Vielfalt und Zusammenhalt

Verhandlungen des 36. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bochum und Dortmund 2012, 2 Bde

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593500829
Sprache: Deutsch
Umfang: 1165 S.
Format (T/L/B): 8 x 23.3 x 16.3 cm
Auflage: 1. Auflage 2014
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Die Frage nach dem sozialen Zusammenhalt unter Bedingungen der Vielfalt ist in der Soziologie seit Bestehen des Faches zentral. In einer urbanisierten, modernen Gesellschaft erfordert sie immer neue Antworten. Der 36. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) bot Raum für lebhafte Debatten über die wachsende Vielfalt von Orientierungsangeboten, Selbstund Fremdzuschreibungen, soziale Lagen, Arbeitsweisen und Lebensstilen sowie über Bedingungen und Formen des Zusammenhalts. Die Bände dokumentieren die Kongressbeiträge und bieten damit einen umfassenden Überblick über die Aspekte des Themas sowie den gegenwärtigen wissenschaftlichen Kenntnisstand.

Autorenportrait

Martina Löw ist Professorin für Soziologie an der TU Berlin. Von 2011 bis März 2013 war sie Vorsitzende der DGS.

Leseprobe

Vorwort Martina Löw Mit dem Thema Vielfalt und Zusammenhalt stand ein stets aktuelles und zugleich die Moderne kennzeichnendes Thema im Mittelpunkt des 36. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, der an der Ruhr-Universität Bochum und der Technischen Universität Dortmund durchgeführt wurde. Die beiden vorliegenden Kongressbände und die beiliegende CD-Rom dokumentieren die soziologischen Analysen der Chancen und Herausforderungen, die strukturelle Vielfalt für sozialen Zusammenhalt darstellt. Der Begriff der Vielfalt bezieht sich hierbei auf die wachsende Zahl an Orientierungsangeboten, Selbst- und Fremdzuschreibungen sowie an sozialen Lagen und Lebensstilen. Wie auch ein Gefüge erst dann "Stadt" genannt wird, wenn es auch als vielfältig wahrgenom-men wird, so ist eine arbeitsteilig organisierte, moderne Gesellschaft geradezu zur Vielfalt in Bezug auf Berufe, Wissens- und Lebensformen gezwungen. Gleichzeitig neigen moderne Gesellschaften in hohem Maße zur Homogenisie-rung von Formen und Verfahren. Damit entsteht eine soziale Situation, in der sich die Frage nach dem sozialen Zusammenhalt unter Bedingungen von Viel-falt mit gleichbleibender Dringlichkeit über die Jahrzehnte hinweg stellt und zugleich doch immer neue Antworten in Bezug auf den Zuwachs und die Ni-vellierung von Vielfalt verlangt werden. Viele Differenzierungen überkreuzen und überlagern sich im Alltag. Das Nachdenken darüber, wann Vielfalt sozialen Zusammenhalt fördert und an welchen Umschlagpunkten sie als Bedrohung wahrgenommen wird, stellt Soziologen und Soziologinnen vor immer neue Herausforderungen. Räumlich und zeitlich variabel ist, was als anders wahrgenommen wird und damit über-haupt den Eindruck von Vielfältigkeit erweckt und wann Unterschiedliches doch sehr ähnlich erscheint und damit in Kategorien von Gleichheit be-schrieben wird. Öffentliche Diskussionen werden über Einwanderung, Reli-gionsfreiheit, Bildungswege, Altersdifferenzierung, soziale Lagen, sexuelle Orientierungen etc. geführt. Unter welchen Bedingungen diese Vielfalt der Lebensbedingungen und -wege geradezu zur Voraussetzung für sozialen Zu-sammenhalt wird, dazu liegen neue Forschungsergebnisse vor, die in diesen Bänden dokumentiert werden. In den Blick genommen werden von den Auto-ren und Autorinnen selbstverständlich auch die anderen Bewegungen, die Ero-sionen und Bedrohungen des gemeinsamen Lebens, die Vielfalt als Qualität des Sozialen immer wieder beeinträchtigen: Fremdenfeindlichkeit, Entsolidari-sierung, weiter zunehmende Anonymisierung etc. Auch über theoretische Fas-sungen denken viele Autorinnen und Autoren auf neue Weise nach: Welche Figuren des Ganzen, des Dritten, des Anderen, des Fremden, der Dichte können soziologische Beobachtungen optimal anleiten? Wissenschaftler/-innen aus dem Gastland Türkei bringen neue, inspirie-rende Deutungsangebote und Gesellschaftsdiagnosen ein. Türkische Wissen-schaftler/-innen können besonders erkenntnisfördernde Vergleichsperspektiven eröffnen, weil viele der auf dem Kongress diskutierten Herausforderungen in der Türkei anders als hierzulande kontextualisiert werden und Dimensionen wie Ethnizität, Geschlecht, Alter oder Schicht - zuweilen leicht, manchmal auch deutlich - anders strukturell eingebunden sind. Gleichzeitig ist das Aufzeigen von Parallelen in der Gesellschaftsentwicklung hilfreich, um supranationale Strukturbildungen auch und gerade in Bezug auf Heterogenisierung zu diskutieren. Viele Texte in den Bänden zeichnen sich durch das Bestreben aus, einen methodologischen Nationalismus in der Konzeption des Forschungsgegenstan-des zu überwinden und stärker in weltgesellschaftlichen Verflechtungen zu denken. Dieser Fokus ist gerade für Fragen des Zusammenhalts unter Bedin-gungen vielfältiger Differenzierungen fruchtbar. Der Modus der Abhängigkeit oder - positiv gesprochen - der Verbundenheit prägt grundsätzlich die Verflechtungen zwischen Menschen, zwischen Menschen und Dingen sowie unter Dingen. Kein Ding steht für sich, kein Mensch lebt allein. Diese struktu-relle und affektive Verbundenheit bietet den Ausgangspunkt, um über Quali-täten von Vielfalt und den Zusammenhalt stärkende Möglichkeiten der - stets Differentes verbindenden - Verflechtung nachzudenken. Diese Reflektion ist umso wichtiger als sich nun aufgrund von Globalisie-rung und medialen Umwälzungen vielfältige Verflechtungen noch intensi-vieren. Gegen die Intuition, dass schnelle Transportmittel und neue Medien den Raum unbedeutend werden lassen, können wir einen Prozess der Generierung, Entfaltung und Ausweitung von Räumen feststellen und damit ein Leben in vielfältigen Bezogenheiten. Das heißt, Handeln in Vielfalt ereignet sich nicht nur vor Ort, sondern in unterschiedlichen Reichweiten mit stets vari-ierenden Anforderungen an Akzeptanz von Differenz. Sozial-Sein erklärt sich ganz wesentlich aus Handlungs- und Organisationsformen in unterschiedlichen Scales, die zumeist gleichzeitig aktualisiert werden. Die Welt ist auch deshalb vielfältig erfahrbar, weil neben dem Körperlich-Sichtbaren auch das Medial-Sichtbare immer stärker in Alltagshandlungen einbezogen wird. Viele Autoren und Autorinnen der vorliegenden Bände stellen daher Vielfalt und Zusammenhalt in den Zusammenhang zu Fragen nach global-lokalen Verflechtungen in häuslichen Arrangements, in der Politik, in der Ökonomie, in der Wissenschaft etc. und erkunden die Rolle neuer Medien in diesen Prozessen. Das Gelingen eines solchen Kongresses hängt von der Zusammenarbeit vieler Beteiligter ab. Für die gute Kooperation mit dem Sprecher des lokalen Organisationskomitees Ludger Pries und seinem ganzen Team bedanke ich mich im Namen des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Soziologie herzlich. Das Organisationskomitee setzte sich aus engagierten Kolleg/-innen aus Bochum und Dortmund zusammen, die Mitarbeiter/-innen Stefanie Schmidt und Sven Boden, Nora Jehles und Xymena Wieczorek kümmerten sich mit großem Einsatz um alles Organisatorische. Die reibungslose Koordination zwischen Vorstand und lokalen Organisator/innen ist Sonja Schnitzler als Leiterin der DGS-Geschäftsstelle, hierin tatkräftig unterstützt von Svenja Deutschbein und Havaal Kamo, zu verdanken. Nicht zuletzt ermöglichte die zuverlässige redaktionelle Betreuung von Karin Lange und ihrem Lektor/ -innen-Team das Erscheinen des vorliegenden Verhandlungsbandes. Auch ihnen möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen. Die vorliegenden Bände dokumentieren auf eindrückliche Weise die leb-haften Präsentationen und Diskussionen auf dem Kongress in Bochum und Dortmund. Auch im Namen des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Soziologie wünsche ich den Lesern und Leserinnen viel Freude und zahlreiche Erkenntnisse beim Studium der hier dokumentierten soziologischen Arbeiten zu neuen Herausforderungen und Chancen durch Vielfalt, Zunahme und Nivellierung von Vielfalt, Erosion und Qualitätssteigerung der Vielfalt sowie deren Folgen für sozialen Zusammenhalt. Für den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziologie Martina Löw Berlin, Juli 2014