Naturkatastrophen in der Antike

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783944561011
Sprache: Deutsch
Umfang: 260 S.
Auflage: 1. Auflage 2013
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Format: EPUB
DRM: Adobe DRM

Leseprobe

Hinweis des Verlags: "Naturkatastrophen in der Antike" wurde sorgfältig und professionell gesetzt. Der folgende Datenbanktext erreicht das satztechnische Niveau des E-Books nicht.Katastrophenerlebnisse und KatastrophenreaktionenModerne KatastrophenpsychologieWie verhielten sich die antiken Menschen im Angesicht der Katastrophe? Wie nahmen sie das Geschehen wahr, wie reagierten sie darauf, wie empfanden sie das Geschehen? Verhielten sie sich entsprechend den Reaktionsweisen, die Psychologen bei der Analyse von modernen Naturkatastrophen festgestellt haben? Die moderne Psychologie unterscheidet im Rahmen der Katastrophenforschung zwischen individuellen und kollektiven Reaktionsformen. So haben F. Strian und D. Ploog in einer Publikation aus dem Jahr 1986 in Bezug auf die individuelle Seite hervorgehoben: 'Ein plötzlich hereinbrechendes lebensbedrohliches Ereignis löst normalerweise Angst aus. Diese Angst ist durch die bewusste Wahrnehmung des Bedrohungsereignisses, vor allem durch die körperlichen Angstkomponenten, gekennzeichnet. Im Angstverhalten können dabei psychomotorische Erregung, Schreien, Weinen, Gestikulieren und ziellose Bewegungsunruhe oder psychomotorische Hemmung, Reaktionsunfähigkeit, Erstarren und Ohnmacht vorherrschen. Diese vom biologischen Alarmsystem geprägten Sofortreaktionen werden normalerweise rasch von besonnenem und auf Bewältigung gerichteten Handeln abgelöst. Situationsanalyse und Bewältigungsstrategie gewinnen dann zunehmend Kontrolle über die physiologischen Spontanreaktionen.' In Bezug auf die kollektiven Reaktionsformen konstatieren die beiden Forscher: 'Die Massenpanik stellt gewissermaßen die Kollektivform der individuellen Panik dar, in der die atavistischen biologischen Alarmreaktionen außerhalb der intellektuellen Kontrolle geraten. Die von Panik ergriffene Menschenmenge handelt nach einem spontanen, zufällig aufgetretenen und situationsblinden emotionalen Leitmotiv, dessen Auswirkungen sich zumeist nicht mehr kontrollieren lassen.'Eine ignorierte KatastropheWenigstens zwei Beispiele lassen sich aus der Antike anführen, bei denen in ganz bemerkenswerter Weise die 'bewusste Wahrnehmung des Bedrohungsereignisses' definitiv nicht stattgefunden hat, zum einen in einem individuellen, zum anderen in einem kollektiven Fall. Im Jahr 64 n.Chr. trat der römische Kaiser Nero im Theater von Neapel auf, um dort seine freilich nicht von allen uneingeschränkt goutierten Gesangskünste zum Besten zu geben. Nach der Aussage des Kaiser-Biografen Sueton ereignete sich während der Vorstellung plötzlich ein Erdbeben, das die Mauern des Theaters erzittern ließ. Nero aber ließ sich nicht aus der Fassung bringen, sondern brachte das begonnene Stück ruhig zu Ende. Der Historiker Tacitus schildert den Fall etwas anders: 'Als alle Zuschauer weggegangen waren, stürzte das Theater in sich zusammen, ohne einen Menschen zu verletzen.' Diese beiden Nachrichten lassen sich vielleicht am besten so kombinieren, dass während Neros Auftritt die Erde zu beben begann, dieser Wert darauf legte, sein gerade angefangenes Stück zu beenden, danach die wahrscheinlich weniger gefassten Zuschauer in aller Eile das Theater verließen und dieses, durch das Erdbeben in seiner Stabilität bereits stark beeinträchtigt und durch den raschen Abgang der Zuschauer noch weiter strapaziert, schließlich einstürzte. Nero hingegen hatte das Bedrohungsereignis offenbar nicht bewusst wahrgenommen, er hat es ignoriert bzw. verdrängt sei es, dass er, wie von Sueton suggeriert, so von seiner Kunst besessen gewesen ist, dass er alles andere um sich herum vergaß, sei es, dass er, was wahrscheinlicher ist, in Sachen Prestige einige Pluspunkte sammeln wollte als ein Herrscher, dem auch ein Naturphänomen wie ein Erdbeben nichts anhaben kann. Eine vielleicht auf dieses Ereignis zu beziehende Wandinschrift aus Pompeji, die von dem Glück des Kaisers bei einem Erdbeben spricht, legt nahe, dass die standhafte Haltung des Kaisers von der Bevölkerung entsprechend honoriert worden ist.Eine nicht bemerkte KatastropheEin Fall von kollektiver Katastrophen-Negierung ist aus der Zeit der römischen Republik bekannt. Im Jahr 217 v.Chr. lieferten sich die Römer im Zweiten Punischen Krieg eine erbitterte militärische Auseinandersetzung mit Hannibals karthagischem Invasionsheer am Trasimenischen See in Etrurien, welche die Karthager schließlich für sich entschieden. Mitten in der Schlacht begann die Erde heftig zu beben. Nach Cicero, der sich dabei auf den zeitnächsten Autor, den römischen Annalisten Coelius Antipater (2. Jahrhundert v.Chr.) beruft, war dies Teil eines Katastrophenszenarios großen Ausmaßes: 'Während die unheilvolle Schlacht tobte, zeigten sich in Ligurien, Gallien, auf vielen Inseln und in ganz Italien so starke Erdbeben, dass eine große Zahl von Städten zerstört wurde, an vielen Orten Erdrutsche entstanden, die Flüsse in entgegengesetzter Richtung strömten und das Meer in die Flüsse eindrang.' Mag bei dieser Globalisierung und Intensivierung des katastrophalen Geschehens von 217 v.Chr. die für die Antike durchaus nicht untypische Verfahrensweise eine Rolle gespielt haben, Kriege unter den Menschen von ungewöhnlichen Turbulenzen der Elemente begleiten zu lassen (der Naturforscher Plinius teilt mit, dass im Jahr 217 v.Chr. 57 Erdbeben nach Rom gemeldet wurden), so muss die Authentizität dieses Erdbebens in Norditalien grundsätzlich nicht bezweifelt werden. Einhellig berichten nun diverse antike Autoren, dass die Kämpfenden selbst das Unglück überhaupt nicht bemerkten. Bei dem römischen Historiker Livius heißt es: 'Die Soldaten waren so erbittert aneinandergeraten, alle Aufmerksamkeit galt so sehr dem Kampf, dass keiner jenes Erdbeben spürte, das große Teile vieler Städte Italiens zerstörte, reißende Ströme aus ihrem Lauf lenkte, das Meer in die Flüsse drängte und Berge durch ungeheuren Rutsch abtrug.' Der römische Autor Florus mutmaßt in einem sehr originellen Beitrag zur antiken Diskussion der Frage, wie Erdbeben und andere Naturkatastrophen entstehen könnten, dass das Erdbeben von 217 v.Chr. das direkte Produkt des überaus verbissen geführten Kampfes und der heftigen Bewegungen von Soldaten und Pferden gewesen sei. Das Motiv der nicht registrierten Katastrophe am Trasimenischen See wird von drei weiteren antiken Autoren in ähnlicher Weise thematisiert. Der griechische Biograf Plutarch führt, indem er die bereits bekannten Katastrophenelemente aufgreift, aus: 'Zur selben Zeit, da die Schlacht tobte und die Heere miteinander rangen, erschütterte ein Erdbeben das Land, unter dessen Gewalt Städte einstürzten, Flüsse aus ihren Betten traten und Berghänge auseinanderklafften. Aber so furchtbar die Katastrophe war, von den Kämpfenden bemerkte keiner auch nur das Geringste davon.' Der griechische Historiker Cassius Dio suchte im 3. Jahrhundert n.Chr. nach einer Erklärung für die Ignoranz der Kämpfenden und fand sie in dem Kampflärm, der Aufregung der Beteiligten und der allgemeinen Verwirrung. In der Spätantike war die Erzählung von dem nicht bemerkten Erdbeben in der Schlacht am Trasimenischen See geradezu klassisch geworden, wie der christliche Autor Orosius (5. Jahrhundert n.Chr.) bei einer Retrospektive auf dieses Ereignis bezeugt: 'Die Schlacht am Trasimenischen See erlangte Berühmtheit durch die schlimme Niederlage der Römer, aber auch dadurch, dass mit einer solchen Heftigkeit gekämpft wurde, dass die Soldaten ein äußerst starkes Erdbeben überhaupt nicht bemerkten, das zur selben Zeit stattfand. Seine Gewalt war so groß, dass es Städte zerstört, Berge verschoben, Felsen gespalten und Flüsse gezwungen haben soll, in die falsche Richtung zu fließen.'Keine Lust mehr auf KatastrophenLiefert Nero 64 n.Chr. das Beispiel einer wohl bewusst ignorierten bzw. verdrängten und die Schlacht am Trasimenischen See 217 v.Chr. das Beispiel einer effektiv nicht registrierten akuten Naturkatastrophe, so kann als ein weiterer, das Bedrohungsereignis relativierender Fall das Verhalten der Bewohner der Stadt Rom im März des Jahres 193 v.Chr. herangezogen werden, welches, als eine spezielle Form der Katastrophenwahrnehmung, das Phänomen des Überdrusses an Katastrophen beleuchtet. Freilich handelt es sich dabei um Überdruss an räumlich fernen Katastrophen, die die Stadt Rom nicht direkt tangierten, sondern die sich in Italien oder in anderen Teilen des römischen Herrschaftsgebietes ereigneten und die, wie es Usus war, von dort in die Hauptstadt gemeldet wurden. 193 v.Chr. muss es eine wahre Inflation von Katastrophenmeldungen gegeben haben, wie der Historiker Livius mitteilt: 'Am Anfang des Jahres, in dem L. Cornelius und Q. Minucius Konsuln waren, wurden so zahlreiche Erdbeben gemeldet, dass die Menschen nicht nur der Sache selbst überdrüssig wurden, sondern auch der Feiertage, die deswegen angesetzt wurden. Denn es konnten weder Senatssitzungen stattfinden noch die Staatsgeschäfte wahrgenommen werden, weil die Konsuln durch Opfer und Sühnemaßnahmen in Anspruch genommen waren.' Was die Römer also störte, waren vor allem die religiösen Prozeduren, die man in Gang zu setzen hatte, wenn Erdbeben oder andere Naturkatastrophen gemeldet wurden und bei denen man staatlicherseits verpflichtet war, die Götter durch entsprechende kollektive Handlungen wieder zu besänftigen. Livius spricht hier nur von dem Überdruss der Führungsgruppen gewiss aber litten auch die anderen Menschen unter den vielen Feiertagen, an denen man nicht auf den Markt gehen konnte und die Gerichte und andere öffentliche Instanzen geschlossen waren. Da man aber nicht wagte, auf die vorgeschriebenen, althergebrachten religiösen Praktiken zu verzichten, schaute man in den Sibyllinischen Büchern nach. Das waren die Weissagungen der Prophetin Sibylle, die man immer in Notzeiten zu konsultieren pflegte. Hier erhielt man die Anweisung, die Erdbebeninflation durch eine großangelegte einmalige Sühneaktion zu stoppen. Es wurde ein dreitägiger Bittgang in der Stadt Rom in Szene gesetzt, man flehte bekränzt in den Tempeln zu den Göttern, und die Obrigkeit ordnete an, dass in allen Familien gleichzeitig zu den Göttern gebetet werden sollte. Weiterhin verfügten die Konsuln im Auftrag des Senats, dass an einem Tag, der aufgrund der Meldung eines Erdbebens als Feiertag angesetzt sei, keiner ein anderes Erdbeben melden dürfe. Letzteres war anscheinend häufiger vorgekommen, wenn eine solche Anordnung notwendig erschien. Die Feiertage zur Sühnung eines Erdbebens wurden nun zu Tabuzonen im Hinblick auf die Meldung von weiteren Erdbeben erklärt. Aus pragmatischen Erwägungen heraus nahmen die Römer in dieser Zeit also gewisse Erdbeben überhaupt nicht mehr wahr, um den Ablauf des politischen und wirtschaftlichen Lebens nicht zu gefährden. Man darf im Übrigen angesichts der exorbitant hohen Zahl von Sühneprozeduren vermuten, dass manche der nach Rom gemeldeten Erdbeben entweder wenig gefährlich gewesen sind oder gar völlig erfunden worden waren immerhin war dies für manche Städte eine gute Gelegenheit, sich bei den Führenden in der Hauptstadt Rom in Erinnerung zu rufen und zum Objekt sakraler Handlungen zu werden. Ob die tatsächliche oder auch nur inszenierte Erdbebenfrequenz durch die Maßnahmen von 193 v.Chr. tatsächlich nachgelassen hat, lässt sich nicht überprüfen. Immerhin aber berichtet Livius für das darauffolgende Jahr 192 v.Chr. von einem Erdbeben, das direkt in Rom stattfand und demzufolge von den Stadtrömern auch emotional und psychisch intensiver wahrgenommen wurde als Erdbeben außerhalb. 38 Tage lang soll die Erde gebebt haben, wieder ruhten die Geschäfte, und es herrschten, wie Livius sagt, Unruhe und Furcht in der Bevölkerung. Wie bei den auswärtigen Beben griff man in Rom schließlich zu dem Mittel eines dreitägigen kollektiven Bittganges.Furcht, Schrecken und Panik als Reaktionen auf KatastrophenVerdrängung, Ignoranz oder Überdruss waren nun freilich nicht die alleinigen Formen, mit denen man in der Antike Naturkatastrophen begegnete. In gewisser Hinsicht stellen die drei vorgeführten Beispiele auch jeweils wohlbegründete Ausnahmefälle dar. Zahlreich sind die Belege, die verdeutlichen, dass Naturkatastrophen den Menschen sowohl individuell als auch kollektiv Furcht und Schrecken bereiteten, und manche der modernen psychischen Begleiterscheinungen bei Naturkatastrophen lassen sich auch für die Antike nachweisen. Aufschlussreich und gewissermaßen repräsentativ sind die bereits zitierten Angaben, die Plinius der Jüngere im Zusammenhang mit dem Vesuvausbruch von 79 n.Chr. macht. Die Bewohner von Misenum geraten in eine Art Panik, Plinius befürchtet, von der Masse der Fliehenden mitgerissen und zertrampelt zu werden. Man ruft verzweifelt nach den Angehörigen. Einige jammern, andere beten, manche wollen sterben, wieder andere glauben das Ende der Welt gekommen. Manche delektieren sich daran, die ohnehin verängstigten Menschen mit fiktiven Schreckensnachrichten noch mehr zu beunruhigen. Dass in dieser Situation, wie Plinius berichtet, manche Leute Witze machten, ähnelt modernen, scheinbar absurden Verhaltensweisen, die freilich spezifische Formen der Katastrophenreflexion bilden, wie sie D. Guggenbühl in einer psychologischen Untersuchung zitiert: 'In Valparaiso erregte ein deutscher Kaufmann (allgemeines Aufsehen), der, nachdem er Familie und Hab und Gut beim Erdbeben verloren hatte und selbst kaum dem Tode entronnen war, ganz vergnügt im Automobil herumfuhr, verwirrt sprach und lachte und von dem Geschehenen nichts zu wissen schien. In Messina sah man am Morgen nach dem Erdbeben eine bekannte deutsche Persönlichkeit im Nachthemd in aller Ruhe mit einer Spritzkanne den Garten seines halbzerstörten Hauses begießen.'Aus den antiken Quellen, die auf Naturkatastrophen eingehen, ragen neben dem Bericht des Plinius über den Ausbruch des Vesuv 79 n.Chr. zwei Darstellungen heraus, die in ungewöhnlich detaillierter Form die physischen und psychischen Wirkungen der Katastrophe auf die direkt betroffenen Menschen beschreiben. Es handelt sich dabei um die Schilderung des Erdbebens von 115 n.Chr. im syrischen Antiochia bei dem griechischen Historiker Cassius Dio (in der Version des byzantinischen Epitomators Xiphilinos) und um die Darstellung eines Erdbebens im kleinasiatischen Nikomedia vom Jahr358 n.Chr. bei dem Historiker Ammianus Marcellinus.Antiochia 115 n.Chr.115 n.Chr. war der römische Kaiser Traian (98 bis 117 n.Chr.) auf dem Weg nach Osten zu einem Feldzug gegen die Parther. In der seismisch gefährdeten Stadt Antiochia am Orontes machte er zusammen mit seiner Familie Station, um von hier aus die militärischen Unternehmungen zu koordinieren. Da brach am Morgen des 13. Dezember ein fürchterliches Erdbeben aus, das Cassius Dio wie folgt beschreibt: 'Zunächst erdröhnte ganz überraschend ein furchtbares Brüllen, dem ein entsetzliches Beben folgte. Die ganze Erde wurde in die Höhe gehoben, auch die Gebäude sprangen empor. Einige von ihnen wurden nur nach oben gerissen, um dann zusammenzustürzen und in Trümmer zu fallen, während andere, wie in einem Wellengang hin und her geschüttelt, umstürzten und mit ihrem Schutt weithin auch unbebaute Flächen überdeckten. Das Krachen der splitternden und brechenden Holzbalken zusammen mit Ziegeln und Steinen war zutiefst Schrecken erregend. Auch Staub wirbelte in riesigen Wolken auf, sodass niemand mehr etwas sehen oder sagen oder verstehen konnte.'Nach der Beschreibung der Gebäudeschäden, die für antike Darstellungen von Naturkatastrophen einigermaßen typisch ist, geht Cassius Dio eher untypisch genau auf die Leiden der Menschen ein: 'Was nun die Menschen betraf, so gerieten viele auch außerhalb ihrer Häuser in harte Bedrängnis. Sie wurden nämlich gewaltsam in die Höhe gerissen und empor geworfen und dann, wie von einer Klippe aus stürzend, auf die Erde geschmettert, wodurch sie teils Verstümmelungen davontrugen, teils ums Leben kamen. Sogar einige Bäume sprangen mitsamt ihren Wurzeln in die Luft. Von den Leuten aber, die in ihren Häusern geblieben waren, starben so viele, dass man ihre Zahl nicht feststellen konnte. Denn sehr viele tötete an sich schon die Wucht der zusammenstürzenden Trümmer, und eine große Menge erstickte im Schutt. Wer aber nur mit einem Teil des Körpers eingeklemmt unter Steinen und Holzbalken lag, hatte grässlich zu leiden, konnte er doch weder länger leben noch auf der Stelle sterben. Trotzdem wurden, wie bei einer derart riesigen Menge zu erwarten, sogar noch viele von ihnen gerettet, kamen jedoch insgesamt nicht ohne Schaden davon. Zahlreiche Menschen büßten Beine und Arme ein, andere erlitten Schädelbrüche, andere wieder erbrachen Blut. Einer von ihnen war auch der Konsul Pedo, der sofort verstarb. Kurz gesagt, es gab damals keine Art von Verletzung, die jenen Menschen erspart blieb. Und da der Himmel viele Tage und Nächte hindurch die Erde erbeben ließ, befanden sich die Leute in schlimmer, hoffnungsloser Lage. Die einen lagen begraben unter den eingestürzten Gebäuden und fanden so den Tod, andere mussten an Hunger sterben, sofern sie sich nicht zufällig in einem Hohlraum, der durch schräg geneigte Balken entstanden war, oder auch in einer gewölbten Säulenhalle befanden und dort am Leben geblieben waren.'Als das Beben endlich nachließ, fanden manche weitere Tragödien statt, doch es gab auch Glücksfälle: So 'bemerkte einer, der seine Füße auf die Ruinen zu setzen wagte, eine noch lebende Frau. Sie war nicht allein, sondern hatte auch noch einen Säugling bei sich, und indem sie sich selbst und das Kind mit ihrer Milch ernährte, war sie über die Katastrophe hinweggekommen. Die Leute gruben nun die Frau aus und brachten sie zusammen mit dem Kind wieder zu Kräften. Daraufhin untersuchten sie auch die anderen Schutthaufen, doch konnten sie niemanden mehr am Leben finden, außer einem Kind, das an der Brust der toten Mutter noch zu trinken versuchte. Wie sie nun die Leichen herausholten, vermochten sie selbst nicht mehr länger ihrer eigenen Rettung froh zu werden. So groß waren die Schicksalsschläge, die damals Antiochia getroffen hatten.'Glück hatten der Kaiser Traian und seine Familie: Der Kaiser konnte sich durch einen Sprung aus dem Fenster retten und kam mit leichten Verletzungen davon. Im Hippodrom der Stadt wartete er das Ende des Bebens und der Nachbeben ab.Eine historische Auswertung dieser Schilderung hat verschiedene Aspekte zu beachten: Wie authentisch ist der Bericht, und wie erklärt sich die für die antike Literatur ungewöhnliche Ausführlichkeit und Plastizität bei der Darstellung der Auswirkungen der Katastrophe auf die betroffenen Menschen?Grundsätzlich wird man annehmen dürfen, dass Cassius Dio die Vorgänge in etwa so beschrieben hat, wie sie sich tatsächlich abgespielt haben wie das Beispiel des Johannes Malalas zeigt, standen über die Lokalgeschichte von Antiochia genügend Chroniken zur Verfügung, in denen auch die zahlreichen Erdbeben beschrieben worden sind. Von Malalas selbst ist eine kurze Notiz über das Beben von 115 erhalten. Tatsächlich vermeidet Dio hier auch die sonst bei ähnlichen Beschreibungen antiker Autoren üblichen, meist wenig aussagekräftigen Versatzstücke von den Leiden der Menschen er ist in auffälliger Weise konkret und genau. So darf man also annehmen, dass die Menschen das Erdbeben und seine Auswirkungen in der beschriebenen Grausamkeit empfanden und wahrnahmen, dass allgemeine Verzweiflung und Ratlosigkeit herrschten, zugleich aber auch umfangreiche, riskante Rettungsarbeiten von den Überlebenden gestartet wurden, die wenigstens einigen der Verschütteten das Leben retteten.Warum aber die Genauigkeit? Giusto Traina, der sich um die Erforschung von antiken Naturkatastrophen in einem mentalitätsgeschichtlichen Kontext wesentliche Verdienste erworben hat, vermutet hier Spuren eines neuen, sich in der späteren römischen Kaiserzeit entwickelnden Realismus, der sich mehr als zuvor um die physische Realität der Umwelt kümmert, was auch einen neuen Realitätsbezug in der Beschreibung natürlicher Phänomene und so denn auch in der Beschreibung von Naturkatastrophen bewirkt habe. Gerhard Waldherr hat die Vermutung geäußert, dass der byzantinische Dio-Epitomator Xiphilinos im 11. Jahrhundert hier stärker in den Dio-Text eingegriffen hat und die realistischen Leidenspassagen im Bericht über das Beben von 115 eher auf dessen Konto gehen in diesem Fall wären spätere Erfahrungen und Eindrücke in die römische Kaiserzeit zurückprojiziert worden. Im Vergleich mit diesen grundsätzlich bedenkenswerten Überlegungen aber ist es wohl am wahrscheinlichsten, dass die Präsenz des Kaisers Traian während der Katastrophe den eigentlichen Anstoß dazu gegeben hat, die Dinge in dieser Ausführlichkeit zu präsentieren. Die Größe des Unglücks, das Ausmaß der materiellen Schäden, die Leiden der Opfer stehen in einem bemerkenswerten Kontrast zur Rettung des Kaisers, die laut Cassius Dio bezeichnenderweise durch die freundliche Unterstützung eines 'Wesens, größer als Menschenmaß', also doch wohl durch eine göttliche Macht, realisiert wurde. Möglicherweise war es, wenn man noch eine weitere Hypothese vorbringen soll, der Kaiser selbst, der in propagandistischer Absicht seine Rettung aus dem Inferno von Antiochia publik machen ließ. Da war es eben günstig, das Katastrophenszenario möglichst drastisch zu gestalten ohne dass es dabei unbedingt etwas von seinem Realitätsgehalt eingebüßt haben muss.Nikomedia 358 n.Chr.Nikomedia, die Hauptstadt der römischen Provinz Bithynien, an der Nordküste Kleinasiens gelegen, wurde in den Morgenstunden des 24. August 358 n.Chr. von einem schweren Erdbeben getroffen auf den Tag genau 279 Jahre nach dem Ausbruch des Vesuv, dem Pompeji und Herculaneum zum Opfer gefallen waren. Wie viele andere Städte in Kleinasien, so war auch Nikomedia potenziell immer erdbebengefährdet und hatte in seiner Geschichte schon viele Erdbeben erlebt. Über die Katastrophe von 358 hat Ammianus Marcellinus eine Schilderung geliefert, die in ihrer Ausführlichkeit und Genauigkeit dem Antiochia-Bericht des Cassius Dio an die Seite zu stellen ist, diesen sogar in der Schonungslosigkeit noch übertrifft, in der er die Szenen, die sich während und nach der Katastrophe abspielten, beschreibt.Vere breviterque verspricht Ammianus über die Naturkatastrophe zu erzählen wahrheitsgemäß und in Kürze. Formal gleicht seine Darstellung der Vorgehensweise von Cassius Dio erst wird das Wüten der Naturelemente beschrieben, dann werden die Gebäudeschäden angesprochen, und schließlich der ausführlichste Teil des Ganzen die Leiden der Menschen und das Schicksal der Opfer der Katastrophe dargelegt.'Am 24. August, beim ersten Morgengrauen', so beginnt Ammianus seine Darstellung, 'verdüsterten dichte Haufen dunkler Wolken den Himmel, der noch kurz zuvor ein heiteres Aussehen gehabt hatte. Der Glanz der Sonne trübte sich, und selbst die Nachbarschaft oder das Nächstliegende war nicht mehr zu unterscheiden. So wurde die Sehfähigkeit der Augen vermindert, und dicker, schmutziger Dunst wälzte sich herbei und legte sich über die Erde. Dann, als ob die höchste Gottheit ihre schicksalhaften Donnerkeile schleuderte und die Winde von den Wendepunkten der Welt selbst erregte, stürzte sich die Gewalt rasender Stürme auf die Erde. Durch ihren Anprall wurde ein Dröhnen der getroffenen Berge und ein Krachen des zerschmetterten Gestades vernehmbar. Darauf folgten bei furchtbarem Beben der Erde Wirbelwinde und Blitze und zerstörten die Städte und Vorstädte von Grund auf. Die meisten Gebäude stürzten die Abhänge und Hügel hinunter und fielen übereinander. Alles hallte von dem gewaltigen Dröhnen ihres Einsturzes wider.'Nur kurz hält sich Ammianus bei der Beschreibung der Gebäudeschäden auf, um dann ausführlich auf die Leiden der Menschen einzugehen: 'Dazwischen ertönten bis zu den höchsten Punkten die vielfältigen Schreie von Menschen, die ihre Frauen und Kinder oder sonst irgendwelche Verwandten suchten. Endlich nach der zweiten Stunde, noch vor dem Ende der dritten, ließ die wieder klare und heitere Luft die so lange verborgenen Leichenhaufen erkennen. Manche Menschen waren nämlich, durch die übergroße Gewalt des niederstürzenden Schutts erdrückt, unter dessen Gewicht ums Leben gekommen. Andere waren bis zum Hals von den Massen verschüttet und starben, weil ihnen niemand Hilfe brachte. Und doch hätten sie mit dem Leben davonkommen können, wenn ihnen jemand geholfen hätte. Wieder andere hingen aufgespießt an den Enden hervorragender Balken. Mehrere Personen, die von einem Schlag getroffen worden waren, kurz zuvor noch einzelne menschliche Wesen, sah man jetzt als einen unentwirrbaren Leichenhaufen. Die eingestürzten Häusermassen schlossen in ihrem Innern viele unversehrt ein, und diesen brachten Angst und Hunger den Tod.'So, wie Cassius Dio auf das Einzelschicksal des römischen Konsuls Pedo in Antiochia aufmerksam gemacht hatte, erwähnt auch Ammianus das Los einer prominenten Persönlichkeit in Nikomedia: 'Darunter befand sich Aristaenetus, der Statthalter der erst kürzlich geschaffenen Diözese, die (der Kaiser) Constantius zu Ehren seiner Gattin Eusebia Pietas genannt hatte. Durch diesen Unglücksfall hauchte er nach langen Qualen seine Seele aus. Andere wurden von der plötzlichen Gewalt eines Einsturzes überrascht und liegen noch heute unter denselben Trümmern begraben. Manchen wurde der Kopf zerquetscht oder die Arme oder Beine abgerissen. Zwischen Leben und Tod schwebend, flehten sie andere um Hilfe an, obwohl diese in derselben Lage waren, und blieben trotz aller Beschwörungen ohne Hilfe. Die meisten sakralen und privaten Gebäude und die Mehrzahl der Menschen hätten das Unglück überstehen können, wenn sich nicht eine plötzliche Feuersbrunst ausgebreitet und fünf Tage und Nächte hindurch alles vernichtet hätte, was den Flammen Nahrung bieten konnte.'Auch hier stellt sich die Frage, was Ammianus dazu veranlasst haben mag, so ausführlich über ein Erdbeben und dessen Konsequenzen für die Menschen zu schreiben. Vielleicht ist hier, wie bei der 'kosmischen Katastrophe' des Jahres 365, der politische Kontext mit einzubeziehen, indem dem Erdbeben wiederum eine Zeichen-Bedeutung zukommt und auf den Kaiser Constantius zielt, den Rivalen des von Ammianus favorisierten Iulian Apostata. Möglicherweise besteht aber auch ein Zusammenhang mit dem sich an die Schilderung der Vorgänge in Nikomedia anschließenden Exkurs über antike Theorien zur Entstehung von Erdbeben. Die Katastrophe von Nikomedia würde in diesem Fall eine äußerst plastische Folie für die theoretischen Ausführungen darstellen. Auf jeden Fall ist der Realitätsgehalt der Darstellung Ammians hoch zu veranschlagen, und sie liefert wertvolle Informationen über die unmittelbare Wahrnehmung und Rezeption von Erdbeben in der Antike: die Schreie derjenigen, die nach ihren Familien suchen; das Flehen um Hilfe bei den Opfern; die Unfähigkeit oder Unmöglichkeit zu helfen; Angst und Hunger als Todesursache bei den Menschen, die unter den Ruinen begraben lagen.Neben diesen herausragenden Fällen von Katastrophenwahrnehmung und Katastrophenerlebnis finden sich in der antiken Literatur breit gestreut weitere Nachrichten, zwar nicht in derselben Ausführlichkeit, jedoch für das Phänomen der Wahrnehmung des Bedrohungsereignisses an sich ebenfalls sehr instruktiv.Das kampanische Erdbeben von 62 n.Chr.Im Februar des Jahres 62 n.Chr., 17 Jahre vor dem verheerenden Ausbruch des Vesuv, wurde die Region um den Golf von Neapel von einem starken Erdbeben getroffen. Der Philosoph und Naturwissenschaftler Seneca (4 v.Chr.-65 n.Chr.) hat dazu, noch unter dem Eindruck des Geschehens, einige wesentliche Informationen geliefert. Sie finden sich in der Abhandlung mit dem Titel Naturales Quaestiones ('Naturwissenschaftliche Untersuchungen') und bilden das 6. Buch mit dem Untertitel De terrae motu ('Über Erdbeben'). Die Menschen wurden, so sagt Seneca hier, von dem Erdbeben überrascht, weil man seit Generationen der Auffassung war, dass sich im Winter keine Erdbeben ereignen würden. Zwar war man in der Landschaft Kampanien grundsätzlich an solche Vorkommnisse gewöhnt, 'aber bisher erlitt sie nie großen Schaden und ist immer mit dem Schrecken davongekommen.' Diesmal aber richtete das Beben große Verwüstungen an, vor allem in Pompeji, in Herculaneum, auf den Landgütern, weniger in Neapel, wo allerdings mancher private Besitz zerstört wurde. Nach der Katastrophe 'irrten Leute verstörten Sinnes umher, die vollkommen aus dem Gleichgewicht geraten waren' eine Beobachtung, die mit den Ausführungen des Plinius nach dem Vesuvausbruch 17 Jahre später korrespondiert. In solchen Situationen leiden die Menschen, so führt Seneca weiter aus, Todesängste, und 'die Bestürzung ist allgemein, wenn die Häuser krachen und der Einsturz sich damit ankündigt. Da rennt jeder Hals über Kopf weg, lässt seine Hausgötter zurück und sucht sein Heil im Freien.' Die Flucht ins Freie wird auch von Tacitus als ein übliches Verhaltensmuster bei Naturkatastrophen genannt, wenn er sie im Zusammenhang mit einem großen Erdbeben, dem sogenannten 12-Städte-Beben, in Kleinasien im Jahr 17 n.Chr., 'als das bei solchen Unglücksfällen gewöhnliche Rettungsmittel' bezeichnet. 17 n.Chr. versagte dieser Ausweg, weil die Bewohner von klaffenden Erdrissen verschlungen wurden. Das Unglück wurde als noch unheilvoller und überraschender empfunden, weil es zur Nachtzeit eintrat ein Umstand, der auch beim Untergang von Helike 373 v.Chr. von antiken Autoren notiert worden war.Nach Seneca bewirken Erdbeben beim Menschen ein Höchstmaß an Konfusion und ein extremes Maß an Unsicherheit: 'Nach welchem Zufluchtsort sollen wir uns umsehen, nach welcher Hilfe, wenn der Erdkreis selbst mit Einsturz droht, wenn der Boden, der uns schützt und trägt, worauf unsere Städte gebaut wurden und der wohl die Grundlage des Kosmos genannt wird, sich spaltet und bebt? Wo wirst du Trost finden, wenn die Todesangst keinen Fluchtweg mehr hat?' Erdbeben erscheinen hier, wo Seneca die Befürchtungen der Menschen referiert, als das höchste Übel überhaupt: 'Eine Katastrophe wie diese greift weit um sich, ist unentrinnbar, unersättlich, sie ist ein nationales Unglück. Sie beschränkt sich nicht auf die Vernichtung von irgendeinem Haus oder einer einzelnen Familie oder irgendeiner Stadt. Nein, sie verschlingt ganze Landstriche mit der gesamten Einwohnerschaft und begräbt sie unter Schutt oder versenkt sie in einen tiefen Abgrund. Sie lässt selbst keine Spuren zurück, denen man entnehmen kann, dass dasjenige, was es nicht mehr gibt, früher dagewesen ist. Über die berühmtesten Städte erstreckt sich wieder, ohne die geringste Spur der früheren Lage, jungfräulicher Boden' Letzteres eine geradezu prophetische Aussage, bedenkt man das Schicksal, das 17 Jahre später Pompeji ereilte.Seneca spricht ferner von Leuten, die nach dem Erdbeben von 62 n.Chr. Kampanien verlassen haben, fest entschlossen, nie mehr einen Fuß in jene Gegend zu setzen die Furcht war bei ihnen stärker als die Bindung an die Heimat. Migration als Folge erhöhter seismischer Aktivitäten lässt sich auch in anderen Fällen nachweisen. Der antike Autor Curtius Rufus etwa war davon überzeugt, dass die Expansion der Phönizier nicht zuletzt durch die häufigen Erdbeben in ihrer Heimat motiviert gewesen sei. Im 5. Jahrhundert v.Chr. verließen die Bewohner der Neapel gegenüberliegenden Insel Ischia ihre Heimat nach einem Vulkanausbruch und seismischen Störungen. Das berichtet Strabon, indem er sagt, dass sie vertrieben wurden 'von Erdbeben, von Feuerausbrüchen von der See her und aus heißen Quellen. Die Insel hatte viele Ausbrüche dieser Art, und diese waren es, die die Leute, die einst Hieron von Syrakus hierher gesandt hatte, dazu veranlassten, die Insel zu verlassen.'Wenn Seneca darauf hinweist, dass manche Erdbeben-Betroffene geisteskrank geworden seien, so liest sich dies bei ihm wie eine antike Antizipierung moderner Katastrophenpsychologie: 'Dass einige Menschen wie wahnsinnig und ziellos herumrannten, hatte als Ursache die Furcht. Sie kann schon eine Geistesstörung herbeiführen, wenn sie einzelne Personen trifft und gar nicht heftig ist. Wenn aber die ganze Bevölkerung in Panik gerät, wenn Städte in Trümmer sinken, Bevölkerungsteile verschüttet werden, die Erde bebt, ist es da verwunderlich, wenn die Menschen vor Leid und Angst in Verwirrung geraten? Es ist nicht leicht,' so fährt der Philosoph fort, 'inmitten eines großen Unglücks den Verstand zu behalten. Die labilsten Personen geraten in solch panischen Schrecken, dass sie völlig das Gleichgewicht verlieren. Jedermann erleidet einen psychischen Schock, wenn ihn ein heftiger Schrecken überfällt, und jeder Mensch reagiert in Angst wie ein Irrsinniger. Die einen kommen jedoch bald wieder zur Besinnung, auf andere wirkt sich die Furcht noch verheerender aus und bringt sie zum Wahnsinn.'Schließlich weist Seneca auf einen besonderen Fall der Wahrnehmung eines Erdbebens hin, indem ein von ihm als sehr gelehrt und zuverlässig bezeichneter Mann ein Beben, statt in Furcht und Panik zu verfallen, in aller Ruhe zu naturwissenschaftlichen Beobachtungen nutzte. Dieser Mann befand sich zufällig im Bad seines Hauses, als die Erdstöße einsetzten. Er lief nun nicht etwa hinaus oder versteckte sich irgendwo im Haus, sondern schaute interessiert zu, wie die Bodenfliesen des Badezimmers sich voneinander lösten und sich dann wieder zusammenfügten. Jedesmal, wenn sich der Fußboden lockerte, strömte Wasser in die Fugen. Wenn er sich wieder schloss, wurde es unter heftigem Brausen wieder hinausgepresst. 'Denselben Mann', so ergänzt Seneca in Bezug auf die gelehrten Aktivitäten dieses Forschers (wie Archimedes wusste er die Segnungen eines Bades für den wissenschaftlichen Fortschritt richtig einzuschätzen), 'habe ich erzählen hören, er habe mit eigenen Augen gesehen, wie Lehmwände mit einer Biegsamkeit und Häufigkeit zitterten, die man bei diesem harten Material nicht für möglich halten würde.'Mit der Furcht als einem katastrophenbegleitenden Phänomen hatte sich vor Seneca auch bereits der römische Naturforscher Lukrez auseinandergesetzt. In seinem Lehrgedicht De verum natura ('Über die Natur der Dinge') aus der Mitte des 1. Jahrhunderts v.Chr. thematisiert er im Rahmen der Diskussion antiker Erdbebentheorien die Furcht, die vor allem die Menschen in den Städten bei Erdbeben befällt, eine Furcht, die Lukrez insbesondere in der Gefahr des Einsturzes der Häuser begründet sieht.Panik in RomFür das Jahr 51 n.Chr., in der Regierungszeit des Kaisers Claudius, erwähnt Tacitus ein Erdbeben in Rom, das bei der städtischen Bevölkerung zu panikartigen Zuständen und zu rücksichtslosem Umgang mit den Mitmenschen geführt haben soll: 'Häuser stürzten durch häufige Erdstöße ein, und die aus Furcht vor einem weiteren Umsichgreifen des Bebens verängstigten Menschen traten alle Schwächlichen zu Boden.' Nach der lapidaren Auskunft von Cassius Dio versetzte das nächtliche Erdbeben alle gleichermaßen in Schrecken.AngstszenarienZahlreich sind weitere verstreute Belege in der antiken Literatur, die davon sprechen, wie sehr Naturkatastrophen bei den direkt betroffenen Menschen Angst und Schrecken verbreiteten. Nicht immer lässt sich dabei entscheiden, ob hier reale Informationen vorliegen oder nicht vielmehr beliebig verfügbare, topische Verhaltensmuster von den Autoren eingesetzt werden. Gelegentlich findet man auch weitere Beispiele für einen eher abgeklärten Umgang mit der Katastrophe. Die Vertreter der im Peloponnesischen Krieg von Sparta bedrohten Stadt Plataiai wiesen laut Thukydides 427 v.Chr. darauf hin, dass sie den Spartanern bei dem großen Erdbeben 37 Jahre zuvor beigestanden hätten, 'als Schrecken und Angst in eurer Stadt herrschten'. Blitz und Donner sollen im Zusammenhang mit einem Erdbeben in der Argolis 388 v.Chr. Soldaten des Spartaners Agesipolis in den Wahnsinn getrieben haben. Seeleute andererseits waren begeistert, als 199/98 v.Chr. aufgrund seismischer Aktivitäten zwischen Thera und Therasia eine Insel aus dem Meer auftauchte. Ein ähnliches Ereignis vor der Insel Kreta bereitete dagegen im 1. Jahrhundert v.Chr. den Menschen einen großen Schrecken. Der römische Kaiser Caligula (37 bis 41 n.Chr.), der sich schon bei Gewittern unter seinem Bett zu verkriechen pflegte, flüchtete Hals über Kopf aus Messina, 'weil ihm', wie der Biograf Sueton weiß, 'der Rauch aus dem Gipfel des Ätna und sein Rumoren Angst einjagten'. Um 161 n.Chr. erfasste ein Erdbeben weite Teile Kleinasiens und die vorgelagerten griechischen Inseln, woraufhin die Menschen in Ephesos und Smyrna in großer Aufregung und Konfusion herumliefen. Unter der Herrschaft des römischen Kaisers Gallienus (260 bis 268 n.Chr.) eingetretene Naturkatastrophen ließen angeblich viele Menschen vor Schreck sterben. Ein Erdbeben, das 557 n.Chr. Konstantinopel und andere Städte in der Region erfasste, sorgte bei den Betroffenen für völlige Konfusion und Panik. Das Beben führte sogar zu einer Gefährdung der sozialen Ordnung und der öffentlichen Moral: Frauen, und nicht einmal, wie es heißt, solche aus den niederen gesellschaftlichen Schichten, trieben sich in der Stadt herum und verkehrten ungeniert mit Männern.

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