Gedichte und Lieder

Herausgegeben und kommentiert von Ulrich Völkel, Weimarer Texte

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783737403030
Sprache: Deutsch
Umfang: 160 S.
Format (T/L/B): 1.2 x 21 x 12 cm
Auflage: 1. Auflage 2024
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Hunderte Kinderlieder wie 'Alle Vögel sind schon da' und 'Ein Männlein steht im Walde', aber auch das 'Lied der Deutschen' und 'Die Gedanken sind frei' stammen aus der Feder Hoffmann von Fallerslebens. Kaum einer bringt seinen Namen damit in Verbindung. Dabei war er ein bedeutender Vertreter jener Generation, die zwischen Aufbruch und Anpassung, zwischen Revolution und Restauration im 19. Jahrhundert hin- und hergerissen wurde. Er setzte sich gegen die Repression frühliberaler Ideen ein. Aufgrund seiner politischen Ansichten war er jahrelang ins Exil verbannt. In drei Abschnitten widmet sich das Buch Hoffmanns Unpolitischen Liedern, den Gedichte(n) für Kinder und seinem übrigen lyrischen Schaffen. Hoffmann von Fallersleben wird damit als liberaler Dichter wieder mehr ins Bewusstsein gerückt, auch wenn er vereinzelt antijudaistische Gedichte veröffentlichte. Sein Vordenken eines geeinigten Deutschlands, das durch Bismarck eine erste Gestalt annahm, ließ ihn die deutsche Nationalhymne dichten, die bis heute mit der Melodie von Joseph Haydn Bestand hat.

Leseprobe

Der von Fallersleben Was weiß man eigentlich über diesen Dichter August Heinrich Hoffmann, der sich nach seinem Geburtsort irreführend und wohl auch etwas eitel von Fallersleben nannte, womit man ihn für einen jener Adligen halten konnte, die er ja eigentlich und wenigstens in seinen frühen Gedichten und Schriften heftig bekämpfte, und der zu Dichtern wie Heine (der ihn nicht mochte) oder Freiligrath oder Herwegh gehört? Viel weiß man nicht und viel kennt man nicht von ihm. Scheinbar. Er hat jene, aus heutiger Sicht missdeutbare Zeile Deutschland, Deutschland über alles verfasst, Teil eines 1841 geschriebenen dreistrophigen Gedichtes, das später, über eine Melodie von Joseph Haydn gelegt, ab 1922 per Dekret des Reichskanzlers Friedrich Ebert die Deutschen Nationalhymne wurde. Über die Entstehungsgeschichte des Gedichtes berichtet Hoffmann von Fallersleben: Am 28.August kommt Campe mit dem Stuttgarter Buchhändler Paul Neff. Er bringt mir das erste fertige Exemplar des zweiten Teils der Unpolitischen Lieder [] Am 29.August spaziere ich mit Campe am Strande. Ich habe ein Lied gemacht, das kostet aber 4 Louisdor. Wir gehen in das Erholungszimmer. Ich lese ihm: Deutschland, Deutschland über alles, und noch ehe ich damit zu Ende bin, legt er mir 4 Louisdor auf meine Brieftasche. [] Wir beratschlagen, in welcher Art das Lied am besten zu veröffentlichen ist. Campe schmunzelt: Wenn es einschlägt, so kann es ein Rheinlied werden. Erhalten Sie drei Becher, muss mir einer zukommen. [] Campe steckt es ein, und wir scheiden. Am 4. September bringt mir Campe das Lied der Deutschen mit der Haydnschen Melodie in Noten, zugleich mein Bildnis, gezeichnet von C. A. Lill. Übrigens ist die uns heute geläufige Vertonung nach Haydn nicht die einzige. Hoffmann von Fallersleben selbst hat gründlich Buch darüber geführt. Bis 1782 waren bereits 58 Melodien dazu bekannt. Zu feierlichen Anlässen erhebt man sich und singt, sofern man den Text überhaupt beherrscht, je nach Überzeugung, seit 1952 nur noch die dritte Strophe. Einigkeit und Recht und Freiheit - das kann man singen. Konnte man übrigens in jenem Teil des getrennten Landes nicht, der sich wenige Monate nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland aufmachte, um als Deutsche Demokratische Republik zu souveränem Anerkennung zu gelangen, was aber eine nicht immer vorhandene Souveränität der Regierenden voraussetzte. In diesem Teil Deutschlands sang man Auferstanden aus Ruinen. Doch das bald nicht mehr, denn in dem Gedicht von Johannes R. Becher hieß es Deutschland einig Vaterland. Und das hatte man aufgegeben, weil man sich selbst genug war. Ach, hätte man sich doch für Bert Brechts später als Kinderhymne überschriebenes Gedicht entschieden, in dem es heißt: Anmut sparet nicht noch Mühe / Leidenschaft nicht noch Verstand / Dass ein gutes Deutschland blühe / Wie ein andres gutes Land. So musste man - des Textes entfremdet - Eislers Melodie stumm ertragen. Aber das noch: Während der zwölf Jahre faschistischer Diktatur grölte man, die Intentionen des Verfassers gänzlich diskreditierend, nur noch die erste Strophe Deutschland, Deutschland über alles. Ach ja, Deutschland, Deutschland, übe alles. Geschrieben hat Hoffmann das Gedicht aus ganz anderen als nachträglich hineininterpretierten nationalüberheblichen Gründen. Es war die Sehnsucht nach einem zu Hause, nach jenem in viele kleine Staaten zerrissenen deutschen Vaterland, das nicht mehr Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, aber auch noch kein einig vereinigtes Vaterland war. Das also zu dem Gedicht und der Hymne, zu der es gemacht wurde. Was weiß man noch? Fallersleben gehörte zu den Dichtern des Vormärz, verfolgt und verfemt von den Herrschenden, steckbrieflich gesucht und mehrfach auf der Flucht, Dichtern, die mit ihren Liedern und Schriften vehement Partei ergriffen für ein innerlich starkes und nach außen friedfertiges Deutschland. Da fallen uns die schon einmal genannten Dichter ein. Aber er wird selten mit ihnen in einem Atemzug genannt. Das hat Gründe, die auch mit ihm und seinen gelegentlich ausufernden Dichtungen zu tun haben, und die, besonders in seinem Spätwerk, ins Nationalistische, Brachiale, Krieg verherrlichende abglitten. Heinrich Heine hat es in einem Brief an den gemeinsamen Verleger Campe sarkastisch auf den Punkt gebracht. Er fand die Gedichte von Hoffmann von Fallersleben spottschlecht, und vom ästhetischen Standpunkte aus hatte die preußische Regierung ganz recht, darüber ungehalten zu sein, schlechte Späße um Philister zu amüsieren bei Bier und Tabak.

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