Beschreibung
2007 trat Luke Harding seinen neuen Posten als Moskau-Korrespondent der britischen Tageszeitung The Guardian an. Schon in den ersten Monaten brachen mysteriöse Agenten des russischen Geheimdienstes FSB, dem Nachfolger des KGB, in seine Wohnung ein - Auftakt eines außergewöhnlichen psychologischen Kleinkriegs gegen den Journalisten und seine Familie, der sich durch seine unerschrockene Berichterstattung über politische Morde, Rechtsextremismus, ländliche Armut und den Georgienkrieg weiter unbeliebt machte. Nachdem Harding aus einer amerikanischen WikiLeaks-Depeche zitiert hatte, in der Russland als 'quasi-Mafiastaat' bezeichnet wurde, gipfelte die Kampagne Anfang 2011 in der Verweigerung der Wiedereinreise. Sein Bericht ist ein mitreißendes und verstörendes Porträt des heutigen Russlands.
Autorenportrait
Luke Harding wurde 1968 in Nottingham geboren und studierte englische Literatur in Oxford. 1996 stieß er zur linksliberalen britischen Tageszeitung The Guardian und berichtete aus Neu-Delhi, Berlin und Moskau ebenso wie vom Afghanistan- und Irakkrieg. Anfang 2011 wurde ihm nach vier Jahren als Russland-Korrespondent am Flughafen Domodedovo die Wiedereinreise verweigert. Seitdem arbeitet Harding wieder in der Guardian-Zentrale und berichtete zuletzt auch aus Libyen. Von ihm erschien außerdem: WikiLeaks: Inside Julian Assange's War on Secrecy, 2011 (mit David Leigh).
Leseprobe
Der Mann vom FSB, der mich im Büro anruft, nennt seinen Namen nicht. 'Sie müssen bei uns vorstellig werden', sagt er. Sein Tonfall ist höflich, aber bestimmt. Und klingt unterschwellig wie eine Drohung. Er erklärt, dass ich als 'Zeuge' in einem Strafverfahren geladen bin, das die Berezovsky-Story zum Gegenstand hat, und dass ich mich direkt beim FSB zu melden habe. Das Gespräch verläuft wie folgt, meine Assistentin, Yulia Molodstova, übersetzt (in diesen ersten Tagen war mein Russisch noch stockend): Yulia: 'Sie wollen also Luke Harding als Zeuge in einem Strafverfahren vernehmen? Wir brauchen das Aktenzeichen des Verfahrens, um die Sache an unsere Rechtsabteilung in London weiterzuleiten.' Offizier: 'Nummer 432801.' Yulia: 'Wir benötigen mehr Informationen.' Offizier: 'Wir werden Ihnen alles hier sagen.' Ich erkläre, dass das Transkript des Interviews mit Berezovsky auf der Website des Guardian nachzulesen ist und dass ich darüber hinaus sehr wenig werde hinzufügen können. Meine Rolle bei der Berezovsky-Story war klein, sage ich. Ich hatte lediglich den weltmännischen Pressesprecher des Kreml, Dmitry Peskov, angerufen und ihn um eine Stellungnahme gebeten. Das ist die ganze Wahrheit, aber sie bringt ihn nicht von seinem Ansinnen ab. 'Sie werden bei uns vorbeikommen', sagt er. 'Ich schlage vor, dass Sie einen Anwalt mitbringen.'