Sommernachtsreigen

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783863912024
Sprache: Deutsch
Umfang: 176 S.
Format (T/L/B): 1.7 x 20.6 x 14.7 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Voller Empathie für ihre liebenswerten Protagonisten und mit ausgeprägtem Sinn für Situationskomik erzählt Anna Herzig von einer Begegnung, die das Leben dreier Menschen plötzlich auf null setzt. Es ist die Geschichte einer Nacht an der Haltestelle am Wiener Brunnenmarkt, mit Jägermeister im Flachmann, einem langen Gespräch, vielen verpassten Bussen - und einer großen Überraschung. Die Geschichte von zwei Männern, die am Ende weit mehr teilen, als wir uns anfangs auszumalen wagten. Es ist die Geschichte von Bertl und Pawel. Und Hannerl.

Autorenportrait

Anna Herzig wurde 1987 als Tochter eines Ägypters und einer Kanadierin in Wien geboren, wo sie auch heute lebt. Nach mehreren Veröffentlichungen im Digitalen erscheint mit 'Sommernachtsreigen' nun Herzigs erster gedruckter Roman.

Leseprobe

Wenn man irgendwo beginnen muss, dann wäre es am einfachsten, bei sich selbst zu beginnen. Allerdings ist das langweilig, weil man sich kennt. Jede Geschichte, Erinnerungen, Augenblicke, die einzigartigen und die verzichtbaren, was besonders gut und was besonders wehgetan hat. Tatsächlich ist das, was wehtut, das, was voranbringt. Glücklichsein, was auch immer das ist, mag nicht Stillstand bedeuten, ist aber dennoch ein Treten auf der Stelle, weil klar ist, in welche Richtung es weitergeht. Die Details können variieren. Im Grunde ist es so: Alle Personen dieser Geschichte, die erzählt werden muss, weil der Bertl sonst bockig ist und die Scheidungspapiere nicht unterschreiben will, sind sich einig, dass von Schmerz am meisten gelernt werden kann. Schließlich war es eben dieser, der Realitäten, Menschen und Ansichten aufgebrochen hat, um neue Wege zu zeigen. Den Schmerzen geht im Idealfall Glück voraus. Für den Bertl ist Glück ein großer Teller Nudeln. In allen Varianten und Hauptsache frisch. Für die Johanna ist Glück Schmerz, sonst spürt sie sich nicht. Für den Pawel wär Glück, wenn er endlich wissen würde, welcher Weg und wohin mit der inneren Unruhe. Damit die Zerrissenheit aufhört. Für die Erzählerin, die anmerken und beobachten darf, wäre es ein Segen, wenn die Straße, an der sich ihre Wohnung befindet, weniger frequentiert wäre. Diese Erzählerin liebt die Ruhe und braucht sie für die lückenlose Erinnerung. Obwohl keine kundige Fachfrau des Geistes und der Psyche, zeigt sie sich in dieser Geschichte regelmäßig, um ihrem Spieltrieb nachzugehen und das Gleichgewichtsmoment zu wahren. Eine Bewahrerin der Ordnung ist sie möglicherweise. Sie ist interessiert daran, wie tief es runtergeht bei den Menschen. Nicht unbedingt, wo das seinen Anfang nimmt, es ist eher ein Forschen nach dem Wie. Die erzählende Bewahrerin würde lieber in Istanbul sein. Aber man muss im Leben zuweilen akzeptieren, wie die Würfel gefallen sind. Die Erzählerin sitzt am Yppenplatz in Wien-Ottakring auf einer breiten, kastanienbraunen Bank, fischt ein paar kernlose helle Trauben aus einer Papiertüte und richtet ihren Blick auf die an ihr - teils gemütlich, teils hektisch - vorbeiziehenden Menschenmassen, die ihren diversen Vergnügen und Pflichten nachgehen. Über den Brunnenmarkt geht man grundsätzlich nur in zwei Richtungen: hinauf oder hinunter. Am oberen Ende des Brunnenmarkts lacht man und bruncht. Trinkt Kaffee und liest Zeitung. Führt seine Hunde aus (Französische und Englische Bulldoggen, Beagles, kleine Mopsgesichter, Dackelmischlinge) und trinkt abends mit seinen Freunden Cocktails in kleinen Hipster-Cafés. Kauft frischen Karpfen bei den Fischständen und die, die sich für den Fischgeruch, der einem in die Nase gezwungen wird, nicht begeistern können, kaufen einen Sesamkringel oder warmen Börek in einer der seit Jahren ansässigen türkischen Bäckereien. Wer mutig ist, setzt sich drinnen an einen Tisch und bestellt einen kleinen schwarzen Kaffee, welcher die Macht hat, Tote aufzuwecken. Manche frühstücken in dem levantinischen Restaurant oder holen sich italienisches Eis am einzigen Eisstand des Brunnenmarkts. Fantastisch schmackhafte Kreationen, so zauberlich und cremig, dass man Italien inmitten des dominierenden orientalischen Flairs spüren kann. Käse kann gerne jederzeit gekostet werden, solange man sich fair und nicht gierig verhält; wenn du dich gut stellst mit dem Verkäufer, gibt's einen frischen Falafel gratis dazu. Acht überaus gut investierte Euro bescheren dem Käufer vielfältiges frisches Gemüse für annähernd eine Woche. Es gibt Teppichläden, Juweliere, Läden mit Ein-Euro-Krimskrams, zwei Supermärkte, mehrere Fleischhauer und eine Polizeiwache. Manche haben Lust, um neun Uhr vormittags auf einem der vier Hocker eines Marktstandes zu sitzen, ein Dosenbier (Ottakringer, Gösser oder Stiegl) zu trinken und die erste Leberkässemmel des Tages zu essen, die, wenn es eine lange Nacht oder ein anstrengendes Leben war, in eingespeich

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