Beschreibung
Die Zeit des Bildungsbürgers geht zu Ende. Bildung wird durch Geschmack ersetzt. Dabei kommt Geschmack ohne die Bildung der Nerven nicht aus - und ist doch ein Element einer zeitgenössischen Vernunftkritik, die den Sinnen vertraut wo der Verstand unzurechnungsfähig erscheint. Der Ratlosigkeit der Welt gegenüber erwuchs die Sicherheit im Geschmacksurteil, auch wenn es jeden Tag anders lautete. Nietzsches Gedanke der radikalen Individualisierung durch Geschmack legt eine Spur in die Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. "Vieles nicht sehn, nicht hören, nicht an sich herankommen lassen - erste Klugheit, erster Beweis dafür, dass man kein Zufall, sondern eine Necessität ist. Das gangbare Wort für diesen Selbstvertheidigungs-Instinkt ist Geschmack. Sein Imperativ befiehlt nicht nur Nein zu sagen, wo das Ja eine "Selbstlosigkeit" sein würde, sondern auch so wenig als mögl ich Nein zu sagen. Sich trennen, sich abscheiden von dem, wo immer und immer wieder das Nein nöthig werden würde." [F.N., Ecce Homo. Wie man wird, was man ist.]
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