert. Nach dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums der Sozialpädagogik an der Fachhochschule Regensburg und des Masterstudiums der Personalentwicklung an der TU Kaiserslautern , verwertete er seine beruflichen Erfahrungen mit Migranten und Randgruppen in der Arbeit für berufliche und soziale Integration von Zuwanderern und in Not geratene Familien. Laszlo Böhm lebt und arbeitet heute als freiberuflicher Sozialpädagoge in Regensburg und ist weiterhin in der Reservistenarbeit aktiv.
Leseprobe
Textprobe:Kapitel 3.2.2, Psychoanalytische Deutungen zur Zeit des WK I:Militärische Auseinandersetzungen oder Einsätze im Allgemeinen stellen, wie bereits ausgeführt, eine unheimliche Belastung für Körper und Seele des Soldaten dar, die nicht ohne Folgen bleibt.Die große Bühne der sogenannten Kriegsneurosen war der Erste Weltkrieg und er fiel mit der Pionierzeit der Psychoanalyse zusammen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass die als neurotisch definierten Störungen betroffener Soldaten mit den Mitteln der Psychoanalyse untersucht, gedeutet und therapiert wurden.Während des WK I traten bei Soldaten häufig akute Störungen in Form von Zittern, Schütteln, Lähmungen, Alpträumen, Ticks, Wutanfälle, Tobsucht, Schreckhaftigkeit, Stupor und Übererregtheit auf. Falls die Kriegsverwendbarkeit der Soldaten in den Lazaretten und Spitälern nicht wieder hergestellt werden konnte und sie entlassen werden mussten, brachten sie die Störung in chronifizierter Form mit nach Hause, wo sie in hohem Maße in ihrer zivilen Lebensbewältigung beeinträchtigt waren.Wut und Tobsuchtsanfälle wurden von den Militärpsychiatern häufig wie folgt gedeutet:Der Soldat, eingezwängt in einem Korsett aus Disziplin und Pflichterfüllung geriet mit Vorgesetzten öfters in Konflikt. Die Regung die er dabei verspürte war Aggression und stammte aus dem Es.Das Über Ich der Soldaten war gefüllt mit allerlei militärischen Regeln, Werthaltungen und Kodice und mit diesen kollidiert die aufkeimende Regung gegen den Vorgesetzten, was in der willhelministischen Ära etwas ungeheuerliches darstellte.Die Wut wurde verdrängt um der Angst die diese Regung erzeugte zu entgehen, der Zusammenhang wurde häufig vergessen. Wurden jedoch Patienten mit Gegenständen konfrontiert die als Symbol für Vorgesetzte standen, z.B. Offiziersachselstücke, so fingen sie das Toben an. Dieselben Ursachen und Mechanismen konnten für das Auftreten von Krampfanfällen festgestellt werden. Anstatt Vorgesetze zu schlagen, manifestiert sich die verdrängte Aggression als motorische Umsetzung in Krämpfen und Zittern der Extremitäten.Für schwere Gehstörungen von ehemaligen Frontsoldaten fanden sich interessante Beobachtungen. Manche der betroffenen konnten kaum vorwärts gehen, hatten jedoch keine Probleme mit dem Rückwärtsgehen. Die psychoanalytische Erklärung hierfür lautete, dass das Gehen vorwärts die Richtung zur Frontlinie bedeutete und insofern etwas Gefährliches und Lebensbedrohliches darstellte.Der Selbsterhaltungstrieb des Menschen jedoch drängt ihn in die genau entgegensetzte Richtung. Der Angst ums Überleben kann bewusst durch willentliches Verlassen der Front natürlich nicht nachgegeben werden, dies wäre schlicht Desertion und Verrat an den Kameraden, außerdem der beste Weg um vor ein Erschießungskommando gestellt zu werden. Wer nun nicht gehen kann, entgeht auch der Gefahr an die Front zu müssen, deshalb wird die Vorwärtsbewegung blockiert. Die Bewegung rückwärts, weg von der Gefahr braucht wiederum nicht gestört werden, denn sie entspricht dem natürlichen Drang zur Selbsterhaltung.In diesem Sinne wurde angenommen, dass Gehstörungen psychische Reaktionen auf Traumata sind, sozusagen Sicherunstendenzen um der Wiederholung der lebensgefährlichen und damit dem Es nicht willkommenen, unlustvollen Erlebnissen zu entgehen.Bereits während des WK I ist Psychoanalytikern die Häufigkeit von Übererregtheit, Schreckhaftigkeit und die häufigen Alpträume aufgefallen, genau so wie sie heute Teil der diagnostischen Kriterien für PTSD sind. Ferenczy (1919) führt hierzu aus:Als noch wenig gewürdigte Symptome der traumatischen Neurosen, erwähne ich die Überempfindlichkeit aller Sinne (Lichtscheue, Hyperakusis, ungeheure Kitzlichkeit) und die Angstträume. In diesen Träumen werden die real erlebten Schrecknisse (oder ihnen ähnliche) immer und immer wiedererlebt. Ich folge einem Winke Freuds, wenn ich diese Schreck - und Angstträume, wie auch die Schreckhaftigkeit bei Tage als selbsttätige Heilungsversuche der Kranken auffasse. Sie bringen sich den in seiner Totalität unerträglichen, unfassbaren, daher in Symptome konvertierten Schreck stückweise zur bewussten Abreagierung, und tragen so zur Ausgleichung des gestörten Gleichgewichtes im psychischen Haushalte bei.. Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Tiefenpsychologie bereits früh zu den Erkenntnissen der Ätiologie und Symptomologie von einsatzbedingten psychischen Störungen gelangt ist, die heutzutage die Grundlage der einschlägigen Diagnostik bildet.Sogar die modern anmutende Einstellung, dass nicht die medikamentöse Behandlung mit Psychopharmaka der richtige Weg zur Heilung sei, sondern, dass der Ansatz in den neurotischen Selbstheilungsversuchen der betroffenen Psyche zu suchen sei, hat einen Platz in den damaligen Therapieformen wie z.B. Hypnose und Traumdeutung gefunden.
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