Last call Manila

Roman

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783887473990
Sprache: Deutsch
Umfang: 224 S.
Format (T/L/B): 2.1 x 22 x 14.8 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Ein Zinksarg trifft auf dem Manila International Airport ein, in dem laut Begleitschein eine Tote namens Aurora V. Cabahug liegt. Es gibt keine Informationen, warum die Frau in Saudi-Arabien, wo sie als Dienstmädchen arbeitete, umgebracht wurde. Ein Hilfspolizist, der den Sarg in ihre Heimatstadt transportieren soll, kennt den Namen der Frau - er hat sie erst gestern als Sängerin 'Rory' in einer Karaoke-Bar gesehen. Er erfährt, dass die Tote die Schwester von Rory ist, die unter falschem Namen nach Saudi-Arabien vermittelt wurde. Aus der Recherche, warum sie das tat, wie und warum sie umgebracht wurde, wie sie auf den Philippinen und dann in Saudi-Arabien gelebt hat, entwickelt sich ein spannender Einblick in eine Gesellschaft, in der es fast in jeder Familie mindestens eine Frau oder einen Mann gibt, die in weit entfernten Ländern, in Westeuropa, Arabien, Skandinavien oder den USA arbeiten und das Geld Jahr für Jahr an ihre Familien überweisen. Eine fluktuierende Gesellschaft, immer konfrontiert mit neuen, oft entwürdigenden Erfahrungen in immer neuen Ländern, aber vielleicht gerade deswegen so eng miteinander verbunden.

Autorenportrait

Jose Dalisay, 1954 geboren, ist einer der bekanntesten und meist ausgezeichneten Schriftsteller der Philippinen. Er schreibt Gedichte, Kurzgeschichten, Romane und auch politische Bücher. Er ist Professor für englische Literatur an der Universität der Philippinen, war als Gastdozent längere Zeit in den USA, in England und Italien. Seine Romane sind ins Italienische und Französische übersetzt. Er lebt in Manila.

Leseprobe

Kapitel 1 DIE FRAU IN DER KISTE An einem wolkenverhangenen Abend, einem Samstag im August, landete am Ninoy Aquino International Airport, 237 Kilometer westlich von Paez, eine Leiche in einem Zinksarg, der in einer Holzkiste befördert wurde. Der Begleitschein gab den Namen der toten Frau als 'Cabahug, Aurora V.' an. Um 18 Uhr 34, gerade als in der City die Autofahrer ihre Scheinwerfer einschalteten und eine Million Gasöfen laut angeworfen wurden, kehrte Aurora V. Cabahug in ihrem Flugzeug zur Erde zurück, obwohl nicht ganz; sie lag tief unten im Frachtraum der Gulf Air 747, da, wo es am kältesten war, nur durch eine dünne Wand getrennt von Tiger-Orchideen und Aprikosen. Sie war sehr früh in Jeddah losgeflogen, viel früher als es den Anschein hatte, denn die Maschine flog vor der Zeit her - 4053 Meilen von Jeddah nach Bangkok, machte einen Zwischenstop von einer Stunde und 25 Minuten, um die Orchideen und andere kostbare, verderbliche Dinge zu laden, bevor sie ihre Fracht über nochmal 1368 Meilen nach Manila brachte. Binnen einer Stunde war sie entladen, flog wieder zurück nach Jeddah, wieder über Bangkok, am nächsten Morgen sollte sie wieder um 10 Uhr 20 startklar sein - während nochmal drei Tage im gekühlten Zoll-Lager vergingen, bis Aurora V. Cabahugs Körper in der mikrobenfreundlichen Wärme ihres Landes ankam. Es war eine Reise über 5000 Meilen und das Tageslicht begleitete sie fast über den ganzen Indischen Ozean. Das Flugzeug war bis auf den letzten Platz gefüllt, als es Bangkok verließ, wo ein Jet der Thai Airways mit Ziel Manila, von Frankfurt kommend, Probleme mit der Hydraulik hatte und 23 der 86 philippinischen Passagiere in die Gulf Air-Maschine umgebucht wurden. Die neu Zugestiegenen besetzten alle noch freien Plätze, verstauten zollfreie Hifi-Geräte oder andere Mitbringsel und brachten so Zahnarzt und Handwerker, Pianist und Nagelpflegerin, Professor und Installateur zusammen. Wie immer klatschten und jubelten die philippinischen Arbeiter auf ihren Plätzen, als die Reifen des Flugzeugs auf dem Boden aufsetzten; einige schlugen ein Kreuz, schlossen die Augen und murmelten ein Gebet. Die Flugbegleiter und die saudi-arabischen Geschäftsleute waren daran gewöhnt, aber einige Filipinos, die in Bangkok, von Seminaren in Leuven oder Pilgerreisen nach Rom kommend, umgestiegen waren, fühlten sich gestört und peinlich berührt von dem Applaus, der die Kabine füllte, und schauten angestrengt nach vorn oder auf ihre Uhren und Zeitschriften. Ihre weniger vornehmen Landsleute pressten die Nasen gegen die Fenster, als ob sie erwarteten, dass die Flughafenlichter erloschen und das Flugzeug kehrtmachen könnte, zurück in die blendend helle Wüste. Am Ninoy Aquino stiegen insgesamt drei Piloten, acht Flugbegleiter und 267 Passagiere aus dem Flugzeug in die Gangway zur Ankunftshalle. Die Crew floh durch einen Extra-Gang an den Immigrations- und Zollschaltern vorbei zu einem Van, der sie schnell in ihr Hotel am Rande der Bucht bringen sollte. Alle anderen, mit teuren Einkäufen unterm Arm, marschierten in die stickige Empfangshalle mit Passkontrolle und Gepäckausgabe, dem Zoll, einer lächelnden Menge hinter den Absperrungen, schnurrenden Taxis und Jeepneys [Anm.: Zu Kleinbussen umgebaute alte amerikanische Jeeps& und einem heftigem Platzregen, der Brillengläser und Fenster beschlagen ließ und die Leute zu schnellen, bequemen und manchmal desaströsen Entscheidungen zwang. Die Mittagsnachrichten am nächsten Tag brachten eine Geschichte über zwei Maurer und einen Elektriker, die ihre Jahreslöhne, verdient in Al-Khobar, an eine Gang verloren, die ihnen eine billige Fahrt nach Novaliches in ihrem Toyota Tamara angeboten hatten; nach unbestätigten Berichten verbrachte eine Kosmetikerin aus Dammam, die ihren Freund im Regen übersehen hatte, die Nacht in einem Motel in Pasay mit einem hilfsbereiten Polizisten, der sie in seinem Jeep mitgenommen hatte; auch die Flugbesatzung, die so schnell aus dem Flughafen geflüchtet war, verlor eine Menge Zeit, weil der Fahrer ihres Nissan-Vans wegen eines Verkehrsstaus eine, wie er meinte, Abkürzung nahm und dann in einer engen Straße hinter einem Lastwagen, beladen mit Fahrrädern und Matratzen, hängen blieb. Der Regen verwandelte verzinkte Blechdächer zu fest gespannten Trommeln, prallte auf eilig aufgespannte Planen und suchte den schnellsten Weg zurück ins offene Meer, scheiterte aber an jeder Kurve. Die tote Frau erwarteten keine solcher Komplikationen, sie hatte alle Flugpläne und plötzliche Wetterumschwünge hinter sich. Es gab ein Problem mit ihrer Leiche - niemand war da, dem man hätte sagen können, dass sie da war, aber sie konnte nichts dafür, jetzt und für immer. Und es gab kaum etwas, das jemand für sie tun konnte, außer dieser eher kümmerlichen Geste, sie umsonst nach Hause zu fliegen, ein Paragraph in einem Gesetz, das Menschen betraf, die gestorben, aber noch nicht beerdigt waren. Der Totenschein, in einer Plastikhülle auf ihren Sarg geklebt, gab einfach nur an, dass sie ertrunken sei. 'Ertrunken, Forensik Jeddah.' In den letzten Momenten, als sie noch atmete - entweder kurz davor oder kurz danach - war der Körper mit Wasser in Berührung gekommen, hatte es geschluckt oder war von ihm geschluckt worden. Es waren keine weiteren Dokumente dabei - kein Polizeibericht, kein Autopsiebericht, nur der Schein, mit einem Stempel der Flughafenpolizei vom Abdul-Aziz-Airport in Jeddah. Das Konsulat und die lokale Polizei in Jeddah konnten ihren Pass nicht ausfindig machen - der normalerweise von den Arbeitgebern ausländischer Arbeitskräfte einbehalten wurde im Tausch für eine Iqama [Anm.: Arbeitserlaubnis] oder einen zeitlich begrenzten Identitätsausweis, aber selbst die Arbeitserlaubnis war bei der Leiche nicht zu finden. Und deswegen hatte es einige Zeit gedauert, bis die Behörden ihre Identität feststellen konnten; jedenfalls war ihr aufgedunsenes Gesicht keine Hilfe. Erst als ihre völlig durchnässte Abaya [Anm.: Überkleid; traditionelles Kleidungsstück für muslimische Frauen] getrocknet war, ergaben sich aufgrund der billigen Qualität und der schlechten Passform erste Hinweise, die auf eine Frau von niedrigem Status deuteten. Keine saudische Frau aus Jeddah war in den vergangenen drei Tagen als vermisst gemeldet, was ungefähr der Zeit entsprach, in der die Leiche im Wasser gelegen hatte, und so wurden Untersuchungen angestellt über vermisste oder geflohene Dienstmädchen oder Arbeiterinnen - eine Suche, die zu nicht weniger als 163 Treffern führte allein für die letzten sechs Monate, und die alles beinhaltete von sudanesischen und russischen Prostituierten bis zu indonesischen Köchinnen - aber ein Bericht erschien besonders überzeugend, und der hatte mit dem plötzlichen Verschwinden vom Arbeitsplatz einer aus den Philippinen stammenden Aurora Z. Cabahug, 26, zu tun. Sie war als vermisst gemeldet, gemeinsam mit einem indischen Dienstmädchen namens Meenakshi, die vermutlich auch weggelaufen war. Bei einer höflichen Befragung behauptete Cabahugs Arbeitgeber, nichts weniger als ein saudischer Prinz, vertreten durch einen Bediensteten namens Yusuf, dass die beiden schon vor etlichen Tagen verschwunden seien und dabei wertvolle Sachen hätten mitgehen lassen, unter anderem einen goldenen Montblanc-Füller, den Prinz Khaled auf seinem Nachttisch hatte liegen lassen; trotz des väterlichen Vertrauens und der Fürsorge seines Herrn, so Yussuf, hätten sich alle beide als undankbar und diebisch erwiesen. Und so wurde die Leiche zur Untersuchung den zuständigen Stellen in der Botschaft und von dort der 'OWWO Manila', dem Overseas Workers Welfare Office, übergeben. Falls niemand beim Frachtlager des Flughafens Manila wegen dieser Aurora V. Cabahug einen Anspruch anmeldete, müsste ein Angestellter der OWWO über viele Treppen in den Keller steigen, wo Knie und Ellbogen auf Rohre stießen, ein Raum in dem Stahlschränke in mehreren Reihen aufgestellt waren, und sich dann durch feuchte, muffige Aktenordner wühlen, um simple Fakten über ...

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