Die Konstruktion der europäischen Gesellschaft

Zur Dialektik von transnationaler Integration und nationaler Desintegration

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593386515
Sprache: Deutsch
Umfang: 446 S.
Format (T/L/B): 2.7 x 21.3 x 13.8 cm
Auflage: 1. Auflage 2008
Einband: Paperback

Beschreibung

InhaltsangabeVorwort Einleitung: Die juristische und die semantische Konstruktion Europas auf der Grundlage der europäischen Arbeitsteilung 1. Die juristische Konstruktion Europas 2. Die semantische Konstruktion Europas 1. Das Recht als Grundstruktur der modernen Gesellschaft 1.1 Römisches Recht 1.2 Mittelalterliche Stadt, Christentum und Juristenstand 1.3 Die Nation als Klammer der Rechtsordnung 1.4 Moralischer Universalismus und ethischer Individualismus und ihre rechtliche Konkretisierung in den Menschen- und Bürgerrechten 2. Die juristische Konstruktion der europäischen Gesellschaft 2.1 Politikwissenschaftliche Forschungsansätze zur europäischen Integration 2.2 Eine soziologische Annäherung an die rechtliche Integration Europas 2.3 Formale Grundlagen der Europäisierung des Rechts: Vorabentscheidungsverfahren, direkte Wirkung und Vorrang des europäischen Rechts 2.4 Substantielle Grundlagen der Europäisierung des Rechts: Freizügigkeit und Nicht-Diskriminierung als Leitidee 2.5 Die Gemeinschaft der europäischen Juristen als prägende Kraft der verbindlichen Durchsetzung des europäischen Rechts 2.6 Der Sinn des rechtlichen Wandels: von der funktionalen Anpassung zur Konstruktion einer legitimen Ordnung Zwischenfazit 3. Die Semantik des moralischen Universalismus und des ethischen Individualismus 3.1 Handlungsspielräume, Funktionslogiken und Ordnungen 3.2 Moralischer Universalismus und ethischer Individualismus I: die Reformation 3.3 Moralischer Universalismus und ethischer Individualismus II: die Aufklärung 4. Konventioneller Liberalismus und Republikanismus: Modelle für die semantische Konstruktion Europas? 4.1 Die Semantik des konventionellen Liberalismus 4.2 Die Semantik des Republikanismus 4.3 Konventioneller Liberalismus und Republikanismus vor den Herausforderungen der europäischen Integration 5. Die Europäische Union zwischen Supranationalismus und nationaler Souveränität: das britische Dilemma 5.1 Die institutionelle Konstruktion Europas 5.2 Die britische Ablehnung einer europäischen Identität Schlussbemerkungen 6. Die Europäische Union zwischen ökonomischem Liberalismus und politischem Republikanismus: das französische Dilemma 6.1 Die institutionelle Konstruktion Europas 6.2 Europäische Identität auf der Grundlage eines gemeinsamen kulturellen Erbes? Schlussbemerkungen 7. Legalismus: Ein Modell für die semantische Konstruktion Europas? 7.1 Die Vertragstheorie Immanuel Kants 7.2 Die Idee des demokratischen und sozialen Rechtsstaats 7.3 Der Legalismus vor den Herausforderungen der europäischen Integration 8. Die Europäische Union zwischen Verfassungspatriotismus und Volkssouveränität: das deutsche Dilemma 8.1 Die institutionelle Konstruktion Europas 8.2 Verfassungspatriotismus als Verkörperung einer europäischen Identität? Schlussbemerkungen Schlussbetrachtung: Konstitutioneller Liberalismus als Modell für die semantische Konstruktion Europas? 1. Die Entwicklung und die semantische Konstruktion sozialer Ordnungen 2. Eigenart und historische Formung des konstitutionellen Liberalismus 3. Offenheit nach außen und innere Differenzierung als Inklusionsprogramm 4. Europa: Auf dem Weg zu einer Semantik und institutionellen Form des konstitutionellen Liberalismus? 5. Die Konstruktion Europas als hegemoniales Projekt der Liberalisierung Anhang 1. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes 2. Entscheidungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts 3. Personenliste zum intellektuellen Diskurs (Kapitel 5, 6 und 8) Abkürzungen Literatur Personenregister Sachregister Veröffentlichungsnachweise

Autorenportrait

Richard Münch ist Professor für Soziologie an der Otto- Friedrich-Universität Bamberg und Sprecher des Graduiertenkollegs 'Märkte und Sozialräume in Europa'. Zuletzt erschien 2007 von ihm das viel diskutierte Buch 'Die akademische Elite'.

Leseprobe

Die europapolitische Debatte innerhalb der deutschen Intellektuellenlandschaft wurde in den letzten Jahren insbesondere durch die Diskussion über eine europäische Verfassung bestimmt. Es kommt darin die Prägung der Debatte durch das juristische Denken in der deutschen kodifikationsrechtlichen Tradition unmittelbar zum Ausdruck. Die unterschiedlichen Positionen in dieser Diskussion lassen sich auf zwei Polen verorten: Skeptiker versus Optimisten. Unter den Verfassungsskeptikern finden sich hauptsächlich Verfassungsrechtler, während unter den Fürsprechern einer europäischen Verfassung prominente Geistes- und Sozialwissenschaftler wie Jürgen Habermas vertreten sind. Die Skeptiker stehen in der Tradition des Hegelschen Denkens, nach dessen demokratisch gewendeter Gestalt jede Rechtsordnung der demokratischen Legitimation bedarf. Für die Skeptiker ist das auf absehbare Zeit nur dort möglich, wo Volkssouveränität tatsächlich und nicht nur formell ausgeübt werden kann. Das ist für sie die nationalstaatliche Ebene im europäischen Mehrebenensystem. Die Optimisten stehen in der Tradition des Kritischen Denkens, nach dem das Recht selbst eine Rechtsgemeinschaft jenseits partikularer traditioneller Bindungen konstituiert, aus der letztlich auch eine postnationale Gemeinschaft europäischer Bürger hervorwachsen kann. 8.1 Die institutionelle Konstruktion Europas Lange bevor sich die Europäische Union dazu entschloss, einen Konvent zur Ausarbeitung eines Vertrages über eine Verfassung für Europa einzuberufen, der den EG-Vertrag und den EU-Vertrag zugunsten einer einheitlichen Struktur der EU ablösen sollte, führten Dieter Grimm und Jürgen Habermas eine Debatte über die Notwendigkeit einer europäischen Verfassung, die richtungsweisend für die intellektuelle Anschlusskommunikation in Deutschland war. Aus diesem Grund werden die Beiträge von Grimm und Habermas etwas ausführlicher dargestellt, da sie bereits wesentliche Argumente anderer Autoren enthalten, auf die im weiteren Verlauf nur kurz eingegangen wird. Die Debatte wird durch einen zentralen Gegensatz bestimmt, duch den Gegensatz zwischen einem geschlossenen, dem Nationalstaat verhafteten und einem offenen, der supranationalen Erweiterung zugewandten Modell der demokratischen Legitimation des Rechts (vgl. Diedrichs und Wessels 2005; Jopp und Matl 2005). Grimms juristische Prägung als Verfassungsrechtler wird deutlich, wenn er in seinem Aufsatz "Braucht Europa eine Verfassung" (Grimm 1995) die beiden widerstreitenden Argumente bezüglich einer Europäischen Verfassung ausschließlich juristisch begreift. Folglich kann es aus der juristischen Perspektive nur zwei Auffassungen geben. Auf der einen Seite steht die Auffassung, eine Verfassung sei unnötig, da die vorhanden EG/EU-Verträge bereits als höheres Recht die Handlungsspielräume der Nationalstaaten begrenzen und somit als Quasi-Verfassung wirken. Auf der anderen Seite steht die Auffassung, eine Verfassung sei nur dann nötig, wenn man behauptet, dass die Verträge unzureichend sind und deswegen durch eine Verfassung ersetzt werden müssten. Falls die Verträge wie eine Verfassung wirken, muss ermittelt werden, was Europa fehlt und ob dieser Mangel überhaupt beseitigt werden kann, beziehungsweise beseitigt werden soll. Falls die Verträge keine Verfassung darstellen, muss dargelegt werden, worin sich eine Verfassung inhaltlich von den Verträgen unterscheiden würde. Durch völkerrechtliche Verträge wurden der EU faktisch Hoheitsrechte übertragen, wodurch sie handlungsregulierend bzw. handlungsleitend in die Rechtsordnungen der Nationalstaaten eingreifen kann. Ihre innerstaatliche Wirkung ist demnach insbesondere in den Politikbereichen, die in ihren Kompetenzbereich fallen, durchaus mit der eines Souveräns zu vergleichen. Die eingeschränkte supranationale Souveränität der EU ist dagegen insbesondere am intergouvernementalen Charakter der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik zu erkennen. Das von Grimm bei einer Europäischen Verfassung identifizierte Hauptproblem ist die Ablösung der Verfassung vom Staat. Dass mit dieser Ablösung eine fehlende Rückbindung der EU an übergeordnetes Recht einhergeht, kann Grimm nicht erkennen. Seines Erachtens existiert die EU, "mangels eines vorgängigen sozialen Substrats, überhaupt nur als Rechtsgemeinschaft" (Grimm 1995: 585). Diese ist an das primäre Gemeinschaftsrecht gebunden, das zwar nicht in einer Verfassung, aber doch in den Verträgen niedergelegt ist. Schließlich konstituiert das Recht die Gemeinschaft, setzt ihr übergeordnete Ziele, richtet die Organe ein, nimmt Kompetenzzuweisungen vor und ordnet das Verfahren. Die bestehenden Verträge sind also für Grimm bereits ein funktionales Äquivalent zu einer europäischen Verfassung, wenngleich er erkennt, dass durch die Abwesenheit von Grundrechten grundlegende Verfassungsprinzipien wie Gleichheit und Freiheit nicht adäquat repräsentiert sind. Es ist insbesondere der Verfassungsbegriff, der nach Grimm Probleme aufwirft. Eine europäische Verfassung ginge nicht auf ein europäisches Staatsvolk zurück, sondern hätte allenfalls den Charakter eines völkerrechtlichen Vertrages (Grimm 2005). Die Entscheidungskriterien über diese Verfassung sind nicht einem abstrakten Gemeinwohl geschuldet, sondern sind nationalstaatlich verhaftet. Diese fehlende demokratische Legitimität bringt in dem Sinne ein Demokratiedilemma zum Ausdruck, dass auf nationalstaatlicher Ebene zwar Demokratie existiert, gleichzeitig allerdings Regulierungskompetenzen entschwinden, während auf EU-Ebene die Kompetenzen immer mehr anwachsen, ohne jedoch demokratisch legitimiert zu sein. Hoffnungen, durch die Erweiterung der Kompetenzen des Europäischen Parlaments die EU zu demokratisieren, zerstreut Grimm durch den Hinweis, dass Demokratie neben dem Parlamentarismus noch andere Elemente, wie zum Beispiel Massenmedien und eine europäische Öffentlichkeit, benötigt (Grimm 1995, 2004). Insbesondere hinsichtlich der Frage der Herausbildung einer europäischen Öffentlichkeit identifiziert Grimm eine Diskrepanz zwischen einer europäisierten Elite und der nichteuropäisierten Basis. Die aufgrund einer fehlenden gemeinsamen Sprache immer noch nationalen Rezeptionskontexte europäischer Entscheidungen verhindern die Herausbildung einer europäischen Öffentlichkeit. Weil eine solche gemeinsame Öffentlichkeit fehlt, ist nach Grimm die Entwicklung einer kollektiven europäischen Identität nicht möglich. Diese sei allerdings wünschenswert, um die gewaltlose Lösung von Interessenkonflikten zu gewährleisten. Da diese strukturellen Probleme nicht kurzfristig gelöst, ja schon gar nicht ihre Lösung erzwungen werden kann, ist per definitionem Demokratie auf europäischer Ebene nicht vorhanden und somit keine Verfassung als höhere Ordnung möglich. Er plädiert deshalb anstelle einer Verfassung für einen Kernvertrag, der detaillierte Ausführungen einfach weglässt und somit ein nötiges Maß an Symbolik bietet. So könnte man gesellschaftlichen Entwicklungen zwar institutionell vorgreifen, würde aber gleichzeitig grundlegende Prinzipien wie die begrenzte Einzelermächtigung durch die Mitgliedstaaten nicht durch die Kompetenz-Kompetenz der Europäischen Union verletzen (vgl. Hurrelmann 2005: 15-20). Die EU hätte die Kompetenz, sich die Kompetenzen und die Mittel selbst zuzuweisen, und das Gemeinschaftsrecht wäre nicht mehr Folge des erteilten Anwendungsbefehls der Mitgliedstaaten, sondern Folge des Verfassungsauftrags. Diese 1995 publizierten Ausführungen von Dieter Grimm sind konsistent mit seiner späteren Beurteilung der tatsächlichen Ausarbeitung eines europäischen Verfassungsvertrags. Grimm unterstreicht nachdrücklich, dass es nicht um eine Verfassung im eigentlichen Sinne geht, sondern um einen Verfassungsvertrag, da sich die EU die Kompetenzen nicht selbst nehmen darf, sondern von den Mitgliedstaaten nach den nationalen Regelungen übertragen bekommt. Da die bereits genannten strukturellen Defizite der EU auch mittels Verträgen nicht ...

Inhalt

Vorwort Einleitung: Die juristische und die semantische Konstruktion Europas auf der Grundlage der europäischen Arbeitsteilung 1. Die juristische Konstruktion Europas 2. Die semantische Konstruktion Europas 1. Das Recht als Grundstruktur der modernen Gesellschaft 1.1 Römisches Recht 1.2 Mittelalterliche Stadt, Christentum und Juristenstand 1.3 Die Nation als Klammer der Rechtsordnung 1.4 Moralischer Universalismus und ethischer Individualismus und ihre rechtliche Konkretisierung in den Menschen- und Bürgerrechten 2. Die juristische Konstruktion der europäischen Gesellschaft 2.1 Politikwissenschaftliche Forschungsansätze zur europäischen Integration 2.2 Eine soziologische Annäherung an die rechtliche Integration Europas 2.3 Formale Grundlagen der Europäisierung des Rechts: Vorabentscheidungsverfahren, direkte Wirkung und Vorrang des europäischen Rechts 2.4 Substantielle Grundlagen der Europäisierung des Rechts: Freizügigkeit und Nicht-Diskriminierung als Leitidee 2.5 Die Gemeinschaft der europäischen Juristen als prägende Kraft der verbindlichen Durchsetzung des europäischen Rechts 2.6 Der Sinn des rechtlichen Wandels: von der funktionalen Anpassung zur Konstruktion einer legitimen Ordnung Zwischenfazit 3. Die Semantik des moralischen Universalismus und des ethischen Individualismus 3.1 Handlungsspielräume, Funktionslogiken und Ordnungen 3.2 Moralischer Universalismus und ethischer Individualismus I: die Reformation 3.3 Moralischer Universalismus und ethischer Individualismus II: die Aufklärung 4. Konventioneller Liberalismus und Republikanismus: Modelle für die semantische Konstruktion Europas? 4.1 Die Semantik des konventionellen Liberalismus 4.2 Die Semantik des Republikanismus 4.3 Konventioneller Liberalismus und Republikanismus vor den Herausforderungen der europäischen Integration 5. Die Europäische Union zwischen Supranationalismus und nationaler Souveränität: das britische Dilemma 5.1 Die institutionelle Konstruktion Europas 5.2 Die britische Ablehnung einer europäischen Identität Schlussbemerkungen 6. Die Europäische Union zwischen ökonomischem Liberalismus und politischem Republikanismus: das französische Dilemma 6.1 Die institutionelle Konstruktion Europas 6.2 Europäische Identität auf der Grundlage eines gemeinsamen kulturellen Erbes? Schlussbemerkungen 7. Legalismus: Ein Modell für die semantische Konstruktion Europas? 7.1 Die Vertragstheorie Immanuel Kants 7.2 Die Idee des demokratischen und sozialen Rechtsstaats 7.3 Der Legalismus vor den Herausforderungen der europäischen Integration 8. Die Europäische Union zwischen Verfassungspatriotismus und Volkssouveränität: das deutsche Dilemma 8.1 Die institutionelle Konstruktion Europas 8.2 Verfassungspatriotismus als Verkörperung einer europäischen Identität? Schlussbemerkungen Schlussbetrachtung: Konstitutioneller Liberalismus als Modell für die semantische Konstruktion Europas? 1. Die Entwicklung und die semantische Konstruktion sozialer Ordnungen 2. Eigenart und historische Formung des konstitutionellen Liberalismus 3. Offenheit nach außen und innere Differenzierung als Inklusionsprogramm 4. Europa: Auf dem Weg zu einer Semantik und institutionellen Form des konstitutionellen Liberalismus? 5. Die Konstruktion Europas als hegemoniales Projekt der Liberalisierung Anhang 1. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes 2. Entscheidungen des deutschen Bundesverfassungsgerichts 3. Personenliste zum intellektuellen Diskurs (Kapitel 5, 6 und 8) Abkürzungen Literatur Personenregister Sachregister Veröffentlichungsnachweise

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