Beschreibung
Man kennt, man liest und liebt die Bücher und Aufsätze von Marion Gräfin Dönhoff. Wenig aber weiß man vom Alltag der Grand Old Lady des deutschen Journalismus. Im Archiv der 'Zeit' liegen ihre Briefe, die ein einzigartiges biografisches Zeugnis geben. 'Im übrigen, was mich betrifft, so gebe ich Ihnen hiermit das Versprechen, daß ich aus dem politischen Journalismus ausscheide, wenn Krone Kanzler werden sollte. Dieses Triumvirat der ausgewählten Mittelmäßigkeit: Lübke, Krone, Brentano. Das wäre zuviel. Dann wäre wirklich alles sinnlos, was wir getan haben und tun könnten', schreibt Marion Gräfin Dönhoff Mitte der sechziger Jahre ihrem Verleger Gerd Bucerius. Ein Moment der Resignation, des Stillstands neben vielen des Glücks und Aufbruchs, des Abschieds, des Alltags. Über fünfzig Jahre tauschten der Verleger und seine Erste Redakteurin Briefe, oft seitenlang, von Hand geschrieben. Sie handeln von der politischen Ausrichtung der Zeitung, von den Kompetenzen der Redaktion, von den Vorrechten des Eigentümers, von Personalentscheidungen und den großen Fragen der Politik und des politischen Personals. Briefe, oft voller Emotion, zornig zuweilen, hart in der Sache, dann wieder versöhnlich, zart und nicht selten sehr persönlich. Ausstattung: mit ca. 10 s/w Abb.
Autorenportrait
Marion Gräfin Dönhoff, geboren 1909 in Ostpreußen, unternahm nach dem Abitur ausgedehnte Reisen durch Europa, Nordamerika und Ostafrika. Dann studierte sie Volkswirtschaft; 1936 trat sie in die Verwaltung der Familiengüter ein, deren Leitung sie 1939 übernahm. 1945 musste sie vor der herannahenden Front nach Westdeutschland fliehen. Seit 1946 gehörte sie der Redaktion der Hamburger Wochenzeitung DIE ZEIT an. 1955 wurde sie Leiterin des politischen Ressorts, 1968 Chefredakteurin und 1973 Herausgeberin. Sie ist u.a. mit dem Theodor- Heuss-Preis (1966) und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1971) ausgezeichnet worden. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, u.a.: "Namen, die keiner mehr nennt", "Kindheit in Ostpreußen"(1988), "Zivilisiert den Kapitalismus" und "Um der Ehre willen. Erinnerungen an die Freunde vom 20. Juli" (1994). Marion Gräfin Dönhoff verstarb 2002 im Alter von 92 Jahren.
Leseprobe
Krach um die Zeit In den fünfziger Jahren befindet sich die Hamburger Wochenzeitung in einer prekären Lage. Die Eigentümer des Blattes sind heillos zerstritten. Die Auflage der Zeitung sinkt, von über 100000 nach der Währungsreform auf weniger als die Hälfte. Mitgesellschafter und Chefredakteur Richard Tüngel steuert zudem einen Rechtskurs, der sich von der liberal-konservativen Haltung der Anfangsjahre mehr und mehr entfernt. Marion Dönhoff, seit 1952 verantwortlich für den politischen Teil, will dies nicht länger mittragen. Ihre Schmerzgrenze ist erreicht, als am 29. Juli 1954, während ihres Sommerurlaubs in Irland, den sie bei ihrem Bruder Dietrich verbringt, ein groß aufgemachter Artikel von Carl Schmitt erscheint, 'Im Vorraum der Macht'. Sie schreibt einen Brief an Tüngel, nachdem sie in der Hamburger Staatsbibliothek belastende Zitate des prominenten Staatsrechtlers aus dem Dritten Reich zusammengetragen hat: 'Soll man ehemalige führende Nazis (oder sagen wir es neutraler: im damaligen >GeistesWelt< eintreten würden. Ihr Gehalt würde 2000 DM monatlich betragen.' Doch Bucerius hat noch nicht aufgegeben. Die zahlreichen Briefe prominenter Zeitgenossen, besonders auch aus den USA, die ihr Bedauern über die Entwicklungen bei der ZEIT ausdrücken, haben ihn aufgescheucht. Er sucht nach einer Lösung, Marion Dönhoff wieder nach Hamburg zurückzuholen und sie mit 'Jupp', mit Josef Müller-Marein, zusammenzuspannen, der als Chef vom Dienst in der ZEIT für sauberes journalistisches Handwerk steht. Aus London schickt Marion Dönhoff einen sieben Seiten langen handschriftlichen Brief an Bucerius. Darin beschreibt sie die Voraussetzungen, unter denen sie bereit ist, wieder in der ZEIT mitzumachen. Sie meldet ihren Anspruch auf eine Führungsposition an und entwirft ihr Idealbild einer Wochenzeitung, dem sie bis zu ihrem Tod treu geblieben ist. London, November 1954 (handschriftlich) Lieber Herr Bucerius, nun geht mein hiesiger Aufenthalt seinem Ende entgegen, und da wollte ich Ihnen doch noch einmal ein bißchen berichten. Ich finde es natürlich großartig hier, und in mancher Hinsicht ist es auch sehr lehrreich. Bei meiner derzeitigen Lebensform totaler Pflicht- und Verantwortungslosigkeit werde ich nur durch Anlehnung an ein Büro vor der kompletten Integration in die Anarchie bewahrt. So ein Büro, wenn man es nicht zum Arbeiten, sondern zum Schwätzen und Telefonieren verwendet, ist eigentlich eine ideale Erfindung. Es ist eine Rechtfertigung in sich selbst und enthebt einen darum aller moralischen Skrupel, denen die einzig Müßige in einer Welt ruheloser Geschäftigkeit sonst zweifellos ausgesetzt wäre. Ich habe die East- und die Südostasien-Debatten im Parlament gehört, eingehend Chatham House studiert (die seit zwanzig Jahren ausschließlich Dokumente zur Geschic Leseprobe
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