Das Amt und die Vergangenheit

Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik

Conze, Eckart/Frei, Norbert/Hayes, Peter u a
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783896674302
Sprache: Deutsch
Umfang: 879 S.
Format (T/L/B): 5.8 x 22 x 14.7 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Ein Mythos bröckelt: Das nach dem Krieg vom Auswärtigen Amt verbreitete Geschichtsbild erweist sich als LegendeDer Mythos, das Auswärtige Amt sei von 1933 bis 1945 ein Hort des Widerstands gewesen, gehört zu den langlebigsten Legenden über das Dritte Reich. Wie aber verhielten sich die Angehörigen des Auswärtigen Dienstes nach Hitlers Machtübernahme wirklich? Und wie stellten sie sich dann in der Bundesrepublik zu ihrer Vergangenheit? Vom ersten Tag an war das Auswärtige Amt unmittelbar in die Gewaltpolitik des NS-Regimes eingebunden. Es schirmte die 'Judenpolitik' des Dritten Reichs nicht nur nach außen ab, sondern war in allen Phasen aktiv an ihr beteiligt. Überall in Europa fungierten deutsche Diplomaten als Wegbereiter der 'Endlösung', sie wirkten mit an der 'Erfassung' der Juden und an ihrer Deportation. Opposition aus dem Auswärtigen Dienst heraus blieb individuell und die Ausnahme. Nach Kriegsende wurden nur wenige Beamte für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen, viele konnten auf ihre Wiederverwendung hoffen und setzten ihre Karriere fort. Noch auf Jahrzehnte lagen über den außenpolitischen Entscheidungen der Bundesrepublik die Schatten der Vergangenheit. Gestützt auf zahlreiche bis heute unter Verschluss gehaltene Akten, räumt das Buch mit alten Legenden auf und korrigiert das Geschichtsbild einer der wichtigsten politischen Funktionseliten des Landes.

Autorenportrait

Eckart Conze, geboren 1963, ist Inhaber des Lehrstuhls für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Marburg. Von ihm zuletzt erschienen: "Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik von 1949 bis in die Gegenwart" (2009) und "Das Amt und die Vergangenheit. Deutschen Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik" (mit N. Frei, P. Hayes und M. Zimmermann, 2010).

Leseprobe

Franz Krapf wurde 1911 geboren. 1938 trat er in den Ausw?igen Dienst ein. Bereits seit 1933 geh?rte er der SS an, 1936 wurde er Mitglied der NSDAP, seit 1938 war er Untersturmf?hrer im Stab des SS-Hauptamts. Von 1940 an verbrachte er die Kriegsjahre an der deutschen Botschaft in Tokio und wirkte dort auch als Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes (SD) der SS. ?er Krapfs T?gkeit ist wenig bekannt, aber klar ist: Selbst im fernen Ostasien waren deutsche Diplomaten mit der ?Endl?sung? der Judenfrage befasst. Im Herbst 1947 kehrte Krapf nach Deutschland zur?ck, hielt sich dann aber f?r einige Jahre in der Heimat seiner schwedischen Frau auf. Bestens vernetzt, ?bernahm er 1950 zun?st eine Stelle im Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, bevor er ein Jahr sp?r in den soeben gegr?ndeten Ausw?igen Dienst der Bundesrepublik Deutschland berufen wurde. Als Diplomat diente er in der Bonner Zentrale, in Paris und Washington. Er war Botschafter in Tokio und leitete zuletzt die St?ige Vertretung der Bundesrepublik bei der NATO. 1976 trat er in den Ruhestand. Hochbetagt und geehrt starb Krapf im Herbst 2004. Fritz Kolbe wurde 1900 geboren. In den diplomatischen Dienst trat er 1925 ein und diente als Konsulatssekret?an der deutschen Botschaft in Madrid, sp?r auch in Kapstadt. Bei Kriegsbeginn in die Berliner AA-Zentrale zur?ckgekehrt, wirkte er dort als Pers?nlicher Referent von Botschafter Karl Ritter. Der NSDAP beizutreten, weigerte sich Kolbe. Schockiert angesichts der nationalsozialistischen Verbrechen und ?berzeugt, dass der NS-Terror nur von au?n zu ?berwinden sei, lieferte er seit 1943 geheime Nachrichten und Dokumente an den amerikanischen Geheimdienst. Nach Kriegsende unterst?tzte er die Vereinigten Staaten bei der Vorbereitung des N?rnberger Prozesses. Nach einigen Jahren in der Schweiz und in den USA, wo er nicht Fu?fassen konnte, kehrte er 1949 nach Deutschland zur?ck. Der angestrebte Wiedereinstieg in den ?ffentlichen Dienst gelang ihm nicht, man stigmatisierte ihn als Verr?r und verwehrte ihm einen Eintritt in das Ausw?ige Amt der Bundesrepublik. Dort wird die Widerstandst?gkeit Kolbes erst seit 2004 offiziell gew?rdigt. Franz N??ein, Jahrgang 1909, trat nach seinem Jura-Studium 1937 der NSDAP bei und wurde im Oktober 1939 als Erster Staatsanwalt zur ?Gruppe Justiz? bei der Beh?rde des Reichsprotektors in B?hmen und M?en abgeordnet. 1942 wurde er, protegiert von Reinhard Heydrich, im Alter von nur 32 Jahren zum Oberstaatsanwalt bef?rdert. Seit 1943 Generalreferent f?r Angelegenheiten der deutschen Strafjustiz beim Deutschen Staatsministerium f?r B?hmen und M?en, geh?rten vor allem Gnadensachen zu seinem Aufgabengebiet; insbesondere in diesem Zusammenhang war N??ein f?r die Best?gung zahlreicher Todesurteile gegen tschechische B?rger verantwortlich. Bei Kriegsende floh er nach Bayern, wurde von den Amerikanern verhaftet und an die Tschechoslowakei ausgeliefert. Dort verurteilte man ihn 1948 zu 20 Jahren Zuchthaus. Als ?nicht amnestierter Kriegsverbrecher? wurde er 1955 in die Bundesrepublik abgeschoben. Nicht zuletzt aufgrund pers?nlicher Beziehungen gelang ihm noch im gleichen Jahr der Eintritt in den Ausw?igen Dienst, wo er unter anderem als Referent in der Personalabteilung wirkte. Von 1962 bis zu seiner Pensionierung 1974 war N??ein deutscher Generalkonsul in Barcelona. Bei seinem Tod 2003 widmete ihm das Ausw?ige Amt in seiner Mitarbeiterzeitschrift einen ehrenden Nachruf, so wie ihn bis dahin jeder verstorbene Angeh?rige des Ausw?igen Dienstes erhielt. Als Kritik an der postumen Ehrung des verurteilten Kriegsverbrechers N??ein laut wurde, ?erte Bundesau?nminister Joschka Fischer die Nachrufpraxis: Ehemalige NSDAP-Mitglieder, so verf?gte er, sollten in der AA-Zeitschrift keinen Nachruf mehr erhalten. Einer der Ersten, die von dieser Regelung betroffen waren, war Franz Krapf. Drei verschiedene Biographien, drei verschiedene Perspektiven. Die Geschichte, die dieses Buch zum Gegenstand hat, ist unabgeschlossen. D

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