Beschreibung
Gegenstand dieser in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts vehement ausgetragenen öffentlichen Debatte war die von den Materialisten Carl Vogt (in seiner Streitschrift Köhlerglaube und Wissenschaft) und Ludwig Büchner (in seinem Buch Kraft und Stoff ) verfochtene Erhebung der Naturwissenschaften zur einzig rationalen Basis jeglicher Weltanschauung. Auf scharfe Kritik stieß diese mit reformatorischem Eifer betriebene Verklärung bei Friedrich Albert Lange, der in seiner 1866 publizierten monumentalen Geschichte des Materialismus der These entgegentrat, der Materialismus tauge zur Grundlegung einer allgemeinen Weltanschauung und sei nun an die Stelle von Philosophie und Religion getreten. Der Streit wurde nicht entschieden, und viele der damals vorgetragenen Argumente und Fehlurteile wirken bis heute fort.Die heute vorherrschende Meinung, nur die Naturwissenschaften seien in der Lage, uns das richtige Weltbild zu geben, bedarf der Korrektur. Die Beiträge dieser Bände zeigen, dass der Diskurs, in dessen Verlauf den Naturwissenschaften im 19. Jahrhundert diese Rolle zugesprochen wurde, sich nicht auf Erkenntnisse stützen kann - sondern auf Fehleinschätzungen darüber beruht, was Naturwissenschaft leistet.Der Band zum Materialismus-Streit eröffnet eine Reihe von insgesamt drei Bänden, in denen das spannungsreiche und wechselvolle Verhältnis von Philosophie, Naturwissenschaft, Religion und Weltanschauung im 19. Jahrhundert aus interdisziplinärer Perspektive untersucht wird. Die beiden Folgebände thematisieren den Darwinismus- Streit und den Ignorabimus-Streit.Mit den Bänden dieser Reihe wird erstmals eine zusammenhängende Darstellung und Deutung der drei weit über das 19. Jahrhundert hinaus einflußreichen Debatten zum Materialismus, Darwinismus und Ignorabimus vorgelegt; ergänzt werden wird die Reihe durch drei Bände innerhalb der »Philosophischen Bibliothek«, in denen die Originaltexte präsentiert werden, die diese Debatten auslösten.dass die Naturwissenschaften kein eng begrenztes Feld des Wissens darstellen, sondern eine das gesamte materielle wie auch geistige Leben der Gesellschaft durchdringende Macht, bedarf heute kaum noch der Erwähnung. Offensichtlich ist auch, dass diese Durchdringung ein oft schmerzlicher, von heftigen Auseinandersetzungen begleiteter Prozeß war. Obwohl dieser Prozeß bereits früher begann, nahm er im 19. Jahrhundert insofern eine entscheidende Wendung, als sich die Naturwissenschaft hier vehement als 'dritte Kraft' neben ihren beiden wichtigsten weltanschaulichen Konkurrenten (Philosophie und Religion) etablierte - und diese im Bewußtsein vieler Zeitgenossen sogar überflügelte. Gerade darum ist es dringend geboten, die heute vorherrschende Meinung, die Naturwissenschaften seien geeignet, Weltanschauungen zu begründen, kritisch zu reflektieren.
Autorenportrait
Kurt Bayertz ist emeritierter Professor für Praktische Philosophie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Sein Buch »Der aufrechte Gang. Eine Geschichte des anthropologischen Denkens« wurde 2013 mit dem Tractatus-Preis für philosophische Essayistik ausgezeichnet. Im Meiner Verlag gab er u.a. heraus: Der Materialismus-Streit (PhB 618), Der Darwinismus-Streit (PhB 619), Der Ignorabimus-Streit (PhB 620).
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