Soziologische Anstöße

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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783593374956
Sprache: Deutsch
Umfang: 316 S.
Format (T/L/B): 1.7 x 21 x 14.8 cm
Auflage: 1. Auflage 2004
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Was leistet die Soziologie ? Hartmut Essers Modell der soziologischen Erklärung bildet eine allgemeine theoretische Grundlage der Soziologie. Die Texte in diesem Band markieren unterschiedliche Stationen bei der Entwicklung dieses Konzepts. Es handelt sich um programmatische Beiträge zur soziologischen Methode, zu alternativen Ansätzen, zum Stand der Soziologie als Disziplin, zu theoretischen Entwicklungen und zu Anwendungen auf empirische Probleme, wie etwa dem der ethnischen Differenzierung oder der (In-)Stabilität ehelicher Beziehungen.

Autorenportrait

Hartmut Esser ist Professor für Soziologie an der Universität Mannheim. Bei Campus erschien sein 6-bändiges Lehrbuch Soziologie - Allgemeine und Spezielle Grundlagen.

Leseprobe

Die Soziologie ist - mit Max Weber: bekanntlich - jene Wissenschaft, die das soziale Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und in seinen Folgen ursächlich erklären will. Diese Vorgaben kann man auf die Sozialwissenschaften insgesamt ausweiten: auf die Politikwissenschaften gewiss, aber auch auf die Geschichtswissenschaften, auf die Ökonomie und auf die Sozialpsychologie. Mit ihnen wird zunächst eine zentrale Gemeinsamkeit umschrieben, die die Sozialwissenschaften miteinander und dann mit allen Wissenschaften teilen sollten, nämlich die Unterordnung unter das oberste Ziel aller Wissenschaften, die ("ursächliche") Erklärung und die möglichst wertneutrale Orientierung allein an der Güte ihrer Theorien und der empirischen Belege. Alles andere, wie die Beschäftigung mit der Geschichte des Fachs, mit einzelnen Lehrmeinungen und den Klassikern, die Methode und die Methodologie, die quantitativen und die qualitativen Beschreibungen der sozialen Vorgänge und der Gesellschaften, die institutionelle Infrastruktur der Fächer, die Wirksamkeit in der Öffentlichkeit und die Präsenz in den Feuilletons u.a., hängt daran und erhält so seine Legitimität, aber das sind alles immer nur - mehr oder weniger zentrale - Unterziele. Deshalb sind auch die Empörungsqualität ihrer Ergebnisse, der literarische Anregungsgehalt ihrer Berichte oder ihre medienwirksame Anstößigkeit kein besonders bedeutsamer Maßstab: Wer "Schau" wünscht, so liest man bei Max Weber auch, gehe ins Lichtspiel, wer "Predigt" wünscht, ins Konventikel. Heute würde man "Sabine Christiansen" hinzufügen. Die Soziologie ist danach eben kein hybrides Gebilde irgendwo im Schattenreich zwischen Wissenschaft, Literatur, Kunst, Morallehre und politischem Diskurs, wie das manche immer noch (oder auch: wieder) meinen, und sie hat sich, nach den turbulenteren Tagen ihrer Blüte in den 70er Jahren, gottlob, auch davon entfernt. Der Preis für diesen Gewinn an Seriosität und Professionalität war der Verlust ihrer Buntheit, der plakativen Formulierungen, etwa eines Helmut Schelsky, René König oder Ralf Dahrendorf, und damit auch ihrer öffentlichen Anstößigkeit, und es gibt, speziell in den Feuilletons der überregionalen Tages- und Wochenzeitungen, nicht wenige, die das beklagen, und sich, etwa angelegentlicher Besuche der Soziologentage, nur wundern, wie langweilig und wie "scheintot" doch inzwischen alles geworden ist, und die den guten alten Zeiten hinterher trauern, als diese vor kurzem doch noch so "junge" Wissenschaft, wie man selbst, ihre Utopien so ungetrübt in den Tag hinein hat träumen können, wie vor kurzem wieder anlässlich des Gedenkens an Theodor W. Adorno, an dessen Texte sich manch einer mit einer Mischung aus, wie auch immer begründeter, Bewunderung, sportlichem Ehrgeiz, allergischer Abwehr und auch Mitgefühl, kaum aber fundierter soziologischer Analyse, erinnern mag. Das Modell der soziologischen Erklärung, wie es, aufbauend auf eine längere Entwicklung der sog. Erklärenden Soziologie in einer langen Tradition des soziologischen Denkens, in den insgesamt sieben Bänden "Soziologie. Allgemeine Grundlagen" und "Soziologie. Spezielle Grundlagen" dargelegt wurde, ist, auch vor diesem Hintergrund, ein Versuch, die Soziologie doch (wieder) näher an die oben beschriebenen und ansonsten so gut wie überall geteilten Kriterien der wissenschaftlichen Arbeit heran zu bringen, als das derzeit der Fall zu sein scheint. Und das heißt vor allem: sie (endlich) konsequent und ausschließlich an den Vorgaben angemessener wissenschaftlicher Erklärungen zu orientieren, und eben nicht an anderem. Das freilich unter der Beachtung der wohl wichtigsten Besonderheit der Sozialwissenschaften gegenüber den Naturwissenschaften: der Beachtung der Kategorie des "Sinns", zu der es in den Naturwissenschaften in der Tat kein Äquivalent gibt, und damit: des Aspektes des "Verstehens", so wie das Max Weber vorgezeichnet hat. Damit ist unmittelbar ein zweites Ziel verbunden: die Überwindung der das Fach seit jeher in seiner Arbeit, seinen Erfolgen und seinem Ansehen sehr schade "Zwei Soziologien". Das hat sich, von einigen Nachhutgefechten abgesehen, inzwischen gegeben, und heute gibt es (fast) keinen ernst zu nehmenden theoretischen Ansatz mehr, der nicht, wenigstens: auch, die Überbrückung des Gegensatzes zwischen Makro- und Mikroebene, von Struktur und Handlung und die Kombination von Sinnverstehen und kausaler Erklärung fordert. Manche Autoren, wie Anthony Giddens, Pierre Bourdieu oder Norbert Elias, und manche Ansätze, wie der Neo-Funktionalismus, der sog. akteursorientierte Institutionalismus oder das Konzept der generierenden Mechanismen, verfolgen im Grunde die gleiche Idee, nicht immer freilich so, dass sie den Kriterien einer angemessenen Erklärung auch wirklich genügen können. Vieles musste dabei an altem Schutt beiseite geräumt und neu rekonstruiert werden, wie etwa die (oft heute noch nicht verstandene) Unterscheidung von Methodologischem Individualismus und Psychologismus, die angebliche Differenz von "Verstehen" und "Erklären" oder die vorgebliche Unmöglichkeit "allgemeiner" Erklärungen angesichts der historischen Einmaligkeiten aller sozialen Prozesse, und in den Debatten musste und muss man dann nicht selten auch wieder von vorne anfangen, stets in der Gefahr, angesichts mancher Einreden nicht gleich die nötige Geduld und Fassung zu verlieren. Zweitens. Zunächst waren die Grundgedanken der Erklärenden Soziologie mit mikrotheoretischen Fundierungen versehen worden, die darüber hinaus einen ganz anderen Anlass der Anstößigkeit bildeten: die lern- und verhaltenstheoretischen Gesetze bei George C. Homans zunächst, und später dann, in einer zunehmend breiter werdenden Strömung, die Nutzung von Varianten der sog. Rational-Choice- Theorie. Mit der - stillschweigenden, wenngleich nie sonderlich explizit gemachten - Akzeptanz der Prinzipien des Methodologischen Individualismus verlagerte sich die Abwehr-Debatte der herkömmlichen Soziologie auf die Anstößigkeiten der Vorstellung, dass menschliche Akteure zunächst in der Tat meist an sich selbst denken und ihr Handeln nach zukünftig zu erwartenden Folgen "berechnen". Das war natürlich ein besonders deutlicher Bruch mit den soziologischen Denkgewohnheiten: Nur auf der Grundlage von Interessen seien weder ein konsistentes Handeln denkbar, noch die soziale Ordnung. Und das sollte jetzt alles nicht mehr richtig sein? Es wurde in diesem Zusammenhang nachgerade zum soziologischen Volkssport, allerlei "Grenzen des Rational Choice" auszuloten und sich mit der - oft nur mühsam herbei argumentierten - Gewissheit zu beruhigen, dass die da draußen doch machen können, was sie wollen und auch (scheinbar) Erfolg haben: Es geht ja sowieso nicht. Garniert wurden diese Abwehrreaktionen durch - teilweise: sehr - empörte Anklagen, dass der Rational-Choice-Ansatz nicht bloß ein Zeichen des Vordringens der kapitalistischen Ellbogenmentalität, sondern nachgerade ein Teil des Verfalls der Bür...

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