Willkommen

Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783944751047
Sprache: Deutsch
Umfang: 176 S.
Format (T/L/B): 2 x 22 x 14.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Die vom sozialen Elend ihrer Familie schwer gebeutelte Yun-yeong wähnt den Traum von bescheidenen, aber gesicherten Verhältnissen schon ganz nah, als sie einen jungen Mann heiratet, der einmal Beamter werden will. Yun-yeong wird bald darauf schwanger und muss sich, da ihr Mann erst noch die Beamtenprüfung abzulegen hat, nach der Geburt ihrer Tochter eine Arbeit suchen, um die Familie über Wasser zu halten. Bald findet sie sich als Bedienung in einem ländlichen Restaurant wieder, dessen Besitzer seinen Gästen in einem Nebengebäude 'private Räume' zur Verfügung stellt. Yun-yeong beißt die Zähne zusammen und will als kärglich entlohnte Kellnerin durchhalten, bis ihr Mann soweit ist. Doch der kommt mit seinen Studien nicht voran, so dass das Provisorium die einzige dürf- tige Einnahmequelle der Familie bleibt. Als ihre in Not geratene Schwester dringend um einen größeren Geldbetrag bittet, beschließt Yun-yeong, es wie andere zu machen, die in Wangs Restaurant bedienen: Sie übernimmt auch Dienst in den 'privaten Räumen'.

Autorenportrait

Yi-seol Kim wurde 1975 in Yesan in Südkorea geboren. Ihr schriftstellerisches Debüt gab sie 2006 mit der Kurzgeschichte '13 Jahre alt', die in einer Seouler Zeitung erschien. Es folgten weitere Veröffentlichungen und Auszeichnungen renommierter Stiftungen, darunter 2012 der Hwang SunWon Preis für Willkommen. Kims Geschichten kreisen um die dunklen Seiten der Gesellschaft und deren Bodensatz: Gescheiterte Menschen. Dabei bedient sie sich einer unaufgeregten, aber schonungslos realitätsnahen Sprache.

Leseprobe

Herr Wang, mein Chef, vergrub seine Nase zwischen meinen Schenkeln und schnüffelte. Draußen krachte in einem fort Schnee von den Bäumen. Wie eine dicke Decke hatte sich der Dauerschnee über die Landschaft gelegt. Der Frühling stand schon vor der Tür, aber nach diesem erneuten Kälteeinbruch wollte es einfach nicht warm werden. Deshalb waren heute auch kaum Gäste da gewesen. Die zwei älteren Mitarbeiterinnen hatte der Chef schon eher nach Hause geschickt, und nun wälzte er sich seit dem frühen Abend auf mir herum. Es hatte nicht den Anschein, als wollte er in nächster Zeit nach Hause gehen. Es roch nach reifem Kimchi, das Serviertischchen vom Abendessen stand noch vor der Tür. Plötzlich hörte man draußen ein Motorrad. 'Papa, komm mal kurz raus!' Es war Tae-min. 'Dieser Nichtsnutz von einem Sohn weiß doch ganz genau, dass ich mich gerade mit einer Frau vergnüge!' Nackt, wie er war, schlüpfte der Chef in die Hose und stürzte aus dem Zimmer. Durch den Spalt der offenen Tür sah ich Tae-min; unsere Blicke trafen sich. Auch ich war nackt, kein Stückchen Stoff bedeckte meine Haut. Die Tür knallte zu. War es windig draußen? Ich suchte nach meinem zerknüllten Slip und zog ihn an. Vor dem dunklen Fenster krachte etwas Weißes zu Boden. Es war eine Ladung Schnee vom Dach. Ich hatte gute Lust, mich damit vollzustopfen, aber würde das meinen Durst stillen? Halbnackt öffnete ich das Fenster. Die Luft war so eisig, dass ich das Gefühl hatte, es zerrisse meine Haut. Mein Körper schien zu gefrieren. Schnell schob ich das Fenster wieder zu. Während er mich nach Hause fuhr, rauchte Herr Wang eine Zigarette nach der anderen. 'Hören Sie auf zu rauchen.' Herr Wang öffnete das Fenster. Das brachte natürlich überhaupt nichts. Der penetrante Geruch blieb. Das ganze Auto stank nach Zigaretten. 'Hattest du nicht eine Tochter?' 'Ja.' 'Sind alle so wie meiner? Leck mich am Arsch.' 'Wieso?' 'Weil der denkt, dass ich das Geld scheiße. Warte nur ab, bis dein Kind in dem Alter ist.' 'Die Kinder können nichts dafür.' Plötzlich hatte ich einen Kloß im Hals. Es war tatsächlich schon drei Monate her, dass ich meine Tochter zum letzten Mal gesehen hatte. Jetzt nach Mitternacht war die Landstraße fast leer. Auf Wiedersehen! Im Licht der Scheinwerfer tauchte für einen Moment das Ortsschild auf, das die Stadt vom Landkreis trennt. Jeden Morgen und Abend überschritt ich diese unsichtbare Grenze, und jedes Mal erinnerte mich das Schild an jenen Morgen, an dem ich zum ersten Mal zur Arbeit in Wangs Restaurant gefahren war.