Beschreibung
Studienarbeit aus dem Jahr 2003 im Fachbereich Romanistik - Französisch - Literatur, Note: 1-2, Ludwig-Maximilians-Universität München (Institut für Romanische Philologie), Veranstaltung: Proseminar: Übungen zur Moralistik des 17. Jahrhunderts, Sprache: Deutsch, Abstract: In dem Vorwort zu den Caractères schreibt La Bruyère que ce sont les caractères oules moeurs de ce siècle que je décris1. Er gibt offen an, dass er sich seine Eindrückevom Hof des Königs Louis XIV geholt hat, einem Ort, der als Ausgangspunkt fürMenschenbeobachtungen wie geschaffen war. Zugleich bemerkt er, dass seineEindrücke nicht auf diesen Hof oder Frankreich zu beschränken sind, sondern dass sievielmehr überregionalen Charakter besitzen. Seine Intension war es, dy peindre leshommes en général2, also allgemeinmenschliche bzw. soziale Typen zu malen unddadurch erweitert er die Gültigkeit seiner Darstellungen noch um den Aspekt derÜberzeitlichkeit. Darauf möchte ich am Ende meiner Ausführungen noch einmalzurückkommen.Die Wortwahl La Bruyères in diesem zuletzt zitierten Abschnitt weist auf eineliterarische Gattung hin, nämlich das literarische Portrait3, die er in den Caractèresneben anderen kurzen narrativen Formen verwendet hat. Damit reiht er sich am Endedes 17. Jahrhunderts in eine lange Tradition ein, die in Frankreich bereits in der Mittejenes Jahrhunderts in Form von jeux mondaines4 gang und gäbe war. Denn dasPortraitschreiben wurde in den Salons der Adeligen als eine Form des passe-temps5hoch geschätzt. [...]1 La Bruyère: Les Caractères ou Les Moeurs de ce siècle.Saint-Amand, 2002, S.18, im folgenden zitiert alsBruyère : Caractères.2 Bruyère: Caractères. S. 18. Damit stellt er sich klar in die Tradition des theophrastischen Charakterportraits,obwohl er auch, jedoch selten, zeitgenössische Individuen darstellt. Meist handelt es sich aber um Typenohne historische Vorlage. Vom zeitgenössischen Publikum wurden seine Portraits trotz der klarenStellungnahme im Vorwort als Schlüsselportraits gelesen. Vgl. hierzu: Thomas Koch: LiterarischeMenschendarstellung. Studien zu ihrer Theorie und Praxis. Tübingen, 1991, S.88, im folgenden zitiert alsKoch: Menschendarstellung.3 Im folgenden soll, wenn von einem Portrait die Rede ist, stets das literarische Portrait gemeint sein.4 Pierre Richard: La Bruyère et ses « Caractères ». Amiens, 1946, im folgenden zitiert als Richard : La Bruyère.5 Dirk Van der Cruysse: Le Portrait dans les « Mémoires » du Duc de Saint-Simon. Paris, 1971, S. 35, imfolgenden zitiert als Cruysse: Portrait. Dieses Werk gibt einen besonders guten Überblick über dieunterschiedlichen Wurzeln des literarischen Portraits.
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