Beschreibung
Schmelzende Gletscher, ansteigende Meere und ein dramatischer Erdrutsch haben das Doggerland vor achttausend Jahren verschwinden lassen. Damals verband das schon in der Steinzeit besiedelte Gebiet Großbritannien mit dem Kontinent; es gilt als das 'alte Herz Europas'. Heute ist das mysteriöse Land ein Schlüssel zum Verstehen des Klimawandels für die Wissenschaft - und zugleich den Zugriffen der Offshore-Industrie ausgesetzt. Margaret, Geologin aus Aberdeen, erforscht das Doggerland seit dem Ende der achtziger Jahre. Marc hingegen hat den Fachbereich Geologie an der Universität St. Andrews und seine damalige Freundin Margaret gleichermaßen abrupt verlassen und gegen ein abenteuerliches Leben als Ingenieur auf den Bohrinseln der Welt eingetauscht. Im Dezember 2013 sind beide zu einem Kongress in Dänemark eingeladen. Sie könnten sich dort wiedersehen. Doch am Vorabend ihrer Anreise wird in Großbritannien Warnstufe Rot ausgerufen: Orkan Xaver nähert sich Nordeuropa. Der Roman folgt dem Weg des Sturms und seiner zunehmenden Stärke voller Faszination; Xaver erweckt die Geister des Doggerlandes zum Leben, genauso wie die Erinnerungen der beiden an ihre gemeinsame Zeit, er fördert alte Bruchlinien zutage und wirft die Frage auf, was das Vergangene für die Gegenwart bedeuten kann.
Autorenportrait
Élisabeth Filhol, geboren 1965 in Mende/Lozère, hat Wirtschaftswissenschaften studiert und als Buchprüferin in der Industrie, im Finanzwesen, in der Wirtschaftsanalyse und als Beraterin für Betriebsräte gearbeitet. 2011 erschien ihr Debütroman »Der Reaktor«, in Frankreich erschien 2014 außerdem der Roman »Bois II«. Sie lebt in Angers.
Leseprobe
Sie haben gesehen, wie es geboren wurde, wie es im Meer vor Island aus dem Nichts auftauchte. Sie verfolgten gebannt, wie es sich entfaltete, eingenistet im Inneren eines Tiefdruckgebiets, gezeugt von einem Schwall subtropischer feuchter Luft, der sich an die Grenzen des arktischen Ozeans verirrt hatte, entfaltete. Und nun explodiert es förmlich, eine Bombe. Wie in einem Film, den man im Schnellvorlauf abspielt, da war nichts und nun ist es da. Man spricht es auf Französisch eher wie Xavère aus und weniger wie Xavier, noch ist Xaver keine Katastrophe, noch ist es ein schönes Anschauungsobjekt. Als solches verdient es, auf Initiative der europäischen Meteorologen, mit einem eigenen Taufnamen ausgezeichnet zu werden. Es ist ausreichend unerwartet, unvorhersehbar und spektakulär. Sie haben gesehen, wie es südöstlich vor Grönland erschien, wie es in Rekordzeit dreist seine Hülle durchbrach, vor den Augen der von Tempo und Ausmaß des Phänomens kalt erwischten numerischen Wettervorhersagemodelle. Sie haben gesehen, wie es sich einkringelte, sich einrollte, in der aufsteigenden Bewegung der Konvektion, und wie es im Zeitraffer, aufgeputscht durch einen schwindelerregenden Druckabfall in diesem Gebiet, seinen Durchmesser vergrößerte. Da war nichts und urplötzlich ist es da, von Anfang an ganz es selbst, ein Titan, kaum auf der Welt, schon aktiv und im Vollbesitz seiner Kräfte. Jetzt erwacht es über dem Nordatlantik zum Leben und sprengt sogleich den Bildschirmrahmen, dabei nimmt es ohne weitere Umschweife eine vollendete Form an, wie Athene, die in voller Rüstung dem Schädel ihres Vaters entsprang.
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