Dr.Siri und seine Toten

Dr. Siri ermittelt 1 - Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442546428
Sprache: Deutsch
Umfang: 318 S.
Format (T/L/B): 3 x 20.5 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Exotisches Laos, rätselhafte Todesfälle und die originellste Ermittlerfigur des Krimigenres Dr. Siri Paiboun hatte bislang eigentlich nur mit lebenden Patienten zu tun. Doch nun wird er mit seinen 72 Jahren noch zum einzigen Leichenbeschauer von ganz Laos ernannt - als letzter verbliebener Genosse mit medizinischem Hintergrund. Es bleibt ihm keine Wahl, als sich ohne jedes Fachwissen, aber mit der Unterstützung zweier ebenso unqualifizierter Assistenten, an seinem ersten Fall zu versuchen: Frau Nitnoy, die Gemahlin eines Parteibonzen, ist bei einem Essen des Frauenverbands plötzlich verstorben, und Dr. Siri argwöhnt, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zuging. Mit Hilfe eines alten französischen Lehrbuchs, vor allem aber mit viel Witz und Intuition macht er sich daran, die Sache unter die Lupe zu nehmen. Prompt gerät Dr. Siri selbst in Gefahr, doch zum Glück kann er auf zahlreiche Helfer zählen wie seinen alten Freund und Parteigenossen Civilai, die Chemielehrerin Oum und die Sandwichverkäuferin Tante Lah, die Dr. Siri jeden Mittag mit ihren Köstlichkeiten versorgt - und ein Auge auf ihn geworfen hat .

Leseprobe

VIENTIANE, ZWEI WOCHEN SPÄTER Es war eine deprimierende Audienz und beileibe nicht die letzte ihrer Art. Jetzt, wo Haeng, der pickelige Richter, wieder da war, musste Siri jeden Freitag bei ihm zum Rapport antreten und seinen Kotau machen vor einem Mann, der ohne Weiteres sein Enkel hätte sein können. Die Marxisten-Leninisten nannten eine solche Aussprache »Enlastungsschulung«. Aber nachdem er eine geschlagene Stunde vor Richter Haengs verzogenem Sperrholzpult gesessen hatte, drückte ihn seine Last noch schwerer als zuvor. Der frischgebackene Richter machte sich einen Spaß daraus, laienhafte Zweifel an Siris Obduktionsberichten anzumelden und deren Rechtschreibung zu korrigieren. »Und worauf führen Sie den Blutverlust zurück?«, erkundigte sich Richter Haeng. Siri überlegte zum wiederholten Mal, ob es sich um eine Fangfrage handelte. »Nun ja.« Er dachte einen Augenblick nach. »Vielleicht auf das Unvermögen des Körpers, das Blut bei sich zu behalten?« Der kleine Richter machte »Hm« und warf einen neuerlichen Blick in den Bericht. Er war selbst für Sarkasmus zu dumm. »Es könnte natürlich auch damit zu tun haben, dass dem armen Mann die Beine oberhalb der Knie abgeschnitten wurden. Es steht alles im Bericht.« »Das sagen Sie, Genosse Siri. Ich hingegen kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie bei der Auswahl dessen, was Sie Ihren Lesern mitzuteilen gedenken, äußerst selektiv verfahren. Ich würde es begrüßen, wenn Sie künftig etwas mehr ins Detail gehen könnten. Außerdem habe ich, ehrlich gesagt, so meine Zweifel, ob tatsächlich der Blutverlust zum Tod geführt hat und nicht doch »Herzversagen?« »Genau. Als ihm die Beine abgetrennt wurden, war das ohne Frage ein fürchterlicher Schock. Da wäre es doch durchaus möglich, dass er einen Herzanfall erlitten hat. Er war schließlich nicht mehr der Jüngste.« Schon in den drei zuvor besprochenen Fällen hatte der Richter für eine natürliche Todesursache plädiert und versucht, die Fakten entsprechend zu verdrehen, aber dies war sein bislang kreativster Vorschlag. Siri hatte das Gefühl, dass der Richter regelrecht entzückt gewesen wäre, wenn in sämtlichen Obduktionsberichten, die über seinen Schreibtisch wanderten, »Herzversagen« gestanden hätte. Gewiss, das Herz des Fischers hatte aufgehört zu schlagen, aber das war eher das untrügliche Zeichen für seinen Tod als dessen eigentliche Ursache. Die mit einer neuen Panzerung versehene Armeebarkasse war gegen den Betonkai in Tha Deua gekracht. Wegen des zusätzlichen Gewichts hatte sie besonders tief im Wasser gelegen. Zum Glück der Besatzung wurde der Aufprall durch den Fischer abgefangen, der in seinem hölzernen Langboot an der Kaimauer stand und der Barkasse nicht ausweichen konnte. Wie so viele Fischer auf dem Mekong war er Nichtschwimmer. Das vorspringende Stahldeck schnitt ihn entzwei wie eine Sichel einen Reishalm, während die Reling ihn gegen die Mauer presste. Der peinlich berührte Kapitän und seine Crew zogen ihn - oder, besser, seinen Torso - an Deck, wo er in dumpfer Verwirrung liegen blieb, lachend und plappernd, als wüsste er nicht, dass ihm zwei Gliedmaßen fehlten. Das Boot setzte zurück, und die Leute am Ufer sahen, wie die abgetrennten Beine ins Wasser fielen und versanken. Binnen weniger Stunden würden sie vermutlich aufschwemmen und wieder an die Oberfläche treiben. Dennoch standen die Chancen schlecht, dass der Mann zusammen mit seinen Beinen beerdigt werden würde: Er hatte verschiedenfarbige Plastiksandalen getragen. »Wenn Sie als Todesursache prinzipiell ausschließlich Herzversagen gelten lassen, weiß ich nicht, warum wir überhaupt einen Pathologen brauchen, Genosse.« Siri verlor allmählich die Geduld, obwohl er sich gewöhnlich nicht so schnell aus der Ruhe bringen ließ. In seinen zweiundsiebzig Lebensjahren hatte er so viel durchgemacht, dass er inzwischen über die Gelassenheit eines Astronauten verfügte, der ziellos durchs All treibt. Obwohl er dem Buddhismus nur unwesentlich näher stand Leseprobe