Beschreibung
Die Debatten um den Nachlass von Hildebrand Gurlitt und die Sammlung E. G. Bührle sowie die Kontroverse um koloniales Raubgut haben gezeigt, dass die Restitution von Kunstwerken und Kulturgütern zu den brisantesten Themen der Gegenwart gehört. Geht es um Raubkunst, ist oft die Rede von 'problematischen Eigentumsverhältnissen', 'belasteten Kunstwerken', 'schwierigem Erbe' oder auch von 'Werten, um die gestritten werden müsse'. Dabei geht es nicht allein um den materiellen Wert von Kunstwerken oder Vorgänge in der Vergangenheit. Vielmehr bestimmen heutige Sichtweisen auf gewaltsame Ereignisse in der Geschichte den Umgang mit Kunst- und Kulturgütern. Welche Folgen hat Kunstraub aus historischer, rechtshistorischer, juristischer und Museumssicht? Wie können Gedächtnisinstitutionen wie Museen ihre Verantwortung gestalten? Und welche Rolle haben die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und ihre Nachfahren dabei? Aus unterschiedlichen Perspektiven wird Position zu den aktuellen Fragen bezogen. Fallstudien zeigen exemplarisch auf, wie Verfolgung, Flucht und Raub mit dem Aufbau von Sammlungen und dem Kunsthandel zusammenhängen.
Autorenportrait
Nikola Doll, 1970 geboren, ist promovierte Kunsthistorikerin und lebt am Zürichsee. Seit 2017 leitet sie die Provenienzforschung am Kunstmuseum Bern und setzte durch ihre Arbeit am Legat Cornelius Gurlitt entscheidende Akzente. Doll ist Lehrbeauftragte an den Universitäten in Bern und Genf.
Leseprobe
»Die Entwicklung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die Debatte um nationalsozialistische Raubkunst und die Rolle der Museen breiter und grundlegender geführt werden sollte. Die eigene Geschichte kann nicht losgelöst von der Geschichte der Verfolgung, der Emigration und der Restitutionspraxis seit der Nachkriegszeit verstanden werden.« Nikola Doll »Es muss aber um mehr als reine Provenienzforschung gehen. Der historische Kontext des Verkaufs oder des Tauschs von Kunst- und Kulturgut muss dabei unbedingt in Betracht gezogen werden. Ich gehe noch ein Stück weiter, indem ich die These aufstelle, dass juristische Kategorien bei der Beurteilung oft nicht ausreichen. Oder anders formuliert: Formaljuristische Überlegungen vermögen das Maß an Unrecht, das auf derart vielen Ebenen geschah, nicht zu erfassen.« Stefanie Mahrer