Beschreibung
Utopie - Weltrevolution - Politischer Widerstand - Zuchthäuser - Lager - Vernichtungskrieg - Enttäuschungen Ein extremes Leben in einem extremen Jahrhundert: Erwin Jöris Was blieb vom politischen Widerstand, von den Hoffnungen und Ideen der großen Umbrüche des 20. Jahrhunderts? Was erinnert ein Arbeiter aus Lichtenberg vom Zeitalter der Extreme? Wie spiegelt sich große Geschichte im Leben eines Einzelnen? Der im Jahr 2012 100-jährige Erwin Jöris wurde als Sohn eines spartakistischen Schlossers in Berlin-Lichtenberg geboren. Als charismatischer KPD-Jugend-führer prügelte er sich durch die Straßenschlachten der untergehenden Republik, tauchte 1933 in die Illegalität ab und fand sich in Sonnenburg, einem der frühesten deutschen KZs, zusammen mit der linken Politprominenz seiner Zeit wieder. Im Moskauer Hotel Lux traf er die Größen der kommunistischen Internationale und erlebte ihren Untergang. Er schuftete in der Zeit der sowjetischen Aufbau-Euphorie im Uralmasch, einem gigantischen Schwerindustriekombinat hinterm Ural und lebte dort mit russischen Arbeitern. 1937 wurde er in Swerdlowsk Zeuge des Großen Terrors. 1938 verschleppte ihn der NKWD in die berüchtigte Lubjanka. Von dort wurde er nach einem Jahr an die deutsche Gestapo ausgeliefert. 1941 bekam er als Soldat eines Sanitätszuges der deutschen Wehrmacht den Marschbefehl Richtung Osten. Im Endkampf um Berlin geriet er in sowjetische Kriegsgefangenschaft und kam im Nachkriegsjahr in ein Waldarbeiterlager vor Moskau. Zurück im zerstörten Lichtenberg befragten ihn seine alten KPD-Kameraden nach der Sowjetunion des Großen Terrors, während sie zeitgleich die zweite deutsche Diktatur installierten. 1951 verhafteten ihn die NKWD-Häscher erneut. Das Fernurteil: 25 Jahre Workuta, das berüchtigte Bergwerklager im ewigen Eis. Fünf Jahre überlebte er im Gulag, in einer Arbeitsbrigade zusammen mit einem seiner nationalsozialistischen KZ-Bewacher. Zurück in Ost-Berlin floh er 1956 in den Westen. Als Zeitzeuge, Idealist und politischer Akteur schildert ein Hundertjähriger sein Jahrhundert der Lager. Der Historiker Andreas Petersen hat das Leben von Erwin Jöris in die Zeit eingebettet, seine Aussagen in vielen Archiven von Berlin, Moskau bis Swerdlowsk gegenrecherchiert, Weggefährten interviewt und den Stoff mit der neueren Forschungsliteratur gegengelesen. Entstanden ist ein Jahrhundertdiktat, in dem sich das Schicksal einer prägenden Zeit in unerwarteten Facetten eröffnet. Mit DVD: Andreas Petersen im Gespräch mit Erwin Jöris (25 Minuten)
Autorenportrait
Andreas Petersen, 1961 in Köln geboren, Studium der Allgemeinen und Osteuropäischen Geschichte an der Universität Zürich, politikwissenschaftliche Promotion mit der Arbeit "Radikale Jugend. Die sozialistische Jugendbewegung der Schweiz 1900-1930. Eine Generationenanalyse." Mitarbeiter an der Freien Universität Berlin, Dozent für Zeitgeschichte an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Gründungspräsident des Forums für Zeitzeugen in Aarau, publizistische Tätigkeit u. a. für die NZZ, Leiter der Geschichtsagentur zeit&zeugen, letzte Publikation zusammen mit Ines Geipel: "Black Box DDR. Unerzählte Leben unterm SED-Regime", 2009.
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